Report - Händler-Hersteller-Beziehung im digitalen Wandel
Klick in die Zukunft
Der stationäre Fahrradhandel hat starke Wettbewerber im Internet. Die Konkurrenz durch Online-Pure-
Player wie Fahrrad.de oder Versender wie Canyon wird bereits heute deutlich gespürt. Keine Frage, die digitale Welt übt Druck aus auf den Fachhandel.
Relativ neu ist aber der Einfluss, den Hersteller über die Onlinekanäle ausüben. In den letzten Jahren haben einige Fachhandelsmarken eigene Onlineshops aufgebaut, die mit Händlershops im direkten Wettbewerb stehen. Was einst tabu war, wird heute zumindest aus Herstellersicht mit anderen Augen gesehen. Onlinekanäle geben den Marken neue Möglichkeiten, sich direkt an die Endkunden zu wenden. Nicht wenige Händler haben deshalb die Sorge, dass sich Hersteller über den digitalen Hebel eine stärkere Position sichern und den Handel zusätzlich unter Druck setzen oder sogar ausbooten könnten. Gründe für diese Annahme gibt es durchaus, bietet die Onlinewelt doch Herstellern neue Optionen, sich vom Handel zu emanzipieren. Doch auch der Handel hat noch manchen Trumpf in der Hinterhand.
Die neue Unabhängigkeit vom Händler
Die digitale Welt erlaubt den Herstellern heute einen sehr viel direkteren Zugang zu den Verbrauchern, als sie ihn jemals hatten. Früher mussten ihnen die Händler Auskunft geben, wer die Kunden ihrer Marken sind. Heute erlauben digitale Analysetools sehr weitreichende Rückschlüsse über die Personen, die sich für die eigenen Produkte interessieren, was sie genau kaufen und wie sie auf eine Marke aufmerksam geworden sind. Diese neue Unabhängigkeit lässt die Gefahr steigen, dass der Händler in eine minimierte Rolle gedrängt wird.
Die Versuchungen mögen für manche Hersteller groß sein, aber auch die Hürden, sieht Torsten Schäler, Inhaber des Fahrradladens Radmarkt in Weimar. »Es gibt den einen oder anderen Hersteller, der darüber nachdenkt, wie er am klassischen Fachhandel vorbei seine Geschäfte machen kann.« Bevor diese Hersteller tatsächlich Fakten schaffen, gibt es eine große Unwägbarkeit für sie. »Da muss man schauen, wie weit der Endkunde mitmacht. Ich habe schon den Eindruck, dass er speziell bei einem solchen technischen Produkt gerne jemanden vor Ort hat.«
Den passenden Service auch ohne stationäre Präsenz schnell und zu wirtschaftlichen Konditionen bieten zu können, ist ein Thema, an dem nicht nur interessierte Hersteller knabbern, sondern auch die Onlineplayer, die mit diesem Problem schon länger kämpfen.
Stationäre Händler als Servicepartner
Am liebsten würden Online-Verkäufer ihre Kunden zur Wartung in bestehende Ladengeschäfte schicken und auf deren Strukturen und Kapazitäten zurückgreifen. »Das ist der Weg, den die großen Onliner wie Fahrrad.de, Canyon, Radon und wie sie alle heißen, gehen wollen. Fahrrad.de sucht derzeit Servicepartner im Handel, weil sie merken, dass ohne den Service da draußen beim Endkunden das Geschäft vielleicht nicht stagniert, aber eben auch nicht die Umsatzzuwächse hat wie beim stationären Fachhandel«, beobachtet Schäler. »Das ist ein riesiges Logistikproblem.« Und vor allem ist es eines, das von den neuen Anbietern auch längerfristig nicht an den bestehenden Fachhandelsstrukturen vorbei gelöst werden wird. »Das ist ein Riesenvorteil für uns, aber wir haben das Fahrrad dann nicht verkauft.« Die aktuelle Initiative von Fahrrad.de wird von vielen Händlern weitgehend ignoriert bis abgelehnt. Insbesondere die gebotenen Konditionen akzeptieren diese Händler nicht. »Ich lasse mich nicht degradieren zu einem Billigschrauber«, erklärt etwa Raimund Gerwing von Drahtesel in Münster. »Wir warten ja die Räder der Versender, aber zu unseren Konditionen. Wir haben unsere Preisliste und die gilt auch für Canyon & Co.« Das im Gegenzug angebrachte Argument, der Händler hätte keinen Aufwand mehr, Kunden zu akquirieren und solle deswegen seine Reparatur- und Serviceleistung zu geringeren Arbeitswerten anbieten, greift offenbar nicht beim Fachhandel.
Auf der gleichen Linie befindet sich auch Deniz Aybas, der als Bico- und VSF-Händler mit Per Pedale in Frankfurt ebenfalls bereits als potenzieller Servicepartner angeschrieben wurde. »Das hat vor Fahrrad.de schon Canyon versucht«, blickt er zurück. Es ist ein Angebot, das er unmöglich annehmen kann. »Beim VSF werden im Schnitt für eine Inspektion 80 bis 100 Euro veranschlagt. Das gleiche für Fahrrad.de für 35 Euro zu machen, das geht einfach nicht.« Auch in Frankfurt werden Versandhandelsräder repariert, aber auch hier zu den regulären Sätzen. »Wenn man da ein Konzept findet, das gut verdientes Geld ermöglicht, ist das o.k..« Noch versuchen die Unternehmen, die gerne auf die Werkstätten der Radläden zugreifen würden, aber offenbar, diese Kosten zu drücken.
Doch Hersteller haben nicht nur den Service im Auge, sondern noch vorgelagerte Fragen zu beachten. Dazu gehört auch die Frage nach der passenden Vertriebsform.
Ist der Direktvertrieb (light) o.k.?
Mit den Möglichkeiten des Internets spielen immer mehr Hersteller mit dem Gedanken, ihre Marken nicht nur online zu bewerben, sondern auch über eigene Shops gleich direkt zu verkaufen. Inzwischen haben viele Händler für dieses Ansinnen Verständnis entwickelt. »Ich sehe das Marketing im Netz in erster Linie dem Markeninhaber zuzurechnen, weil er seine Selbstdarstellung am besten kann. So sehe ich das auch beim Onlinevertrieb. Das gehört heute dazu«, sagt etwa Raimund Gerwing. »Es gibt Flecken, wo der nächste Fahrradhändler weit weg ist und es gibt Menschen, die gar nicht offline affin sind und alles online machen. Dem muss man gerecht werden und da gibt es ein begründetes Interesse der Hersteller, diese Wünsche und diesen Vertriebskanal zu bedienen. Die Frage ist, wie passiert das auf einer fairen Ebene«, sagt er.
Händler online einbinden ist Pflicht
Sein Vorschlag, um einen fairen Ausgleich zu erreichen, sieht zwingend die Einbindung von stationären Händlern beim Onlineverkauf vor, sofern die Marke im Fachhandel mitspielen will: »Ich begrüße das, wenn der gut vorinformierte Kunde, sich sein Rad beim Hersteller bestellen kann und das dann über den Händler ausgeliefert wird. Bevor wir dieses Feld komplett den Canyons und Roses überlassen, finde ich das die mit Abstand bessere Möglichkeit. Dass der Hersteller einen Teil der Händlermarge für sich vereinnahmen kann, ist klar.« Doch wie hoch sein Anteil ausfallen darf und soll, werde sicher eine Frage sein, über die immer wieder neu verhandelt und diskutiert werden wird. »Das muss austariert werden, während die entsprechenden Erfahrungen gemacht werden. Dass die Hersteller da erst einmal in Vorleistung gehen, da sie in Anführungsstrichen dem Händler ja auch etwas wegnehmen, finde ich völlig in Ordnung und erwarte ich eigentlich auch von einem Hersteller, der langfristig auf den Fachhandel setzt. Ich akzeptiere aber, dass wenn die Zahl der Onlineverkäufe zunimmt und die Marketingkosten zunehmen, dass dann über die Lastenverteilung geredet wird.«
Einen Vorzug von Herstellern, die direkt in den Onlineverkauf involviert sind, sieht Gerwing in deren anzunehmendem Interesse an stabilen Preisen im Markt und insbesondere online: »Es ist die Aufgabe des Herstellers, den Markt vernünftig zu pflegen. Das ist ein wichtiger, positiver Effekt des Onlineweges. Er kann mit einem eigenen Onlinevertrieb nur dann Erfolg haben, wenn die Preise online nicht zu stark von den UVPs abweichen. Ich setze voraus, dass ein Hersteller mit der Intention, den Markt selbst zu bedienen, auch den Preis ernst nimmt. Das gehört zu den originären Aufgaben des Markeninhabers. Das ist die beste Gewähr dafür, dass der Preis im Netz nicht völlig abdriftet.«
Der Händler ist die Marke
Dass sich der Händler selbst als Marke begreifen soll und er sich selbst auch gleichzeitig seine wichtigste Marke ist, ist eine der älteren Handelsweisheiten in der Branche. Gerade mit den Möglichkeiten des Internets und Onlinemarketings sollte man eigentlich denken, dass dieses Thema mit neuem Elan bespielt werden könnte. Ein Blick auf die Realitäten lässt aber rasch Ernüchterung einkehren. Wer sich schon analog im eigenen Laden schwer tat, einen eigenen Markenkern zu begründen, dem fällt das digital nicht leichter. Sei es die fehlende Kompetenz auf diesem Gebiet oder einfach die fehlenden Kapazitäten, die neuen Potentiale liegen sehr oft brach. So kommt es, dass es um diese Idee des Eigenmarketings inzwischen deutlich ruhiger geworden ist. Stattdessen sind es Monomarkenstores, die eine ganz neue Attraktivität und Dynamik ausstrahlen. Konzepte, wie sie gerade etwa von Giant eingeführt werden, sorgen dafür, dass sogar traditionsreiche, alteingesessene Fahrradbetriebe ihren eigenen Markenwert aufgeben, um sich komplett auf einen einzigen Hersteller einzulassen.
»Als ich vor sechs bis sieben Jahren mit unseren Händler erstmals über Monomarkenstores sprach, habe ich genau das gehört: ›Wir arbeiten gerne mit euch zusammen, aber wir sind hier die Marke‹, hieß es von den Händlern«, erinnert sich Oliver Hensche, Geschäftsführer von Giant Deutschland. Inzwischen habe aber ein Umdenken in beachtlichen Teilen der Händlerschaft stattgefunden. Hensche kann dafür bemerkenswerte Beispiele anführen: »Unser Giant-Store in Leipzig ist ja keine Neugründung. Bis Dezember letzten Jahres hieß der Laden Fahrrad-Preisser. Eine Institution in Leipzig seit über 100 Jahren. Und jetzt hat die Inhaberin eine wichtige Entscheidung treffen müssen.« Dass die Entscheidung pro Giant ausfiel hat Hensche zufolge mit der vertrauenswürdigen Position zu tun, die sich Giant heute erarbeitet hat ebenso wie mit dem umfassenden Gesamtpaket, das die Marke bieten kann.
Sind Monomarkenstores die Zukunft?
Innerhalb von Monomarkenstores sieht Hensche die Bedeutung eines Händlers keineswegs minimiert. »Giant-Stores verbinden in Zukunft die Einzelhandelsaktivitäten mit den bisherigen und zukünftigen Hersteller- und Markenleistungen. Und dazu gehört auch zwingend der Händler«, sagt Hensche. »Am Ende des Tages ist es für den Endverbraucher komplett irrelevant, ob dieses Ladengeschäft dem Hersteller gehört, Franchising ist oder dem Händler gehört und ob die Ware gekauft oder auf Kommission da ist.« Hensche sieht dabei die guten Händler auch in Zukunft als begehrte Partner. »Damit würde man vielleicht vermuten, dass der Handel nun unter die Räder kommt. Das ist aber nicht so. Die Marke spielt zwar eine größere Rolle im Sinne der reinen Marke. Aber die Marke braucht eine Distribution – und zwar eine sehr gute. Und da kommt wieder der Handel zum Zuge, weil wir ein Produkt verkaufen, das in der Produktnachsorge sehr intensiv und damit auch kommerziell sehr interessant ist.« So könne nur ein gut geschulter Handel »das ganze Füllhorn an Dienstleistungen darstellbar machen«, ist Hensche überzeugt.
»Das Angebot geht über den reinen Verkauf hinaus, etwa mit Fitting, Coaching, Sattelvermessung, vielfältiges Zubehör, erweiterten Garantien, Finanzierung, und all das schnell und persönlich. Das ist es, was der Kunde heute aktiv sucht. Dieser Händler hat mehr als nur eine Daseinsberechtigung. Das ist der Grund, warum wir in unsere Online plus Offline Strategie, intern O+O genannt, investieren.« Für den Händler wie für Hersteller habe diese Entwicklung zahlreiche Vorzüge. »Die Zukunft gehört denjenigen Marken, die es verstanden haben, ihr Verkaufsnetzwerk optimal zu managen und zu unterstützen. Wenn der Monomarkenstore bestmöglich von der Marke unterstützt wird, ist die reine Order nicht Ziel, sondern Resultat des ganzen. Zum aktiven Retail-Management gehören die Lager- und Einkaufsoptimierung, gemeinsame Vermarktung, ein höherer Lagerumschlag, und die Durchführung von technischen und kaufmännischen Schulungen.«
Doch längst nicht jeder Händler ist heute bereits willens, sich derart eng an eine einzige Marke zu binden.
Wenn man sich all die Verschiebungen im Verhältnis von Hersteller und Händler näher ansieht, dann stellt man fest, dass viele der Themen auch ohne digitalen Wandel auf der Agenda stehen. Die Herausforderung besteht nun darin, die ohnehin wichtigen Fragen unter dem Druck aufkommender Konkurrenz aus dem Netz möglichst wettbewerbsfähig zu beantworten, bevor sich Marktanteile vielleicht irreversibel weg vom stationären Fachhandel verschieben.
»Es ist noch nicht zu spät«
{b}Die Fahrradbranche steht bei der digitalen Verwandlung gerade mal am Anfang. Das ist die Meinung von Marcus Diekmann, der als Experte für neuen Handel einige starke Thesen vertritt, wie die Fahrradwelt aus den Fehlern von anderen Branchen lernen kann und welchen Weg der Handel einschlagen sollte, um von der Entwicklung nicht abgehängt zu werden.{/b}
Während seiner Zeit bei der Accell-Gruppe hatte Diekmann die Gelegenheit, sich die digitalen Bedingungen der Fahrradbranche im Detail anzusehen. Gerade im direkten Vergleich mit den Entwicklungen, die andere Branchen durchlaufen haben, sieht er für den Fahrradhandel zahlreiche Chancen, aber noch mehr Herausforderungen heraufziehen. Hier ein paar seiner Thesen, wie sich die Zukunft der Fahrradbranche, getrieben durch die digitalen Umwälzungen, entwickeln könnte.
{b}Über zeitliche Rahmenbedingungen{/b}
»Die Themen, die heute in der Bike-Branche diskutiert werden, sind im Vergleich zu anderen großen Branchen wie z.B. Fashion oder Elektronik noch sehr rückständig in Bezug auf den digitalen Wandel. Natürlich gibt es auch in der Fahrradbranche schon Online-Player mit relevanten Marktanteilen, aber die Lösungen sind eher reine Abverkaufschannels und noch nicht wirklich kundenzentrierte und komplett intelligente und vernetzte Lösungen. Die Branche lernt zu wenig von den Erfahrungen aus anderen Branchen und wie sich dort eCommerce & Omnichannel entwickelt haben und was das dort für Hersteller, Händler, neue Player, Marktentwicklungen, Customer Journey, Content, Marketing, Services und Preispolitik bedeutet. Gut ist, dass man in dieser Situation noch alle Potentiale hat. Es ist definitiv noch nicht zu spät.«
{b}Über die Besonderheiten der einzelnen Branchen{/b}
»Jede Branche sagt, ›meine Branche ist anders‹. Es hat sich gezeigt, dass sie bezüglich des digitalen Wandels alle gleich sind. Alle behaupten, ›bei mir muss man die Produkte erst ausprobieren‹, ›bei uns ist alles viel komplizierter‹, ›unsere Produkte kauft man nicht online‹, ›bei uns braucht man den Service‹. Das haben schon die Schuhhändler 2008 und die Matratzenhändler 2014 behauptet. Es geht nicht mehr um die Frage, ob der Kunde die Produkte erst online oder stationär recherchiert hat oder ob er diese offline testen möchte – sondern wo diese danach gekauft werden und wie sich die neue Transparenz auf die Preispolitik und Services auswirken wird und wer das Geschäft macht. Letztendlich wird der gewinnen, der »Everywhere-Commerce« (also On- und Offline) zu radikalen USP`s am besten anbietet und am aggressivsten in die Marktverdrängung investiert. Und welche Hersteller den Handel am besten unterstützen.«
{b}Über die Bedeutung des Internets für den stationären Handel{/b}
»Der erste Touchpoint des Kunden ist in Zukunft nicht mehr der Handel, sondern das Internet. Das ist der neue Händler des Vertrauens. Heute bietet zum Beispiel Amazon den besten Kundenservice in Sachen Lieferung, Umtauschrechte, Zahlungsmöglichkeiten, Auswahl, etc.. Das heißt aber nicht, dass der Kunde zwingend online kauft. Aber er trifft dort seine Kaufentscheidung und sucht dann online, wo er diese Räder stationär ausprobieren und kaufen kann. Der Kunde wird in diesem Prozess zum echten temporären Fachmann, da er sich in der Vorkaufrecherche durch andere Kundenmeinungen und Informationen über die verschiedenen Bikes informiert und auch einen klaren Preispunkt im Kopf hat. Der Händler muss sich darauf vorbereiten und ebenfalls genau wissen, was im Internet kommuniziert wird.«
{b}Über die Sortimentsbreite{/b}
»Das nächste Megathema ist ‚Simplicity‘. Als Beispiel kann die Matratzenbranche dienen. Es handelt sich um ein höchst individuelles Produkt. Trotzdem sind die Umsatzsieger die »One-Size-fits-all«-Anbieter. Die haben den ganzen Markt radikalisiert. Andere Beispiele sind der Thermomix, die Handybranche mit dem Apple iPhone oder die Tooniebox für Kinder. Letzteres ist ein sehr gutes Beispiel für die Fahrradbranche. Die Box kann aus technischer Sicht betrachtet nicht wirklich viel und ist trotzdem Marktführer, da die wenigen Features wirklich Kunden begeistern. Und mal ganz ehrlich – 90% der Kunden kennen die vielen Details der unterschiedlichen Bikes nicht und wertschätzen das auch nicht – hier besteht viel Raum für Vereinfachung, basierend auf echten Kunden-USPs. Die immer weitere Segmentierung muss vielleicht im Profibereich bestehen bleiben, im Massenmarkt aber nicht.
Sich auf den Handel der Zukunft vorzubereiten bedeutet, dass die Sortimente drastisch reduziert werden. Als Faustformel wird eine Reduzierung um 50 bis 60 % vorgeschlagen. Die Branche muss die echten Consumer Needs erkennen. Wenn ich im Fahrradhandel bin, dann guckt sich der Händler mich an, stellt fünf Fragen und zeigt mir auch nur drei Modelle.
Die Fahrradbranche produziert jedes Jahr viel zu viele neue Modelle. Der größte Teil der Endverbraucher weiß das doch gar nicht. Es gilt, diese Komplexität herauszunehmen. Es wird Forschung betrieben für etwas, was der Kunde nicht sieht und für ihn irrelevant ist. Der Sortimentswechsel erfolgt viel zu schnell für den Massenmarkt. Das erzeugt unnötige Komplexität in Sachen Bevorratung, Lieferung und Margen.«
{b}Über Lieferfähigkeit{/b}
»Das ganze Vorordersystem ist tot. Es ist das altmodischste und dümmste, was man machen kann. Stattdessen muss der Hersteller der Zukunft verschiedene Lagerhäuser betreiben, die jederzeit lieferfähig sind. Das geht natürlich nur mit den reduzierten Sortimenten. Dann unterstützt der Hersteller seine Händler wirklich gut und der Händler kann seinen Kunden alle Bikes zu jedem Zeitpunkt anbieten (Farbe, Größe, Motor...), und dem Kunden dieses am nächsten Tag nach Hause liefern lassen. Dann werden der Händler und der Endverbraucher nach dieser Marke verrückt sein.«
{b}Über Hosen, und wer sie in der Zukunft anhat{/b}
»Das ist ganz einfach zu beantworten, weil es bei anderen Branchen bereits bewiesen ist. Vertikalisierung wird auch in der Fahrradbranche in den nächsten zehn Jahren eines der großen Themen sein und ist auch eine logische Konsequenz durch den immer zunehmenden Wettbewerbs- und Margendruck und der Veränderung der Customer Journey. Ebenso werden die Hersteller gewinnen, die massiv in Marketing investieren und somit zu Must-Have-Brands werden, wie zum Beispiel Nike. Hier sehe ich ein echt großes Potential, denn heute sind die meisten Brands für Endverbraucher völlig intransparent. Die bekanntesten Brands kennen häufig nur 5 bis 6% der deutschen Kunden. Das zeigt, welches Potential hier besteht, gerade auch für hochpreisige Massenmarkt-Segmente wie E-Bikes. Heute kennen die Kunden keine Fahrradmarken, sondern nur den Bosch-Motor – das ist eine sehr gefährliche Situation.«
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