Kolumne - Carsten Bischoff
Einfach mal entspannt bleiben
Seit geraumer Zeit sorgt bei mir der Blick ins Fahrradlager und aufs Konto für ein tiefes Seufzen bis hektisches Rechnen. Zwei Jahre zuvor hätte mich stattdessen das Gefühl eines unglaublich großen Schatzes übermannt, verbunden mit Dollarzeichen in meinen Augen. Damals haben wir im Lager Fußball gespielt und das Konto war so voll wie die Orderbücher für die goldene (Fahrrad-)Zukunft.
Wie immer, wenn die Gier das Hirn frisst, musste es anders kommen. Von echter Planung konnte man nicht wirklich sprechen, sondern eher von einem Goldrausch. Nur leider waren die Minen schon weitgehend ausgebeutet. Jetzt versuchen die meisten von uns, irgendwie aus dem Schlamassel herauszukommen. Wohl dem, der genügend Cash und Platz hat oder rechtzeitig die Geister, die er rief, zurückholen konnte. Was also tun?
Draußen tobt der Preiskampf. 25, 50 oder 75 Prozent – Wer bietet mehr? Was dann passiert, lesen wir regelmäßig in den Gazetten. Insolvenz, Verkauf, Aufgabe des Geschäfts – Wetten werden angenommen, wer der Nächste ist.
Warum nicht einfach cool bleiben und die Ware über die nächsten Monate oder Jahre langsam zu normalen Preisen in den Markt verkaufen? Die Kunden werden kommen. Sie kommen, weil der Service gut ist und weil sie schon immer Fahrräder bei mir gekauft haben.
Ein Fahrrad oder E-Bike ist kein schnelllebiger Konsumartikel, sondern für das Gros der Menschen eine Investition. Entsprechend stabil ist sein Wert.
Unsere Lieferanten lassen viele Modelle für 2024 einfach durchlaufen und heben sich Innovationen für später auf. Wir alle haben weniger bestellt und die Konditionen sind trotzdem erhalten geblieben. Optimale Bedingungen also, um ein, zwei Jahre etwas kleinere Brötchen zu backen. Passt das in die neue Welt?
In den Boomzeiten las ich davon, dass unsere Branche professioneller geworden sei. Nun steigen auch echte Investoren ein und gefallene Big-Tech-Manager-Nomaden treiben im Drei-Jahres-Rhythmus ihr Unwesen. Und die sind alles andere als cool, wenn die Dividende mal ein, zwei Jahre ausbleibt. Mit jeder Menge Business-Bullshit wird dann im Managementbaukasten nach Lösungen gewühlt, von denen man gehört hat, dass sie bei irgendeinem Start-up eventuell mal funktioniert haben sollen. Zumeist funktioniert der »Turnaround« nicht. Der Investor zieht sein (übrig gebliebenes) Geld ab, die Manager suchen sich ein neues Opfer und schalten kurz vorher die Todesanzeige.
Als Locals können wir uns das Spiel von der Seitenlinie anschauen, leiden gedanklich vielleicht etwas unter den Kampfpreisen und freuen uns über den nächsten Kunden, der sich freudig für den guten Service bedankt und für seine Frau aus genau diesem Grund ein neues E-Bike mitnimmt.
für unsere Abonnenten sichtbar.