Werkstatt - Trennung von Verkaufsraum und Werkstätten
»Endlich mal in Ruhe arbeiten«
Ziel war, es dem Kunden einfacher und es uns effizienter zu machen«, sagt Thorsten Larschow, Geschäftsführer von Rad & Tour in Cuxhaven über seine Umstrukturierung. Er hat vor einigen Monaten seine Werkstatt vergrößert und in den dortigen Alten Fischereihafen verlegt. Dort verfügt er nun über 80 Quadratmeter Arbeitsfläche bei etwa 600 Quadratmeter Gesamtfläche. Auch sein Fahrradverleih ist hier untergebracht. Die Kundenräder werden mit einem Sprinter abgeholt, zur Werkstatt gefahren und nach der Wartung oder Reparatur wieder zurück zu den Auftraggebern gebracht. Stört die Umweltbelastung durch das Abholen per Auto nicht das grüne Image des Unternehmens, gerade im Fahrradsektor? Nein, denn es werden immer 4 bis 16 Abholstellen angefahren, sodass der Transporter nie nur für ein oder zwei Velos unterwegs ist. Dann ist das Verfahren sogar deutlich umweltschonender, als wenn die Kundinnen und Kunden ihr Velo selbst bringen, »denn die machen das erfahrungsgemäß ohnehin meist per Auto«, so Larschow. Die Werkstatt mit elf Mitarbeitern ist für Kunden nicht zugänglich.
Sein Ladengeschäft Rad & Tour ist im Cuxhavener Lotsenviertel, etwa einen Kilometer entfernt. Allerdings ist diese Entfernung sekundär, denn beide Bereiche stehen für sich.
Geeignete Strukturen in der Werkstatt schaffen
Grundsätzlich ist eine simple und digitale Auftragsaufgabe und -annahme eine wesentliche Voraussetzung, so der Geschäftsführer. Dazu braucht es eine möglichst einfache Auftragsstruktur. Es gibt drei Auftragsvarianten. Zunächst die Inspektion für 30 Euro. »Da kontrollieren wir, was alles am Rad zu machen ist«, so Larschow. Die Inspektion hat einen Auftragsanteil von 40 Prozent. Zweitens, die Fahrradwartung. Sie kostet 160 Euro inklusive aller Verschleißteile, was bei Rad & Tour Antrieb, Reifen und Bremsen beinhaltet. »Und letztendlich die Revision für 420 Euro.« Dabei wird alles inspiziert, das ganze Rad zerlegt und gereinigt und wieder zusammengebaut, mit Ersatz der Verschleiß- oder kaputten Teile. Kaum jemand nimmt dieses Angebot wahr. Es hat die Funktion, die Wichtigkeit der zweiten Angebotsvariante hervorzuheben.
»Die Leute sind froh über diese einfache Angebotsstruktur und nutzen sie«, so Larschow. »Aber natürlich gibt es nach wie vor die Bike-Interessierten und Freaks, die dazulernen und daher mit dem Mechaniker sprechen wollen. Das können sie bei uns im Laden machen.« Dort steht immer noch eine kleine Werkstatt mit zwei Fachkräften zur Verfügung. Mittlerweile erreichen Rad & Tour 60 Prozent der Aufträge online. Die Marketingabteilung kann die Auftragslage steuern, indem sie zusätzlich bei Stammkunden und -kundinnen anruft und die Wichtigkeit von regelmäßiger Wartung erklärt. »Und die kommen dann!«, sagt Larschow zufrieden. »So können wir Auslastung erreichen.«
Ein Punkt ist seiner Überzeugung nach für den Erfolg einer Umstrukturierung unumgänglich: »Man muss das systematisieren. Wer nicht an die Werkstatt glaubt, daran, dass er damit Geld verdienen kann, der braucht das nicht zu machen. Aus einem Bauchgefühl heraus ist das nicht erfolgversprechend.«
Erzwungene Werkstatttrennung
Einen ganz anderen Grund für seinen Umzug in einen neuen Laden hatte der CCHH Specialized Premium-Store in Hamburg, der von der Concept Cycles GmbH geführt wird.
Bei separierten Werkstätten braucht es durchdachte Lösungen für Auftragsannahme, Sofort-Services und Teiletausch bei Neurädern.
Ursprünglich befand sich das Fachgeschäft in der Hamburger Kollaustraße, in einer Industrie- und Automeile weitab vom Zentrum. Nach einem Brand mit schweren Schäden zog man vorübergehend in den Süden des Zentrums, zwischen Nordelbe und Binnenalster. Der Ansturm auf das Fahrrad im
ersten Corona-Jahr und auch die schlechte Lagersituation führten zu einem konzeptuellen Wechsel: »Wir hatten ursprünglich an der Kollaustraße eine sehr gute Standortsituation, weil wir im kompetitiven Bereich sehr stark waren, unter anderem auch im Triathlon-Segment. Aber wir wollten uns auch auf die Präsentation von urbanen Fahrrädern konzentrieren, und zwar genau dort, wo die Menschen ihr urbanes Einkaufserlebnis haben«, erklärt Lorenz Krüger, Marketingleiter des CCHH. »So haben wir aus der Not eine Tugend gemacht.« Man zog in eine der ersten Adressen Deutschlands, an den Jungfernstieg an Hamburgs Binnenalster.
»Ein kompletter Radladen lässt sich da nicht betreiben, der Platz für Werkstatt, Präsentation von Zubehör und das Backoffice ist einfach nicht vorhanden.« Dieser wäre dort sicher auch ineffektiv teuer. So ist der Specialized Premium Shop eine reine Rad- und E-Bike-Boutique mit Beratung. Eyecatcher sind wie ehemals in der Kollaustraße die High-End-Renner und -Mountainbikes, doch schnell entdecken die Kunden auch die urbanen E-Bikes im Shop. Wer Lust auf die neue urbane Mobilität bekommen hat, kann online eine kostenlose Beratungsstunde buchen. »Meist führt dies zur Auswahl zwischen zwei Modellen, die anschließend in der Servicestation in der Meisenstraße testgefahren werden können.«
Kommunikation wie in einem Autohaus
Diese Servicestation liegt im knapp sieben Kilometer entfernten nördlichen Stadtteil Barmbeck. Hier gibt es 400 Quadratmeter Werkstattbereich, in dem zehn Fachkräfte arbeiten. Dazu kommen 1000 Quadratmeter Lagerfläche und Büros, die es am Jungfernstieg nicht gibt. Die Kunden und Kundinnen haben hier wie in einem Hotel nur Zugang bis zum Empfangstresen. Werkstattmitarbeiter und -mitarbeiterinnen kommen »wie bei einem Autohaus« eher selten aus ihrem Arbeitsreich, zum Beispiel, um der Kundschaft Fragen zu beantworten.
»Die Trennung von Werkstatt und Fachgeschäft birgt also auch Tücken und wir lernen täglich.«
Lorenz Krüger, CCHH
Der Mensch hinter der Theke ist konzeptuell der Mittler zwischen Service und Kunden.
Das Kundenfeedback zur neuen Struktur ist gemischt: Viele lieben es, im Showroom die Specialized-Welt erkunden zu können. Anderen wäre lieber, wenn sie hier auch mit Werkstattmitarbeitern sprechen könnten, außerdem finden sie es unbequem, dass sie das Rad in der Meisenstraße abholen müssen. Das Konzept des separaten Service Centers überzeugt die meisten aber dann doch, dank kostenloser Parkplätze und großer Teststrecke dort. Wartungs- und Servicetermine sind am Service Center schnell erledigt – ohne Weg in die Innenstadt.
»Im Service Center ist es sehr viel strukturierter und straffer geworden«, erklärt Krüger, »schließlich ist die komplette Kauf- und Reparaturabwicklung nun dort.« Der Verkauf am Jungfernstieg führt Kunden oder Kundin zur Modellvariante, den Rest machen die Service-Mitarbeiter.
»Die Trennung von Werkstatt und Fachgeschäft birgt also auch Tücken und wir lernen täglich«, zieht Krüger sein Fazit. »Der starke Vorteil für unsere Kunden ist aber die repräsentative Innenstadtlage des Verkaufs. Wenn wir das Fahrrad nicht in die Innenstädte bringen, bleibt es immer ein Produkt für Kunden, die sowieso ein Rad kaufen wollten. Durch unsere Präsenz in der Innenstadt bringen wir auch die Mobilitätswende mehr in die Wahrnehmung der Leute«, glaubt Krüger.
»Es ist immer einfacher, wenn alles zusammen ist«
Ähnlich sieht das auch Christoph Gier, Geschäftsführer von Velo Aachen. Fachgeschäft und Laden in der Innenstadt hatten schon seit jeher getrennte Eingänge, doch seit Dezember 2021 ist die Werkstatt nicht mehr wie früher nebenan, sondern etwa 300 Meter entfernt. »Das war eine Notlösung«, sagt Gier, »in den letzten Jahren hatten wir eine Vorlaufzeit von drei Monaten zur Reparatur, das ging nicht so weiter.« Gier suchte und fand einen neuen Raum für die Werkstatt, mit jetzt 10 Arbeitsplätzen (vorher 3,5) und viel Lagerraum und Keller mit insgesamt 500 Quadradtmetern.
Eigene Räumlichkeiten für die Werkstatt bedeuten in der Regel auch bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.
»Eigentlich hat sich nicht viel geändert«, sagt Gier, und damit ist er zufrieden. »Positiv ist, dass bei Verkauf und Werkstatt nun unterschiedliche Öffnungszeiten akzeptiert werden. Der Laden beispielsweise hat montags zu, die Werkstatt offen, und gegebenenfalls wird die Werkstatt auch andere Tagesöffnungszeiten bekommen. Man ist flexibler.« Andererseits sieht er jetzt in der Logistik eine Herausforderung. Schwierig sei jetzt die Ersatzteilverortung, da innerhalb der Warenwirtschaft Verkauf und Werkstatt ein System sind und das auch so bleiben soll. Ein gutes Beispiel sei der kaputte Sattel. Will der Kunde den ersetzt haben, muss er für die ergonomische Beratung wieder zum Hauptgeschäft. »Klar, ein Schlauch muss im Geschäft und in der Werkstatt zu haben sein. Da müssen wir uns noch an eine Lösung herantasten. Aber wir haben jetzt so viel Platz wie wir brauchen, vor allem in Bezug auf Lastenräder ist heute viel Platz nötig.« Im Fachgeschäft findet in der alten Werkstatt nur noch die Neurad-Montage statt.
»Für mich macht es aber vom Prinzip her keinen Sinn, Werkstatt und Laden zu trennen. Es ist immer einfacher, wenn alles zusammen ist. Aber in vielen Innenstädten ist das räumlich nicht möglich. Und wer nicht auf die Grüne Wiese gehen will wie wir, der muss separieren. Wir sind in der Stadt der größte Laden, was die Werkstattleistung angeht. Da fühlen wir uns auch der Mobilitätswende verpflichtet. Ich bin Innenstadtfan!«
Ob Notlösung, Platzbeschaffungsmaßnahe für den Verkaufsbereich, Profitabiltiäts-Booster in der Werkstatt oder Effizienzmaßnahme bei der Mitarbeiterführung, es gibt also reichlich Gründe, die für getrennte Werkstattbetriebe sprechen. Ob eine solche Umgestaltung des Ladengeschäfts sinnvoll ist oder nicht, hängt stark von der individuellen Situation ab, der eigenen Einstellung zu diesem Thema und den angestrebten Zielen. In jedem Fall eröffnet diese recht neue Option die Chance, neue Handlungsspielräume zu erschließen. Es lohnt sich also zumindest, bei der nächsten größeren räumlichen Veränderung auch darüber nachzudenken. //
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