Neuheiten von Bosch für 2017
Modellpflege mit Purismus und Spiegelei
mittlerweile sehr gut Fuß gefasst – in Shuzou gibt es seit 2014 eine Niederlassung, ein Logistikzentrum in Shanghai. Der Markt in USA, wo im März 2014 auch eine Niederlassung gegründet wurde, "hinkt allerdings deutlich hinterher", wie Fleischer bedauerte. „Wohlwollend gesprochen mindestens drei Jahre", so die Einschätzung.
Verständlich, dass ein Hersteller, der mit großem Knall in die E-Bike-Branche eingestiegen ist und in den letzten Jahren auch in Punkto technischer Innovation extrem rege war, nicht jedes Jahr eine technische Revolution auf die Räder stellen kann. Neue Produkte gibt es trotzdem, wenn auch solche, die beim Endverbraucher für etwas weniger Aufmerksamkeit sorgen dürften als beispielsweise der MTB-Motor Performance Line CX in 2015.
Als wichtigen Schritt in Sachen Diversifizierung nennt man bei Bosch das neue Display Purion. Konzentration auf das Wesentliche, so der Slogan dazu. Auf den ersten Blick ähnelt die neue Anzeige dem bekannten Intuvia-Modell, ist aber deutlich kleiner. Die Designsprache ist dieselbe. Doch das Purion sitzt nicht in der Lenkermitte, sondern vertreibt die Klingel vom angestammten Platz. Der linke Daumen hat so direkt Zugriff auf die beiden großen Tasten zur Einstellung der Fahrmodi. „Display und Remote in einem“, sagt Bosch dazu etwas überschwänglich. Nun ja, es ist einfach so positioniert, dass eine Fernbedienung überflüssig ist.
Eingeschaltet wird das System mit dem Schalter auf der Vorderseite des Displays. Es ist auch bei starker Sonneneinstrahlung sehr gut ablesbar. Neben Fahrmodus, Geschwindigkeit, Trip- und Gesamtkilometerzähler wird natürlich auch der Ladestand des Akkus angezeigt. Außerdem wird hier die Schiebehilfe (jetzt mit zwei Fingertipps auslösbar) eingeschaltet sowie die Hintergrundbeleuchtung. Natürlich ist das Purion auch mit einem USB-Anschluss für das Diagnose-Tool versehen.
Den Händler wird aber besonders freuen: Durch eine spezielle Tastenkombi kann er sich den aktuellen Stand sämtlicher vorhandener Software anzeigen lassen, ohne ein Diagnose-Gerät anzuschließen. Er kann also bei der Wartung oder Fehlersuche zunächst einmal ohne Aufwand kontrollieren, ob das Fahrzeug softwaretechnisch up to date ist. Außerdem zeigt Purion dem Biker auch an, wenn die nächste Inspektion fällig ist – ein Gewinn für ihn und den Händler.
Wer beim Wort Purismus an Marken wie Coboc oder Freygeist denkt, dem kommt das Purion-Display trotzdem wenig puristisch vor. "Der Markt gab uns das Feedback in diese Richtung", so Tamara Winograd, Marketing-Leiterin von Bosch EBike Systems. "Viele Leute wollen einfach nur die Grundfunktionen, weiteres soll gar nicht auftauchen. Außerdem können wir damit die Puristen unter den E-MTBlern bedienen, die eine freie Lenkermitte schätzen“, so Winograd.
Das Purion wird ab Herbst als Nachrüstsatz verfügbar sein. Zunächst werden aber die Hersteller bedient. Und hier scheint ein weiterer Grund zu liegen, das Purion zu verbauen: Das kleinere Display wird weniger kosten – E-Bikes mit Purion werden also tendenziell etwas günstiger. Je nachdem, wie viel an den Kunden weitergegeben wird, kann das um die 50 Euro ausmachen.
Nimm zwei
Die Entwicklung der Akkus ist laut Bosch nicht im gleichen Maße wie die letzten Jahre fortgeschritten. Deutlich mehr Kapazität bei gleichen Akkumaßen zu erhalten ist also derzeit nicht möglich. Ein Grund für den Hersteller, nicht wieder einen leistungsstärkeren Akku anzubieten, sondern für 2017 ein anderes Konzept vorzustellen: Die zweite Batterie, bei Bosch Dual Battery Concept (DBC). Für den anspruchsvollen Tourer oder – und das ist wohl der Hauptnutzer des neuen Konzepts – das Cargobike für den Alltagsbetrieb ist ein 500 Wh-Zuschlag sicher sinnvoll. Zumindest dann, wenn beide Akkus gleichmäßig und gleichzeitig für den Kraftfluss zuständig sind, wie das beim DBC der Fall ist. Auch geladen wird gleichzeitig. Den Herstellern wird natürlich nach wie vor die Position der zweiten Akkus überlassen – gerade am Cargobike dürfte es nicht schwer sein, einen weiteren Energiespeicher unterzubringen. Allerdings muss auch festgestellt werden, dass beim DBC ein Akkugewicht mehr durch die Gegend gefahren wird. Für kürzere Touren den Akku zuhause zu lassen bietet sich nicht an: Vor allem bei schlechter Witterung dürften die dann weitgehend ungeschützten Kontakte früher oder später in Mitleidenschaft gezogen werden. Wer sich also für ein Zwei-Akku-System entscheidet, dem Mehrgewicht grundsätzlich kein Dorn im Auge sein. Am Lastenrad sicher ein Zugewinn.
Das Dual Battery Concept – mit zwei 300-, 400- oder 500-Wh-Akkus – ist nichtnachrüstbar.
Reichweite to go
Aufgetankt wird auch neu: Das neue Touren-Ladegerät Compact Charger (für 110 bis 230 Volt Spannung) wiegt mit 800 Gramm ein Fünftel weniger als das Standardladegerät und ist auch deutlich kleiner. Mit zwei Ampere Ladestrom (genauso viel wie der bekannte Travel Charger, der aber nur über 12 Volt angeschlossen werden kann), braucht man damit zwar deutlich länger, um einen Akku voll zu bekommen. Der Gedanke hinter dem neuen Produkt ist aber vor allem die Mobilität: Die kleineren Maße (160 x 75 x 45 Millimeter) erlauben einfacheres Mitnehmen auf die Tour – quasi als Reserve, falls ein Weg mal zum Umweg wird oder steiler als erwartet. Der Compact Charger ist mit allen Bosch-Akkupacks kompatibel, benötigt für die Classic Line allerdings Adapter.
Wie weit man noch kommt, bekommen die Nutzer des Highend-Displays Nyon jetzt ganz bildlich vor Augen: mit der neuen grafischen Reichweitenanzeige. Interessant wird diese durch die Verknüpfung mit der topografischen Karte: Clevere Algorithmen erstellen eine „Spiegelei“-Ansicht der Reichweite mit dem Fahrer in der Mitte, also eine Draufsicht auf die Umgebung mit den jeweiligen Parametern wie verbleibende Akkuladung, Unterstützungslevel, aber auch Steigung und Art des Untergrunds. So zeigt diese grafische Darstellung zum Beispiel nach Osten, wo hügelige Landschaft anschließt nur noch wenig „Eiweiß“ während im Westen aufgrund von fester Fahrbahnoberfläche und flachen Wegen viel Reichweitenfläche erkennbar ist. Ein pfiffiges und beispielsweise für MTBler sinnvolles Feature, das für ein knapp 6 Euro kostendes aus den App-Stores gezogen werden kann. Außerdem soll der Nyon in Zukunft auch GPX-Dateien exportieren können – die GPS-Netzgemeinden wird’s freuen.
Vorausschauend gibt sich das Unternehmen auch in anderem Zusammenhang: Bei der Präsentation wurde auf die Gefahren des Tunings eingegangen. Unabhängig von Versicherungsproblemen und möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für den Fahrer betonte Fleischer, dass hier eine Gefahr für die ganze Branche liege: Stärkere Reglementierung drohten – und damit möglicherweise auch ein frühes Ende des großen E-Bike-Trends. „Tuning macht uns Sorge, wir alle müssen dieses Problem ernst nehmen“, rief Fleischer auf und forderte mehr Aufklärung und ernsthafte Selbstverpflichtung der Industrie und des Handels.
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