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Software // Warenwirtschaftssysteme

Digitales Wettrüsten für die Zukunft

Warenwirtschaftssysteme sind heute für Händler ein unentbehrliches Werkzeug, das praktisch alle Unternehmensbereiche erfasst. Die anstehenden und lange genug angekündigten Änderungen rund um das Kassengesetz sind eine Gelegenheit zu prüfen, ob man im Betrieb optimal aufgestellt ist.

Ob Werkstatt, Einkauf, Verkauf oder Betriebsauswertung, ab einer gewissen Betriebsgröße gibt es praktisch keinen Bereich, der nicht mit einem Warenwirtschaftssystem erfolgreicher, strukturierter, übersichtlicher und schneller bearbeitet werden kann. Dennoch ist der Einsatz dieser Systeme noch nicht flächendeckend zu sehen. Gerade kleinere Händler scheuen die Investition. So braucht es eine Einarbeitungszeit, die in der Regel eine Umgewöhnung und Umstellung der Arbeitsprozesse nach sich zieht, es braucht eine Einrichtungsphase, die einen zusätzlichen Aufwand zu Beginn bedeutet, zwingend ist der Einsatz auch nicht und am Ende kostet das Ding auch noch Geld, in der Regel müssen auch kleinere Händler einen knapp vierstelligen Betrag im Jahr einplanen – es geht also oft genug auch ohne. Zumal auch Wawi-Anbieter durchaus zugestehen, dass man auch ohne eine solche Lösung gut arbeiten kann, wie Dieter Koll von Velodata erklärt: »Es muss nicht immer Warenwirtschaft sein, Warenwirtschaft ist keine Vorschrift. 80 Prozent kann eine Kasse mit Artikelhintergrund, Kundenverwaltung und Werkstatt auch.« Damit verschenkt aber der Händler manches betriebliche Verbesserungspotenzial.

Der aktuelle Handlungsbedarf für Händler entsteht aktuell durch die Umsetzung der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV), die bereits 2017 beschlossen wurde und sich auf das Kassengesetz von 2016 bezieht, mit dem Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen und damit Steuerhinterziehungen verhindert werden sollen. Die lange Vorlaufzeit bis zu der tatsächlichen Einführung beziehungsweise korrekter dem Inkrafttreten zum 31.03.2021 lässt erahnen, dass hier einiges nicht so geklappt hat, wie es sich die Beteiligten vielleicht gewünscht haben. Koll beschreibt das so: »Es gib ein Gerangel zwischen dem Bundesfinanzministerium als Gesetzgeber und den Ländern, die zuständig für die Prüfungen sind. Laut Experten ein einmaliger Vorgang in der BRD.«
Für Fahrradhändler mit einer elek-tronischen Kassenlösung bedeutet die aktuelle Situation, dass sie sicherstellen müssen, dass ihre verwendete Lösung gesetzeskonform ist. Die Kasse ist ein wesentliches Modul in einer Wawi, die Systemanbieter haben die letzten Jahre damit verbracht, ihre Produkte dem gesetzlich erforderlichen Stand anzupassen. Die Begeisterung darüber hält sich in Grenzen. Dieter Koll sieht immer noch Unklarheit bezüglich der Anforderungen.
Die Händler würden erst dann wissen, ob sie eine Kasse haben, die den gesetzlichen Ansprüchen genügt, »wenn sie geprüft werden. Vorher wissen sie es nicht.« Er geht aber davon aus, dass die Finanzämter bei einer solchen Betriebsprüfung nicht böswillig vorgehen, sondern ihrerseits sehr genau wissen, wie die Situation entstanden ist. Da der Händler am Ende aber derjenige ist, der in der Verantwortung als Steuerzahler steht, und nicht der Kassenhersteller, empfiehlt ihm Koll, sich genau anzuschauen, mit wem er sich einlässt.
Noch deutlicher bezüglich der Situation um die Kassenregelungen wird Marc Schneider von Tridata: »TSE ist das Dilettantischste, was sich der Staat neben dem Berliner Flughafen bis dato geleistet hat.« TSE steht für »Technische Sicherheitseinrichtung«, sie ist dasjenige Modul in den Regis-trierkassen, das für eine manipulationssichere Aufzeichnung aller Zahlungsvorgänge sorgen wird. Eines der Probleme rund um TSE besteht darin, dass lange keine solche verfügbar war. Man könne kein derartiges Gesetz machen, um dann am Stichtag festzustellen, dass es gar keine technische Sicherheitseinrichtung gibt, die man zertifizieren könnte. »Bis heute ist noch keine Online-TSE zertifiziert«, moniert Schneider.
Die gute Nachricht für Händler besteht darin, dass sie zwar den Überblick über die aktuellen Fristen und Regelungen behalten und das Prinzip dahinter verstehen müssen, mit der Umsetzung sich aber die Kassenhersteller abmühen müssen.

Bessere Online-Aktivität dank Warenwirtschaft

Im Alltag gibt es andere Module in einer Warenwirtschaft, die mehr Einfluss auf die Abläufe haben. Ein großes Thema ist etwa die Möglichkeit, an der eigenen Online-Präsenz zu feilen, die über eine reine Visitenkarte hinausgeht. Hier zeigen sich die ganze Vielfalt der Möglichkeiten und auch die unterschiedlichen Herangehensweisen der Anbieter. Eine Basislösung ist die Bereitstellung einer Schnittstelle, über die Warenwirtschaft und ein angegliederter Onlineshop oder ein Online-Schaufenster Daten austauschen können. Das ist in der Regel mit einigem Aufwand verbunden, denn den Austausch zwischen den Systemen sicherzustellen, ist nicht trivial, oft kostspielig und trotzdem fehleranfällig. Entsprechend haben einzelne Anbieter dieses Feld auserkoren, um mit besonders komfortablen Lösungen zu punkten.
Beim Berliner Anbieter e-vendo sieht man solche Digitalisierungslösungen als besonders wichtig an. »Die letzten Monate haben bewiesen, wie wichtig die Digitalisierung von Arbeitsprozessen ist«, erklärt e-vendo-Vorstand Frank Tonert. »Eine mit anderen Systemen vernetzte Warenwirtschaft ist daher heute einfach Grundvoraussetzung für jedes Unternehmen, das in den nächsten Jahren noch erfolgreich sein möchte. Dies allein reicht unserer Meinung nach aber schon nicht mehr aus. Der Kunde möchte sich heute bereits vor dem Ladenbesuch über Produkte, Preise und Verfügbarkeiten informieren und auf unterschiedlichen Wegen mit dem Händler kommunizieren.« Damit der Handel bei der nächsten Krisensituation immer noch seine Kunden erreicht, gehe es darum, dass immer effektive Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Beim Beispiel Onlineshop setzt das Unternehmen auf eine »komplette Integration von Warenwirtschaft und Onlineshop«, sagt Tonert. »Viele unserer Händler betreiben einen eigenen Shop. Wichtig ist den Händlern vor allem die tiefe Integration der beiden Systeme und unser breites Spektrum an E-Commerce-Tools. Wir bieten dem Händler ein sehr umfassendes Paket aus einer Hand. Zudem ist unsere langjährige Erfahrung im E-Commerce häufig ein wichtiges Kriterium.« Auf diese Weise wird eine Durchgängigkeit des Systems erreicht, das von Online-Terminkalender bis Shop unnötige Baustellen beim Händler vermeidet.
Der Marktführer Tridata hat ebenfalls sechs Jahre lang ein eigenes Shop-System angeboten, dieses aber in diesem Jahr eingestellt. Stattdessen gibt es nun eine neue Webshop-Schnittstelle, an die jeder Webshop drangehängt werden könne. Für Shopware 5 und 6 gibt es zudem fertige Plugins, die den Bestandsabgleich zwischen Wawi und Shop in Echtzeit ermöglichen. Der Grund ist laut Schneider der Mehrwert für den Händler. »Als Warenwirtschafts-Anbieter bist du im Shop-Bereich nie so gut wie ein Shopware, die nichts anderes machen. Deswegen haben wir uns entschieden, dass wir eine komplett freie Schnittstelle machen, an die jeder Shop ansetzen kann«.
Dass ein vollwertiger Shop kein Nebenherprojekt ist, hat sich allerdings auch schon herumgesprochen. Oft genug will der Händler nur einen kleinen Einblick in sein Sortiment geben. Dafür bietet e-vendo zusätzlich ein Plugin an, das leicht in die eigene Webseite integriert werden kann. Es braucht nicht einmal die e-vendo-Warenwirtschaft, sondern arbeitet mit allen gängigen Wawis zusammen.

Schnittstellen-Blues

Neben Schnittstellen zu Onlineshops spielen auch übergeordnete Standards für das Funktionieren von Wawis eine wichtige Rolle. Namentlich ist Veloconnect zu nennen, das eine Eigenentwicklung der Fahrradbranche ist und stetig neue Funktionen erhalten soll und wird. Mit der Weiterentwicklung des Standards, je nach Sichtweise wird es auch mal als Abspaltung verstanden, durch Tridata in Gestalt von velo.api ist die Situation für die involvierten Parteien allerdings komplizierter geworden (weiteres dazu in Ausgabe 11/12 2019 des velobiz.de-Magazins). Im Ringen um die bestmögliche Branchenlösung werden absehbar auf längere Frist beide Versionen Bestand haben. Für den Händler ist das aber an dieser Stelle zunächst nebensächlich. Ihm sollte es vor allem darum gehen, dass er wertvolle Features wie elektronische Lieferscheine und elektronische Rechnungen schon bald in seinem Betrieb nutzen kann. Hier hat Veloconnect noch Aufholbedarf.

Großbaustelle Datenpflege

So schön Schnittstellen sein mögen, ihr eigentlicher Sinn besteht in der Verarbeitung großer Datenmengen. In der Fahrradbranche mit ihrem enormen Sortimentsangebot fallen entsprechend viele Produktdaten an. Leider sind diese allzu oft nicht ohne Weiteres verarbeitbar. Hier sparen sich gelegentlich Hersteller die Mühe oder es geschehen schlicht Fehler, die die Brauchbarkeit der Datensätze einschränken. Kein Händler will sich jedenfalls heutzutage noch diese ewige Baustelle ans Bein binden. Für herstellerübergreifend gut aufbereitete Produktdaten sorgen heute spezialisierte Dienstleister wie Bikecenter und Bidex, aber auch mancher Wawi-Anbieter wie e-vendo macht sich die Mühe, um die Nutzbarkeit seines Systems zu erhöhen.
Worum der Händler mit einem Warenwirtschaftssystem aber nicht herumkommt, ist die penible Verwaltung seiner Bestände. »Die Warenbestände und -werte werden immer größer und so auch die Notwendigkeit, die Bestände intelligent zu verwalten. Nur wer seine Bestände im Griff hat, kann auch Wettbewerbsvorteile erzielen«, sieht Frank Tonert.
Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen sind mitunter erheblich. Dieser Winter mit seinem aktuellen Handlungsbedarf könnte für Händler ein ausgezeichneter Anlass sein, sich dieses Feld intensiver anzusehen. Die Entscheidung ist sicher keine leichte, sie hat aber in der Regel langfristige Auswirkungen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich lohnt. //

14. November 2020 von Daniel Hrkac
Velobiz Plus
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