Radfahrer unter Generalanklage:
Die Rüpel-Radler geistern wieder durch die Medien
42 Prozent der Bundesbürger fahren im Alltag regelmäßig Fahrrad, Tendenz steigend. Vor allem in den Städten sind immer mehr Radfahrer unterwegs. Die meisten verhalten sich korrekt. „34 Millionen Menschen fahren fast täglich Fahrrad. Selbstverständlich benehmen sich die allermeisten davon im Verkehr sehr vernünftig“, so Burkhard Stork, ADFC-Bundesgeschäftsführer. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) weist daher in aller Schärfe die Aussagen von Kay Nehm, Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstags, zurück, dass „kaum ein Radfahrer“ mit vorgeschriebener Beleuchtung fahre, sich um die Fahrtrichtung oder um Ampeln kümmere.
Nimmt man die Menschen dazu, die nur ein paar Mal pro Monat Rad fahren, richtetet sich Nehm mit seinen Aussagen gegen 66 Prozent der Bundesbürger. „Zwei Drittel der Bevölkerung fahren Fahrrad – zwei Drittel der Bevölkerung sollen sich also ununterbrochen als Rüpel benehmen? Wie kann Herr Nehm nur so etwas behaupten?“ so Stork weiter.
In der Summe begehen Radfahrer nicht mehr Verkehrsverstöße als Autofahrer. Verkehrsvergehen auf dem Fahrrad haben auch nicht zugenommen. Burkhard Stork: „Radfahrer sind keine schlechteren Menschen als Autofahrer – das können sie schon deshalb nicht sein, weil es oft dieselben sind.“ 90 Prozent der erwachsenen Radfahrer haben einen Führerschein.
Am wichtigsten sei aber ein gutes und faires Miteinander im Straßenverkehr. Stork: „An erster Stelle sollte man das eigene Verhalten überprüfen und die Schuld nicht nur beim anderen suchen. Begegnen sich alle Verkehrsteilnehmer mit Respekt und Freundlichkeit, entspannt sich die Situation. Dabei ist unerheblich, ob sie gerade hinter dem Lenkrad im Auto oder hinter dem Fahrradlenker sitzen.“
Weiterhin übersehe Kay Nehm, dass immer mehr Menschen Fahrrad fahren. Viele Städte sind aber auf den steigenden Radverkehrsanteil gar nicht eingestellt, so dass Konflikte schon vorprogrammiert sind. „Wenn wir von Radfahrern zu Recht erwarten, sich an die Regeln zu halten, dann müssen Regelwerke und Infrastruktur dem Anstieg des Radverkehrs angepasst werden“, sagt Burkhard Stork. Die Aufgabe der Verkehrspolitik sollte es sein, auf die stetig steigende Zahl von Radfahrern zu reagieren und ihnen ebenso wie den motorisierten Verkehrsteilnehmern die sichere und komfortable Fahrt zu ermöglichen.
Auf dem Verkehrsgerichtstag tauschten sich die Verkehrsexperten unter anderem auch zum Thema „Aggressivität im Straßenverkehr“ aus und fordern, „kommunikative, edukative und rehabilitative Maßnahmen zur Sensibilisierung von Verkehrsteilnehmern für die Problematik aggressiver Verhaltensweisen im Verkehr“ zu ergreifen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) begrüßt diese Empfehlungen ausdrücklich.
Der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg sagt: „Wer ein besseres Miteinander im Straßenverkehr erreichen will – und dafür hat sich der Verkehrsgerichtstag ja deutlich ausgesprochen – kommt nicht allein mit Sanktionen weiter, sondern muss auf Kommunikation setzen.“ Im Straßenverkehr träfen schließlich Menschen aufeinander. Syberg: „Wer anderen entgegenkommt, kann eher mit Nachsicht oder sogar Einsicht rechnen, während Provokationen eine Situation schneller zuspitzen und zu Gewalt führen können.“
Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags setzen an der richtigen Stelle an. „Gut, dass die Experten ein besseres Verkehrsklima als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erkannt haben. Hier müssen alle für die Verkehrssicherheit Verantwortlichen eingebunden werden müssen. Der ADFC leistet dazu gerne seinen Beitrag“, so Syberg.
Der ADFC zeigte sich zudem erfreut, dass Kay Nehm, der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstags, in der Abschlussveranstaltung seine Aussagen über Rüpelradler relativierte. Syberg: „Die meisten Verkehrsteilnehmer verhalten sich korrekt. Schön, dass Herr Nehm noch rechtzeitig erkannt hat, dass seine Aussagen vor allem zur Polarisierung genutzt werden können.“
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