Einzelhandelszentralität 2012
GFK Studie zeigt: Der Wohnort ist meist nicht der Einkaufsort
7.100 € im Hochtaunuskreis bis rund 4.500 € im Eifelkreis Bitburg-Prüm, die den Menschen rechnerisch pro Kopf für Einzelhandelsausgaben zur Verfügung stehen. Dem gegenüber steht ein nominaler Einzelhandelsumsatz von rund 410 Mrd. € für den gesamten deutschen stationären Einzelhandel. Auch dieser Umsatz verteilt sich höchst ungleich – aber ganz anders als die Kaufkraft. Die Menschen kaufen demzufolge oft nicht am Wohnort ein.
Die Studie GfK Einzelhandelszentralität 2012 schlüsselt das Potenzial für den Einzelhandel für alle Regionen Deutschlands auf – von der Bundeslandebene bis zu Kreisen und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern. Sie enthält die Kennziffer Einzelhandelskaufkraft und vergleicht sie mit den regionalen Einzelhandelsumsätzen. Daraus ergibt sich die Einzelhandelszentralität, eine Kennziffer, die die Anziehungskraft des regionalen Einzelhandels misst. Werte über 100 stehen für einen Kaufkraftzufluss, Werte unter 100 für einen Kaufkraftabfluss. 158 Kreisen mit einer Zentralität über 100 stehen 244 Kreise mit Werten unter 100 entgegen. Auf der feineren Gemeindeebene ist der Kontrast noch wesentlich stärker.
Simone Baecker-Neuchl, Marktdatenexpertin von GfK GeoMarketing, erläutert: „Der klassische stationäre Einzelhandel in Deutschland kämpft an vielen Fronten: Mit der Zunahme des überregionalen Preiskampfes durch den Onlinehandel und der Preissensibilität der deutschen Verbraucher allgemein. Dazu kommt die unsichere Lage des Euro samt steigenden Transport- und Handelskosten. Die logische Konsequenz: Der Einzelhändler muss wissen, wie er seine Ware dorthin bringt, wo genügend kaufkräftige Kunden einkaufen. Werbung muss er aber vor allem dort schalten, wo die Zielgruppe wohnt.“
Welche Regionen profitieren vom Kaufkraftfluss?
Auf Kreisebene liegt hier der Stadtkreis Straubing bundesweit mit einer Zentralität von 224,2 ganz vorn, Schlusslicht ist der Landkreis Würzburg mit einer Zentralität von 57,4. Der Stadtkreis Würzburg hat laut der Studie hingegen eine Zentralität von 186,3, was ihn bundesweit auf Rang 7 bringt. Naturgemäß liegen überwiegend Stadtkreise vorn, denn hier ballt sich der Einzelhandel und verstärkt somit die Sogkraft auf das Umland. Dies wird am Beispiel Würzburg sichtbar: Die Einwohner des Landkreises Würzburg fahren zum Einkaufen meist in die nahegelegene Stadt Würzburg und geben dort den Großteil ihrer Einzelhandelskaufkraft aus.
Auffällig ist, dass die Spitzenplätze im Zentralitätsranking nicht von den großen Einkaufsmetropolen wie Berlin, München oder Düsseldorf belegt werden: Städte wie Straubing, Weiden oder Passau fungieren als Mittelzentren für ein ländlich geprägtes Umfeld. Außerhalb der Stadtgrenzen, also auf dem Land, sind meist nur wenige und dünn gestreute Einzelhandelsangebote zu finden. Diese Städte haben also gemeinsam, dass sie ein großes Einzugsgebiet bedienen, in dem relativ viel Kaufkraft steckt. Gleichzeitig haben die Städte selbst eine eher geringe Einwohnerzahl, so dass der Kaufkraftzufluss vom Umland die in der Stadt an sich existierende Kaufkraft in der Summe noch deutlich übertrifft.
Die Ausnahme, die diese Regel bestätigt, stellen große Einzelhandelsobjekte auf der „grünen Wiese“, wie etwa dezentrale Shopping Center oder Factory Outlet Center, die ihre Magnetwirkung oft weit über die regionalen Grenzen hinweg entfalten – ein solcher Effekt ist etwa im zehntplatzierten Kreis Zweibrücken erkennbar, dessen hohe Zentralität auf das Factory Outlet Center zurückzuführen ist.
Masse kontra Klasse
Einzelhändler tun also gut daran, Standortentwicklung in Mittelstädten nicht zu vernachlässigen. Zugleich zeigt der Blick auf die Kennziffer Einzelhandelsumsatz als Summe in Euro, wo die Masse an Umsatzpotenzial zu finden ist:
Die Top 10 Kreise machen ein knappes Fünftel (18 Prozent) des gesamten stationären Einzelhandelsumsatzes von rund 410 Mrd. € in Deutschland aus. Die Einwohner dieser Großstädte lassen einen beträchtlichen Teil ihrer Kaufkraft in der Heimatstadt und das, was abfließt, wird überkompensiert durch Shoppingbesucher und Touristen von außerhalb. Die Zentralität schwankt dabei von mittelmäßigen Werten wie 106 in Berlin bis zu sehr guten Werten wie 132 in Nürnberg. Die Nürnberger Einzelhändler ziehen demnach gut 30 Prozent zusätzlicher Kaufkraft von außerhalb an.
Wohin mit der Werbung?
Mit Ausnahme der einwohnerstärksten Städte kaufen die Verbraucher also oft nicht da ein, wo sie wohnen. Die Menschen tragen ihre Kaufkraft sogar nicht selten über die Kreisgrenze hinaus – in das nächste städtische Mittelzentrum, in ein Einkaufszentrum oder gar auf Event-Shoppingtour in eine Großstadt weitab des Wohnorts. Dennoch ist die Information, wo die Kaufkraft wohnt, für Einzelhändler höchst relevant – nämlich um wohnortnahe Standorte überhaupt planen zu können oder zur zielgerichteten regionalen Schaltung von Werbung. Wo sich diese lohnt, zeigt die Kennziffer GfK Einzelhandelskaufkraft, die ebenfalls in der Studie zur Zentralität enthalten ist. Wenige Punkte Unterschied im Kaufkraftindex je Einwohner wirken sich jedoch – je nach Einwohnerzahl des jeweiligen Gebiets – in der Gesamtsumme des Nachfragepotenzials in Euro dramatisch auf die regionalen Absatzchancen eines Händlers aus. Daher ist die Einzelhandelskaufkraft für Einzelhändler eine erfolgskritische Messgröße.
für unsere Abonnenten sichtbar.