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Mit Marketing-Tools Azubis  suchen
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Schulung - Ausbildungsmarketing

Mit Marketing-Tools Azubis suchen

Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sinkt seit einigen Jahren auch in der Fahrradbranche. Der oft zitierte demografische Wandel ist da nur eine von mehreren Ursachen. Fahrradhändler müssen jedoch bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden nicht leer ausgehen. Ein professionelles Ausbildungsmarketing kostet zwar Zeit und Geld, sollte aber als notwendige Investition in den Betrieb und seine Zukunft verstanden werden. Zudem bietet es die Chance, sich als verantwortungsvoller Arbeitgeber zu präsentieren, wodurch auch das eigene Image in der Öffentlichkeit steigt.

Auszubildende zu finden ist in den letzten Jahren für alle Branchen deutlich schwieriger geworden. So ging 2012/13 die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge (530.715) im Vergleich zu 2011/12 um 3,7 Prozent (-20.544) zurück, im Handwerk um 3,5 Prozent (2013: 142.137; 2012: 147.327). Die Fahrradbranche traf es bei der Ausbildung zum/zur Fahrradmonteur/in noch härter: Sie muss ein Minus von 19,5 Prozent verkraften (2013: 99; 2012: 123). Dafür sieht es beim/bei der Zweiradmechaniker/in Fachrichtung Fahrradtechnik besser aus: Hier ist ein Plus von 11,3 Prozent (2013: 266; 2012: 239) zu verzeichnen. Rechnet man die beiden Werte gegeneinander auf, was zugegebenermaßen nur Sinn macht, um den zukünftigen Fachkräftemangel in der Branche im Ansatz zu beschreiben, ist klar: Es muss etwas getan werden. Andreas Lübeck, LBU-Unternehmensberater und beim Verbund Service und Fahrrad (VSF e.V.) in der Mitgliederbetreuung tätig, dazu: »Ein zusätzliches Problem ist, dass sich die Zahlen auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen. Das liegt vor allem daran, dass der Fahrradfachhandel seit den 1990er-Jahren kaum noch selbst ausgebildet hat. Erst seit Kurzem steigt die Bereitschaft wieder, sich darum zu kümmern.«
Im Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) erkennt man eine Palette von Widrigkeiten, mit denen sich die Branche auseinandersetzen muss: »Grundsätzlich ist zu sagen, dass es im Zweiradhandel zusehends Probleme gibt, gute Azubis zu bekommen. Diese suchen sich lieber eine Ausbildungsstelle im Büro oder in der Industrie, auch aufgrund der späteren Verdienstmöglichkeiten. Weitere Probleme sind in den Bereichen Ansehen, Arbeitszeiten, Aufstiegschancen und Auswahl an Arbeitsstellen zu suchen.«

Tools für ein gelungenes Ausbildungsmarketing

Es wird aber nicht nur immer schwieriger gute Auszubildende zu finden, kleine und mittlere Betriebe hinken beim Ausbildungsmarketing bereits hinterher. Große Unternehmen haben hier die Nase vorn, weil sie schon seit einigen Jahren die zahlreichen entsprechenden Tools nutzen. Sie verfolgen damit das Ziel, potenzielle Bewerber auf die Ausbildungsstellen aufmerksam zu machen, geeignete auszuwählen, die besten Auszubildenden an den Betrieb zu binden und ein verlässliches positives Image am Standort aufzubauen.
Inhaltlich lassen sich die Instrumente in indirekte und direkte unterscheiden.
Zu den indirekten zählen die

  • Veröffentlichung freier Ausbildungsstellen bei der Agentur für Arbeit
  • bei der Zeitung und weiterer Online-Stellenbörsen
  • auf der eigenen Internetseite und in Social-Media-Kanälen bzw.
  • bei den Kammern, Innungen und Verbänden

Zu den direkten zählen die Bereitstellung von

  • Betriebspraktika
  • das Informieren von Mitarbeitern über freie Stellen
  • die Teilnahme bei Schulveranstaltungen und Ausbildungsmessen bzw.
  • das Angebot einer sechs- bis zwölfmonatigen Einstiegsqualifizierung.

Ausbilden und darüber reden

Fahrradfachhändler, die sich des Ausbildungsmarketings annehmen möchten, sollten vor allem auf die Karte des regionalen Standortvorteils setzen. Oft wissen Jugendliche gar nicht, dass der Fahrradhändler um die Ecke ausbildet. Wege, dies öffentlich zu machen, gibt es viele: Die eigene Internetseite ist nur eine Möglichkeit. »Wir nutzen sogar drei Kanäle gleichzeitig, um auf freie Ausbildungsstellen aufmerksam zu machen: Das Angebot der Agentur für Arbeit, unsere Internetseite und unseren Newsletter«, sagt Alexander Yannopoulos, Geschäftsführer der All Mountains GmbH. Wie viele andere hat er bereits jetzt sein Angebot für das nächste Jahr geschaltet. Dabei dürfen Ansprechpartner und ihre Kontaktdaten sowie die Bewerbungsmodalitäten nicht fehlen. Auch die Online-Stellenbörsen der Handwerkskammer und der IHK sollten zusätzlich bedient werden.

Anzeigen in Regionalzeitungen, Stadtteilanzeigern, Endkundenzeitschriften oder in der Schülerzeitung können ebenso zum Erfolg führen. Konditionen wie »bei der Besetzung des Stellenangebotes findet kein Tarifvertrag Anwendung«, die man z. B. auf der Online-Stellenbörse der Agentur für Arbeit nachlesen kann, sind dabei nicht zielführend. »Das musste in den 1970er-Jahren schon die Baubranche lernen, als ihr die Auszubildenden fehlten. Erst als die Bezahlung wieder angemessen war, ist es ihr gelungen, aus diesem Dilemma herauszukommen«, sagt Andreas Lübeck.
Neben den üblichen Stellenanzeigen sind Artikel über die Ausbildungsberufe in der Fahrradbranche, die Teilnahme an einer Ausbildungsmesse vor Ort, die auch örtliche Arbeitsagenturen durchführen, oder eine Zeitungsmeldung zum »besten Auszubildenden des Jahres« interessante Aufhänger für die Lokalpresse.
Ausbildungsmessen haben den Vorteil, dass man die Jugendlichen persönlich kennenlernen kann. Lässt man am Stand auch noch einen platten Reifen reparieren, erkennt man schnell, wer praktisch begabt ist und über Vorwissen verfügt. Allerdings erfordert die Teilnahme an einer Ausbildungsmesse einen erheblichen Aufwand an Personal und Finanzen. Info-Material muss erstellt werden, damit der Stand Sinn macht. Konzipiert man dies so, dass man es später auch noch an Orten wie Schulen, Jugendberatungshäusern, Sportvereinen und der Agentur für Arbeit sowie als Download auf der Internetseite platzieren kann, relativieren sich zumindest die Kosten.
Ein »Tag der offenen Tür«, für den man sich am besten mit anderen Unternehmen z. B. im Rahmen eines Straßenfestes zusammenschließt, führt ebenfalls zum direkten Gespräch mit den Jugendlichen. Natürlich muss auch diese Maßnahme vorab beworben werden. Gemeinsame Plakate an der nahegelegenen Bushaltestelle, Aufkleber, ein Spot im Kino um die Ecke oder bei einem Radio-Sender, Internet-Radio oder Podcast, den Jugendliche hören, sind dafür geeignete Werbeträger. Auch die Veröffentlichung über Social-Media-Kanäle erfüllt diesen Zweck.

Wieder in die Schule gehen

Kooperationen mit Schulen sind nicht leicht zu initiieren. Fahrradfachhändler, die dies bereits versuchten, beklagen oft mangelndes Feedback von Seiten der Lehrkräfte. Böser Wille steckt meist nicht dahinter. Das Scheitern ist oft dem Zeitmangel geschuldet, den Lehrkräfte verstärkt spüren, wenn sie fachfremd unterrichten müssen. Ein Phänomen, das gerade in den Fächern, bei denen es um die berufliche Zukunft der Jugend geht, üblich ist. Bietet der Händler Betriebspraktika für Lehrkräfte an, kann dies gleichzeitig der Einstieg in eine langfristige Zusammenarbeit bedeuten. »Sucht man den Kontakt zur Schule über einen Kunden, der gleichzeitig engagierter Lehrer ist, kann was Gutes herauskommen. Ich rate den Händlern immer, auch Kontakte zu Waldorfschulen zu knüpfen. Das pädagogische Konzept, das hinter diesen Schulen steht, legt sehr viel Wert auf handwerkliches Geschick. Das sollte man nutzen«, rät Andreas Lübeck. Montessori-Schulen und andere reformpädagogische Einrichtungen gehen in die gleiche Richtung.
Hat man einen Fuß in der Schule, kann man Betriebsbesichtigungen und -erkundungen anbieten. Zum Verständnis: Bei der Betriebserkundung übernehmen die Schüler auch kleine Aufgaben, bei der Betriebsbesichtigung nicht. Wer Mädchen eine Chance geben will, kann sich am jährlichen Girls´Day beteiligen. Der nächste »Zukunftstag für Mädchen« findet am 23. April 2015 statt, die Vermittlungen laufen bereits. Fahrradfachhändler können auf der Webseite www.girls-day.de die Anzahl der Plätze, die sie an diesem Praktikumstag anbieten möchten, melden. Sind die umliegenden Schulen über dieses Engagement informiert, steigen die Chancen, dass der Tag ein Erfolg wird.
Auch Betriebspraktika für Schüler finden in der Regel in enger Absprache mit der Schule statt. Für Schüler sind sie verpflichtend und dauern zumeist zwei Wochen. Wie beim Ferienjob auch haben Händler hier die Möglichkeit, potenzielle Auszubildende im Arbeitsalltag kennenzulernen. Dies setzt allerdings voraus, dass sie ernstzunehmende Aufgaben übertragen bekommen und trotzdem das Jugendschutzgesetz eingehalten wird. Überzeugt ein Praktikant oder Ferienjobber, sollte der Kontakt zu ihm auf keinen Fall abreißen, bis er die Schule abgeschlossen hat.

Welches Tool ist nun das richtige?

Die Antwort auf diese Frage hängt von der individuellen Situation des Betriebes ab. Jeder Händler muss für sich vorab klären, wie viel Zeit und Geld er investieren möchte. Wichtig ist, dass er mehrgleisig fährt und bei der Wahl der Instrumente langfristig denkt. Was erst zu teuer erscheint, kann kostengünstig sein, wenn damit eine Fehlbesetzung der Ausbildungsstelle verhindert wird.
Vergleichszahlen aus der Branche des Handels und der Reparatur zeigen, dass sehr viele Unternehmen bei der Suche nach Auszubildenden inzwischen mehrere Wege gleichzeitig einschlagen:

Anzahl der genutzten
Ausbildungsmarketing-Tools:
1 Tool 18 %
2 Tools 13 %
3 Tools 18 %
4 Tools 16 %
5 Tools 8 %
6 Tools 19 %
7 Tools 6 %
8 Tools 2 %

Selbstredend muss jeder Schritt gut vorbereitet sein und sich am Ablauf eines Schuljahres orientieren. Noch ein Tipp: Betriebe, die dabei ihre aktuellen Auszubildenden aktiv mit einbinden, wirken authentischer und sichern damit auch die jugendgerechte Ansprache. Außerdem werden über diese Wertschätzung die Auszubildenden noch besser an den eigenen Betrieb gebunden.
Hat der »neue« Auszubildende seinen Vertrag unterschrieben, muss jede Maßnahme, die für den Weg dorthin eingesetzt wurde, nachbereitet werden, denn das Ausbildungsmarketing ist eine Unternehmensstrategie, die permanent verfolgt und optimiert werden muss.

2. Dezember 2014 von Dorothea Weniger
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