Case Study Kalkhoff - Digitale Werbung
Location-based Advertising
Es könnte so einfach sein. Man definiert eine oder mehrere Zielgruppen, die den eigenen Radladen in den nächsten Wochen besuchen soll. Dazu bastelt man eine Handvoll Banner oder vielleicht sogar Videos. Dann übergibt man das alles einer Software und die sorgt vollautomatisch dafür, dass die Banner immer dann auf den Smartphones der Zielgruppe landen, wenn die sich in der Nähe des jeweiligen Ladens aufhält.
Und genauso einfach ist es. Carsten Riemann-Kafsack hat mit seiner Agentur Masterplan exakt dieses Szenario für Kalkhoff abgebildet.
Am Ende zählt der Impact der gesamten Customer Journey und das Zusammenspiel aller eingesetzten Medien und Kanäle
, zieht er nüchtern Bilanz. Riemann-Kafsack würde auch Plakate kleben, wenn es sich lohnt, oder Printanzeigen schalten. Media-Kanäle sind für ihn keine Objekte der Leidenschaft, aber Werkzeuge, die es zielgerichtet einzusetzen gilt.
Die Aufgabe: Kalkhoff als relevante Größe im E-Bike-Markt
Bezogen auf die Gesamtmenge abgesetzter elektrischer Fahrräder gehört Kalkhoff zweifellos zu den Großen der Branche. 100.000 E-Bikes stellen die Cloppenburger jedes Jahr her. Nicht alle werden unter der Marke Kalkhoff vertrieben. Ein Teil wird mit britischem Design unter der Marke Raleigh verkauft.
Es sei höchste Zeit, dass Kalkhoff stärker ins »Relevant Set« der E-Bike-Interessenten vorrückt, dachten sich die Niedersachsen Anfang 2019 und engagierten Masterplan, um bei den anstehenden »Testivals« für richtig Stimmung zu sorgen.
Man hätte auf die Idee kommen können, die Marke mit einem TV-Spot bekannt zu machen, doch das erschien nicht vollständig zielführend. Die Menschen sollten aktiviert werden, die Marke physisch an einem der 30 ausgewählten Standorte zu erleben. Und was heißt überhaupt »die Marke«? Die Spannbreite der Zielgruppen reichte von Senioren bis zum stylischen Großstadt-Hipster. Jeder sieht etwas anderes im Thema E-Bike und folglich in der Marke Kalkhoff.
»Eine der großen Herausforderungen war die Dichte der Besiedlung in den einzelnen Landkreisen und Städten«, erläutert Carsten Riemann-Kafsack. Die Frage war: Wie groß zieht man den Radius um eine Filiale, um einerseits genügend Menschen zu erreichen und andererseits nicht zu weit auszuspielen, weil dann ein spontaner Besuch unwahrscheinlich wäre und der Werbemittelkontakt vergeblich.
Bei Masterplan entschied man sich für sehr variable Radien um jeden einzelnen Testival-Standort. 20 Kilometer, so sollte sich später zeigen, war der Radius des Einzugsgebiets bei den allermeisten Besucherinnen und Besuchern. Im Durchschnitt reisten die Menschen knapp 10 Kilometer an. Daraus wird auch deutlich, dass nur ein Teil der Kundschaft zu Fuß unterwegs war oder auf dem Rad saß, als sie die frohe Botschaft vom Testival empfingen. Ein Gutteil kam auch per Auto, was typisch ist für ländliche Regionen. Hier sind größere Radien zu ziehen als in der Stadt.
Masterplan zog außerdem auch noch einen inneren Kreis. Menschen, die »zu nah« am Testival waren, wurden nicht mit weiteren Einladungen behelligt. »Live« hieß die Zielgruppe, die vor Ort gesichtet wurde, und hier wurden andere Werbemittel ausgespielt, die sich konkreter mit dem Testival-Erlebnis befassten.
Die Umsetzung: Ein technisches Netzwerk
Wie man mit einer Bannerkampagne die einzelnen Zielgruppen trifft, ist abhängig von der Präzision der Technologie, die man einsetzt. Das Ökoystem des Programmatic Advertising greift zeitgleich auf die Werbeflächen sehr vieler sogenannter Publisher zu. Publisher ist jeder, der etwas anzubieten hat, was immer wieder Kontakt zu den Nutzern der Smartphones herstellt. Ebay ist genauso ein Publisher wie die Online-Version der Bildzeitung. In einer Wetter-App ist die Schaltung genauso möglich wie auf Google
Maps.
Die Kunst von Location-based Advertising liegt darin, den richtigen Radius um den Zielort zu treffen, sodass die Kampagne aktivierend wirken kann.
Aus diesem Netz verschiedener Ausspielungsmöglichkeiten entsteht eine deutlich höhere »Trefferwahrscheinlichkeit«, als wenn man sich nur auf einzelne große Publisher verlassen würde. Google und Facebook bilden hier eine Ausnahme. Sie können nicht über die gleichen Systeme angesteuert werden, sondern haben eigene Lösungen dafür. Und sie haben für sich genommen so große Reichweiten, dass viele Werbungtreibende sich dafür entscheiden, nur dort zu buchen.
Die Daten der Nutzerinnen und Nutzer stammen aus unterschiedlichen Systemen. Für die Kalkhoff-Kampagne waren personenbezogene Daten nicht relevant. Es ging um klassische demografische Parameter wie Alter, Geschlecht und Wohnregion. Dazu kamen noch Daten über das jeweilige Rad-Interesse sowie natürlich der Standort.
Das hört sich komplizierter an, als es ist. Zwar stammen die Daten aus allen möglichen Quellen, aber wie die letztlich zusammengeführt werden, muss den Mediaplaner nicht interessieren. Was ihn interessiert, ist natürlich die Qualität der Daten. Und die misst Carsten Riemann-Kafsack mit ganz handfesten Bewertungsgrößen, nämlich anhand der Anzahl der Menschen, die auf den Testivals erschienen sind.
Die Positionsdaten der Nutzerinnen und Nutzer stammen ebenfalls aus mehreren Systemen. Das GPS-Signal dominiert. Es wird unter anderem von Google Maps oder einer Wetter-App standardmäßig ausgelesen, weil hier die Nutzer einen direkten Mehrwert davon haben, sich und ihr Smartphone orten zu lassen. Natürlich haben sich die jeweiligen Apps in ihren AGB das Recht gesichert, diese Daten auch auswerten und werblich vermarkten zu dürfen. Außerdem können Smartphones auch anhand ihres WLAN-Signals geortet werden. Das machen zum Beispiel digitale Plakatstehlen oder WiFi-Hotspots, selbst wenn der Nutzer sich nicht einloggt.
Letzte Aufgabe war dann noch die Herstellung unterschiedlicher Werbemotive durch eine Kreativagentur. Der Aufwand ist beträchtlich, wenn man sieht, dass es für sehr viele unterschiedliche Datenkombinationen (weiblich, jung, ländlich, Rennrad) jeweils eigene Werbemittel geben sollte. Allerdings profitierte man in der Herstellung davon, dass entsprechendes Bildmaterial meistens vorhanden war.
Für einige Hauptzielgruppen gab es sogar mehrere Varianten eines Werbemittels. Die übergibt man der Steuerungssoftware und die spielt sie dann aus. Während der Laufzeit der Kampagne bilden sich automatisch eine oder mehrere Gewinnervarianten heraus, die dann häufiger ausgespielt werden als andere. Auch davon sieht der Planer letztlich nur das Ergebnis. Die aktive Steuerung macht die Software.
Das Ergebnis und die Folgen
Damit eine solche Optimierung überhaupt funktionieren kann, muss die Software ein Signal bekommen, was funktioniert hat und was nicht. Das geschieht über die sogenannte Footfall-Analyse. Hier werden die gleichen Tracking-Mechanismen eingesetzt wie beim Targeting. Nur dass der Radius eben ausschließlich auf das Gelände der Filiale begrenzt ist oder direkt vom WiFi-Hotspot erkannt wird.
Die Device-ID des jeweiligen Smartphones wird an das System übertragen und das kann dann sehen, ob und wenn ja, welches Banner auf diesem Smartphone ausgespielt wurde.
Um den Erfolg der Gesamtkampagne zu messen, kann man zwei Wege gehen. Entweder man vergleicht mit dem Vorjahresergebnis, dann riskiert man, dass Störfaktoren das Ergebnis verzerren. Das könnte das Wetter sein, das im Vorjahr vielleicht viel besser war. Aber es könnte auch der Werbedruck sein. Da Kalkhoff 2019 100 Jahre alt wurde, wurde weit mehr kommuniziert als nur zum Testival.
Die bessere Variante ist, eine Kontrollgruppe aufzubauen. Das sind Menschen, die die Werbemittel nicht sehen und bei denen es somit keinen zusätzlichen Impuls gibt, zum Testival zu kommen. Die Differenz zwischen beiden Gruppen schreibt man dann der Kampagne zu.
Im Vergleich zur Kontrollgruppe,
die keine Werbung bekommen hat, konnte die Kampagne deutlich mehr Menschen zu den Testivals bringen.
Diese Differenz war in der Kalkhoff-Kampagne drastisch. Während in der Kontrollgruppe knapp 4000 Besucher kamen, waren es 12.000 bei den Läden mit Kampagne. Eine Steigerung um 200 Prozent. Die deutliche Mehrzahl der Besucher war männlich – eine wertvolle Erkenntnis für künftige Kampagnen. Zudem war die Gruppe älter als erwartet. 60 Prozent der Besucher waren zwischen 36 und 55 Jahren alt.
Die wichtigste Kenngröße des Marketers ist aber der Return on Invest, und hier spielen natürlich die Kosten der Kampagne eine große Rolle. Masterplan errechnete insgesamt Kundenakquisitionskosten von unter 10 Euro pro Kunde. Das ist für Kalkhoff ein eher günstiger Wert und damit hat es sich schon kurzfristig gelohnt. Langfristig könnte es zusätzliche Effekte geben, wenn die Markenwahrnehmung sich wie vom Unternehmen gewünscht tatsächlich ändert.
Fazit
Es ist schon eine Menge Hirnschmalz nötig, um eine solche Kampagne klug zu konzipieren und die technischen Lösungen zu finden, um das umzusetzen. Aber faktisch sind Drive2Store-Kampagnen für eine Agentur wie Masterplan nichts Neues. Viele Komponenten sind erprobt und werden einfach aus der Schublade gezogen.
Die Werbeverantwortlichen der Fahrradmarke können so tief mit einsteigen, wie sie wollen. Sie können nur die groben Ziele vorgeben, die Detailplanung mitbestimmen oder sogar an den Werbemitteln mitarbeiten. Je nachdem, wie gut die Vorkenntnisse und das Zeitbudget sind. Showstopper sollte nicht sein, dass man keine Zeit hat, sich mit solchen granularen Möglichkeiten zu beschäftigen.
Automatisches Targeting hat inzwischen alle Mediengattungen erreicht. Anfang April startet sogar RTL damit, zielgerichtet produzierte Werbespots an smarte Fernseher zu schicken. Bei ProSieben hat Volkswagen in einem ersten Test versucht, reine B2B-Zielgruppen für seine Nutzfahrzeuge zu erwischen. Im Fernseher!
Targeting und Programmatic muss man als Fahrradmarke nicht verstehen, aber man muss wissen, was es kann. Sonst wird Werbegeld eventuell unnötig in Streuverlusten vergeudet, und das will niemand. Media-Agenturen wie Masterplan helfen gerne bei der Umsetzung. Natürlich kosten sie Geld, leisten meistens aber auch wirklich gute Arbeit. In diesem Fall sogar preisgekrönt. Für die Kalkhoff-
Kampagne erhielt Masterplan den Deutschen Preis für Online-Kommunikation 2020. //
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