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Recht - Lieferkettengesetz

Die Lieferkette genau im Blick

Das »Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten« (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) ist am 16.07.2021 in Kraft getreten und entfaltet Compliance-Pflichten, die eine immense Bedeutung erlangen werden. Unternehmen, die im Ausland produzieren oder bei solchen
Unternehmen einkaufen, müssen dieses Gesetz kennen.

A. Für wen gilt das Lieferkettensorgfaltspflichten-gesetz (LkSG)?

Das Gesetz gilt ab dem 01.01.2023 für Unternehmen, die mehr als 3000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Inland beschäftigen, und ab dem 01.01.2024 für Unternehmen, die mehr als 1000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Konzerngesellschaften müssen besonders genau rechnen, denn die Arbeitnehmer verbundener Unternehmen werden mitgezählt.
Mitlesende Unternehmer und Unternehmerinnen, die davon nicht betroffen sind, könnten versucht sein, hier bereits die Lektüre abzubrechen – »Dann bin ich ja raus«. Doch das ist zu kurz gedacht. Warum? Um das zu erklären, muss man etwas ausholen.

B. Warum gibt es das LkSG?

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich auf völkerrechtlicher und europarechtlicher Ebene verpflichtet, bestimmte Menschenrechts- und Umweltschutzmindeststandards einzuhalten. Diese Standards dürften kaum wirklich zur Debatte stehen. Es gehören dazu beispielsweise das Verbot von Kinderarbeit, Sklaverei und Folter, aber auch der Einsatz bestimmter verbotener Chemikalien in der Produktion wie Quecksilber und wissentliche Herbeiführung von Boden-, Gewässer- oder Luftverunreinigungen.
Verstöße gegen diese Verbote werden in Deutschland, und wohl auch in Europa, wenig anzutreffen sein. Insbesondere bei der Produktion in Asien ist die Einhaltung solcher Verbote aber weniger selbstverständlich, auch wenn Verstöße dort sicherlich nicht die Regel bilden.

Das LkSG betrifft alle entlang der Lieferkettebeteiligten Unternehmen.

Um Verstöße in den Griff zu bekommen, nimmt das LkSG nun die Importeure in die Pflicht. »Am deutschen Wesen soll die Welt genesen«, ist an dieser Stelle aber kein zutreffender Vorwurf. Vielmehr will Deutschland damit international bestehende Verpflichtungen umsetzen.

C. Was regelt das LkSG?

Das Wichtigste vorweg: Das LkSG enthält auch für die direkt betroffenen Unternehmen, die die Schwellenwerte überschreiten, keine unbedingte Haftung für Verstöße gegen die benannten Verbote. Kein Importeur von Fahrradrahmen haftet verschuldens­unabhängig dafür, wenn bei der Produktion in China Löhne vorenthalten werden oder bei der Produktion in Bangladesch verbotene Chemikalien eingesetzt werden. Aber gleichzeitig können die betroffenen Unternehmen auch nicht (mehr) wegsehen.
Denn das LkSG legt bestimmte Sorgfaltspflichten fest, die entlang der Lieferkette gelten. Die direkt betroffenen Unternehmen müssen folgende sieben Kernelemente in ihre Prozesse inte­grieren:


Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ein Wortungetüm, das allerdings sehr konkrete Folgen für Unternehmen hat. Betroffen sind mehr Betriebe, als man auf den ersten Blick annehmen würde.

1. Grundsatzerklärung

Alle direkt betroffenen Unternehmen (jene mit den vielen Beschäftigten) müssen eine Grundsatzerklärung über ihre Menschenrechtsstrategie verfassen und diese muss veröffentlicht werden. Diese muss die Strategie und das Verfahren beinhalten, mit dem Verstößen vorgebeugt wird. Außerdem muss die Erklärung Präventionsmaßnahmen benennen, die in den einzelnen Abteilungen benannt werden, wie beispielsweise im Einkauf.

2. Risikomanagement

Betroffene Unternehmen müssen ein Risikomanagement einrichten. Dieses Risikomanagement betrifft die gesamte Lieferkette, also sowohl mittelbare wie auch unmittelbare Zulieferer. Es muss sichergestellt sein, dass Risiken für die Verletzung von Menschenrechten und Umweltschutzstandards erkannt werden. Außerdem müssen die im Unternehmen zuständigen Personen bestimmt werden.

3. Risikoanalyse

Die Unternehmen müssen einmal im Jahr die Risiken analysieren, wenn Anzeichen für Verletzungen vorliegen auch häufiger. Die Analyse betrifft auch unmittelbare Zulieferfirmen.

4. Präventionsmaßnahmen

Wenn sich aus der Risikoanalyse Anzeichen für Verstöße in der eigenen Produktion oder bei unmittelbaren Zulieferern ergeben, müssen Präventionsmaßnahmen getroffen werden, um diese Verstöße zu unterbinden oder Verstößen vorzubeugen.

5. Abhilfemaßnahmen

Sollte sich ein Verstoß (Kinderarbeit, Quecksilbereinsatz oder Ähnliches) tatsächlich als erwiesen herausstellen, müssen die Unternehmen ihn unverzüglich abstellen. Schlimmstenfalls und als letztes Mittel ist die Zusammenarbeit mit unmittelbaren Zulieferfirmen abzubrechen oder die (eigene) Produktionsstätte zu schließen. Dieses scharfe Schwert muss aber nicht direkt ergriffen werden. Es besteht ein gewisser Spielraum, denn die Maßnahmen müssen »angemessen« sein. Was das im Detail bedeutet, wird die Praxis und auch die Rechtsprechung hierzu zeigen.

6. Beschwerdeverfahren

Die Unternehmen müssen ein Beschwerdeverfahren einführen. Dieses muss auch Dritten oder Betroffenen die Möglichkeit geben, Verstöße zu melden. Unbeschadet davon sollen natürlich auch Mitarbeitende die Möglichkeit haben, diese zu melden.

7. Dokumentations- und Berichtspflichten

Die Unternehmen müssen einen jährlichen Bericht über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr schreiben und online auf der eigenen Website veröffentlichen.

D. Was passiert bei Verstößen?

Bei Verstößen können Geldbußen bis zu 8 Millionen oder bei Unternehmen mit mindestens 400 Millionen Euro Umsatz sogar bis zu zwei Prozent des Umsatzes ausgesprochen werden. Außerdem können Verstöße dazu führen, dass Unternehmen auf Sperrlisten bei staatlichen Stellen kommen, also von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

E. Und warum betrifft das alle?

Das LkSG betrifft alle entlang der Lieferkette beteiligten Unternehmen. Wer an direkt betroffene Unternehmen liefert, sollte sich bereits jetzt darauf einstellen, dass früher oder später im Lieferantenrahmenvertrag oder den AGB des belieferten Unternehmens eine Weitergabe der Pflichten aus dem LkSG zu lesen sein wird.
Das ist auch verständlich, denn die direkt betroffenen Unternehmen haben, abgestuft nach mittelbaren und unmittelbaren Zulieferfirmen, Sorgfaltspflichten für die sie beliefernden Unternehmen. Sie können also nicht einfach bei einem Unternehmen einkaufen, das die Schwellenwerte unterschreitet, und die Augen vor Verstößen dort verschließen.
Selbst wenn der direkte Käufer ebenfalls unter den Schwellenwerten liegt, aber seinerseits an einen betroffenen Käufer liefert, werden auch kleinere Zulieferfirmen in die Pflicht genommen werden. Das wird die deutsche Warenwirtschaft mittelfristig gravierend verändern. Alle importierenden Unternehmen werden ihre Lieferketten prüfen müssen. Und sie werden sich mit den Pflichten aus dem LkSG vertraut machen müssen.

F. LkSG als Chance begreifen

Es gibt nun zwei Möglichkeiten, auf die sich so verändernde Geschäftswelt zu reagieren. Die erste Reaktion wird fast unwillkürlich sein, eine Abwehrhaltung einzunehmen: »Das Geschäftsleben ist ja bereits hart genug und jetzt noch ein weiteres Gesetz? Bürokratie, wohin man schaut. Und dann macht Deutschland einen Alleingang. Die italienischen und österreichischen Wettbewerber haben es doch viel einfacher.«
Diese Haltung mag emotional nachvollziehbar sein, aber sie hilft nicht weiter. Das Pendant zum LkSG auf EU-Ebene ist bereits unterwegs und auch die Wettbewerber im benachbarten Ausland verlieren dann ihren vermeintlichen Wettbewerbsvorteil. Warum also nicht den vermeintlichen Nachteil als Möglichkeit begreifen, sich einen Vorsprung zu erarbeiten? Man kann das LkSG und dessen zweifelsohne sinnvollen Motive auch begrüßen und dabei ausnutzen, dass sich die öffentliche Meinung ohnehin verschiebt und viele Konsumenten heute auf »Fair Trade« Wert legen. Faire Produktionsbedingungen und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich längst nicht mehr gegenseitig aus. Man muss kein »Greenwashing« betreiben, aber wer das LkSG, das ohnehin zwingend ist, auch befolgt, kann und darf das vermarkten.
Unternehmen, die bereits auf faire Produktion achten, haben es jetzt deutlich leichter. Nicht nur, weil sie das LkSG bereits umgesetzt haben und – obwohl nicht direkt betroffen – auch vor der Weitergabe von Haftungspflichten keine Sorge haben müssen, sondern auch, weil sie deutlich glaubwürdiger im Marketing sind.
Ohnehin haben Engpässe in Lieferketten dazu geführt, dass die lange Zeit alternativlose Produktion in Fernost nicht mehr ganz so attraktiv erscheint. Wenn nun noch das LkSG hinzukommt, bietet sich die Überlegung an, die Produktion in Gebiete zu verlagern, in denen weniger Risiken für Verstöße gegen Menschenrechts- und Umweltschutzstandards bestehen.
Unternehmen sind gut beraten, das LkSG nicht als Feind, sondern als Verbündeten zu begreifen. Die Ziele und Schutzgüter des Gesetzes werden wir alle ohne Zögern unterschreiben. Bei der Umsetzung und vermeintlichen Wettbewerbsvorteilen für ausländische Wettbewerber mag es unterschiedliche Meinungen geben, aber das Gesetz ist da. Warum es also nicht einfach mal richtig gut machen?

10. Februar 2022 von Johannes Brand
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