Marktübersicht - Mittelmotoren
Magazin E-Bike-Systeme
Der Vorderradmotor hat sehr stark an Bedeutung verloren.« Das ist derzeit vielleicht die einzige konkrete Feststellung, die sich über die Entwicklung bei Antrieben sagen lässt, seitdem Bosch eingestiegen ist und den Markt mächtig umgerührt hat. Im Anschluss haben die Mittelmotoren auch den Heckmotoren deutliche Anteile abgezogen, und viele Hersteller haben daraufhin ihre Konzentration ganz auf einen Mittelmotor gelenkt. Glaubt man aber Marktbeobachtern, ist der Kampf um den richtigen Platz für den Motor am Fahrrad zumindest langfristig noch nicht entschieden. Bei allen Vorteilen des Tretlagerantriebs, wie die Möglichkeit zur sehr harmonischen Ansteuerung, ausgeglichene Gewichtsverteilung, viele Kombinationsmöglichkeiten mit Schaltungen und bei vielen die Rücktrittbrems-Option, gibt es auch Nachteile, die zwar derzeit verstärkt angegangen werden, aber noch nicht wirklich aus der Welt geschafft sind. Teilweise ist auch noch nicht klar, wie massiv sich beispielsweise die höhere Abnutzung des Kettenantriebs durch hohe Drehmomente im Dauerbetrieb auswirken wird. Werden E-Bikes so viel und in Zukunft auch in der nassen Jahreszeit so intensiv genutzt, dass erhöhter Verschleiß auf breiter Front ein noch wichtigeres Thema werden könnte? Hier steuern Hersteller bereits mit Schaltsensoren oder anderen Kniffen gegen. Rekuperation, also das Nachladen des Motors beim Bremsen, scheint aber in diesem Bereich typbedingt auch in Zukunft nicht möglich zu sein. Trotzdem gilt für die nächsten Jahre: Mit den folgenden Motorsystemen muss man rechnen.
{b}Marktführer legt nach{/b}
Der Aufmischer der letzten Jahre ist immer noch auf Angriffskurs: Bosch legt nach. Zwar erfahren die beiden Antriebslinien Active Line für City- und Genussfahrer sowie Performance Line für die sportlichere Ausrichtung wenig technische Veränderungen, doch die Bosch-Spürnase sagt, dass Antriebsintegration, speziell die Automatisierung des Schaltens ein großes E-Bike-Thema der nächsten Jahre sein dürfte. Entsprechend dockt man an Shimanos elektronischer Schaltung Di2 an und lässt damit forthin halb automatisch schalten, sorgt in Verbindung mit SRAMs Dual Drive 3Plus immer für den kleinen Gang beim Losfahren und mit der Kombi aus Bosch und Nuvinci gleitet man gar ohne Stufen durch die gesamte Übersetzungsvielfalt. Weiterhin gibt es
aus der Performance-Line auch den 350-Watt-Motor für das S-Pedelec, doch auch in Reutlingen denkt man ähnlich wie bei den anderen großen Herstellern, dass die 45er-Räder kurz- bis mittelfristig nur eine kleine Nische besetzen.
{b}Impulsgeber hält Kurs{/b}
Neben Bosch hatte in den letzten beiden Jahren der Impulse-Antrieb, den Derby Cycle zusammen mit der Firma Daum Elektronic entwickelte, einen großen Anteil an den verkauften Motoren. Das aktuelle System Impulse 2.0, 2013 vorgestellt, hat nicht nur mehr Drehmoment, sondern auch einen Schaltsensor – vom Hersteller Shift Sensor genannt. Ein weiteres Feature fasst die Version mit Rücktrittbremse: Hier muss, verglichen mit der ersten Impuls-Version, das Pedal nur um einen deutlich kürzeren Weg bis zum Bremswiderstand zurückgetreten werden. Mit dem Ergo stellte der Hersteller 2013 außerdem das erste System vor, bei dem die Pulswerte des Fahrers situationsabhängig die Unterstützungswerte des Motors mitbestimmen. Für sportlichere Fahrer ist das neue Triebwerk interessanter als die erste Version: Er leistet mit 70 Nm mehr Drehmoment und unterstützt auch in höheren Frequenzen noch.
{b}Ex-Musterschüler muss jetzt aufholen{/b}
Für den Panasonic-Motor, vor fünf Jahren so etwas wie der Musterknabe des modernen, harmonischen E-Bike-Antriebs, ist es im E-Markt enger geworden. Mehr als anderen Anbietern dürfte der Bosch-Feldzug ihm in den letzten Jahren Kunden abgezogen haben. Der neue Panasonic-Mittelmotor unterstützt nun höhere Trittfrequenzen (bis zu 85 Kurbelumdrehungen pro Minute) und treibt die Kette nicht mehr mit einem separaten Antriebsritzel an, sondern direkt über das eigentliche Kettenblatt. Wie beim ersten Mittelmotor-Typ gibt es eine Version mit 350 Watt.
{b}Neuer Sportsfreund{/b}
Einen relativen neuen Eindruck auf dem deutschen Markt macht MPF Drive, dabei gab es eine erste Version dieses Mittelmotors bereits 2003. Mittlerweile ist man bei der Version 5.2 angelangt. Laut Hersteller war diese Version damals der erste Mittelmotor mit Drehmomentsensor. Erhältlich ist neben der klassischen Pedelec-Version auch eine 500-Watt-Variante des Motors. Der Pedelec-Motor hat mit 60 Nm relativ viel Drehmoment und unterstützt bis etwa 100 Pedalumdrehungen pro Minute und soll sich so vor allem für sportliche Fahrer anbieten; dennoch ist auch die Rücktrittbremse eine Option. Die Version 5.2 ist auch mit Schaltsensor-Ausstattung zu haben, die beim Schalten den Schub zurück nimmt.
{b}Unter eigener Flagge{/b}
Eine kurze, aber wechselhafte Vergangenheit hat auch der Antrieb von Binova hinter sich; bekannt wurde er 2012 unter dem AEG-Label. Nach einigem zumindest markentechnischen Wirrwarr soll der getriebelose Binova Flow fertig für die Markteinführung sein. Das Besondere daran: Das Mittelmotor-Konzept braucht keinen speziellen E-Bike-Rahmen, lediglich ein Hauptlager mit etwas verbreiterter Achse wird verbaut. Außerdem arbeitet der Antrieb getriebelos, ist aber mit etwa sechs Kilogramm (Herstellerangabe) relativ schwer. Ungewöhnlich: die auf der Tretlagerachse sitzende Scheibe an der rechten Motorseite. Dadurch wird, wie beim Fatbike, das Pedal etwas nach außen versetzt. Geplant ist eine Smartphone-App, mit der sich die Charakteristiken des Antriebs individualisieren lassen. Ob das noch nicht nachhaltig erprobte Konzept für die E-Bike-Hersteller, die es mittlerweile gewöhnt sind, spezielle Rahmen mit Motoraufnahmen für unterstützte Räder bauen zu lassen, aufgeht, ist noch nicht fraglich.
{b}Noch ein Autozulieferer{/b}
Ganz auf die Highend-Schiene zielt dagegen Brose ab. Auch der Antrieb dieses Autozulieferers durchlief zumindest gefühlt ein Marken- und Herstellerlabyrinth, bevor auf der diesjährigen Eurobike tatsächlich die ersten Räder von Rotwild zu fahren waren. Außerdem werden Brose-Antriebe von ZEG-Marken verbaut. Der Berliner Antrieb wird von den ersten Testern als sehr kräftig, dabei aber harmonisch in Kraftentfaltung und Abriegelung bei Höchstgeschwindigkeit beschrieben. Besonderer Wert wurde auch auf Individualisierbarkeit gelegt, speziell die Zuschaltungsverzögerung beim Antritt lässt sich stark variieren. Der Akku kommt vom Batterieprofi BMZ. Das Unternehmen Continental, das einige Zeit an der Entwicklung beteiligt war, bietet ein Brose-System mit Conti-Riemenantrieb unter eigenem Label an.
{b}Urahne steigt verstärkt wieder ein{/b}
Yamaha ist ein Urgestein im Pedelec-Segment und gilt als der Ahne aller sensorgesteuerten, unterstützenden Motoren. Ähnlich wie der Brose-Antrieb ausgerichtet ist auch die »Next Generation« des Yamaha-Mittelmotor-Antriebs, die unter anderem sportive Winora- und Giant-Räder ausstattet. Der Wiedereinstieg des Motorradbauers in den Sektor E-Bike-Mittelmotoren 2014 scheint geglückt: Viel Kraft, vor allem am Berg, relativ wenig Gewicht und eine sehr harmonische Steuerung wird dem Antrieb bescheinigt. Entsprechend der Ausrichtung gibt es keine Rücktrittsbrems-Variante.
{b}Leicht, sanft, unsichtbar{/b}
Im unteren und mittleren Preisbereich von Mittelmotor-Rädern mischt der TranzX-Antrieb M25 mit. Highlights sind vor allem die unauffällige Optik – der kreisrunde Motor verschwindet fast völlig hinter dem Kettenblatt – und die sanfte Unterstützung. Nominell mit 50 Nm Drehmoment ausgestattet, wirkt der M25 etwas schwächer als mancher Mitbewerber. Als Schalt-Vollautomatik AGT (Automatic Gear Transmission) stellt das System außerdem eine günstigere Alternative zu Systemen mit Nuvinci Harmony dar.
{b}Integration als Kaufargument{/b}
Shimano hat, nach einem ersten halbherzigen und entsprechend gescheiterten Einstieg ins Segment nachgebessert und stellte 2014 mit Steps einen eigenen, bereits ausgereiften Mittelmotor vor. Neben der geringen Größe und der ansprechenden sensorischen Steuerung konnten vor allem die Integration mit eigenen und anderen Schaltungen überzeugen. Charakteristik: Er unterstützt vor allem bei mittleren und höheren Trittfrequenzen, während bei niedriger Pedalumdrehung relativ wenig beigesteuert wird. So »erzieht« das System auch zu höherer Trittfrequenz. Neben der Kombi mit der hauseigenen Di2-Schaltung bietet Shimano auch die Integration der Nuvinci Harmony an, die so vollautomatisches »Gleiten« durch die stufenlose Übersetzungen ermöglicht.
{b}Heute mal unplugged{/b}
Der Sunstar Virtus ist einer der wenigen Mittelmotoren zum Nachrüsten – bzw. für Biker, die ihr Rad auch gelegentlich ohne Motor bewegen wollen. Dank Kompatibilität zum normalen Fahrradrahmen und dem einfachen An- und Abbau hofft man bei dem Schweiz-japanischen Unternehmen auf eine Klientel, die an ein bereits vorhandenes Rad einen Mittelmotor nachrüsten oder sogar gelegentlich mit dem E-Bike unplugged fahren will.
für unsere Abonnenten sichtbar.