FAZ analysiert die Radreisewelle:
Moderne Radwege: "Nullmedium ohne jeden Erlebniswert"
Eine ganze Seite ihrer Reisebeilage vom 6.11.2008 räumte die FAZ ihrem Autoren für dessen kritische Auseinandersetzung mit dem Radreise-Trend ein. „Hauptsache, es holpert nicht“, titelt Fitzhum. Über die darauf folgenden geäußerten Meinungen lässt sich unter Radreise-Experten wohl vortrefflich streiten.
Kritisiert wird nicht der Radreise-Trend als solcher, der dazu führt, dass „an schönen Wochenenden heute ganze Karawanen an Weser, Main und Donau entlang rollen“. Und der auch dazu führt, dass Radtourismus in einigen Regionen zum wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden ist. Zum Beispiel Rheinland-Pfalz, wo laut FAZ im Jahr 2006 rund 341 Mio. EUR durch den Radtourismus erwirtschaftet wurden.
„Kein Wunder, dass der professionelle Ausbau des Wegenetzes nun überall zur Chefsache geworden ist. In Landstrichen mit geringer Wirtschaftskraft kann es sich kein Politiker leisten, eine derart sprudelnde Einnahmequelle wieder versiegen zu lassen“, schreibt Fitzthum. Neben der „Entflechtung der Radlerrouten vom Autoverkehr“ und der Beseitigung des „Markierungswirrwarrs“ finde dieser Ausbau vor allem durch eine Verbesserung der Rollstreifen statt, „indem naturnahe Oberflächen durch versiegelte, rollfreundliche ersetzt werden“.
„Die Erkenntnis, dass sich mit Radeltouristen gutes Geld verdienen lässt, hat eine beispiellose Ausbaudynamik entfesselt“, schreibt der FAZ-Autor. Doch gerade dadurch büsst eine Radtour ihren Reiz ein: Der asphaltierte Weg „verliert seine Gegenständlichkeit, wird zu einer Art Nullmedium ohne jeden Erlebniswert. Die Folge ist ein Entrücktsein, das sich auf Dauer auch als Langeweile niederschlagen kann.“ Und: „Von der großen Zahl der Tagesausflügler werden wohl tatsächlich nur solche Radwege angenommen, auf denen es steigungs- und holperfrei dahingeht. Dieser Mehrheit zuliebe, werde das Land nun mit der „blinder Radikalität“ fahrradgerecht gemacht. „Blind deshalb, weil Verluste und Verlierer ignoriert werden.“
Als maßgeblichen Antreiber dieser Entwicklung hat Fitzthum den ADFC ausgemacht, der überall dort, wo dessen „hochgeschraubten Ausbaustandards“ nicht erreicht werden, bereits die Nase rümpfe. „Ausdruck dieser Blickverengung ist das Zertifizierungsverfahren, das der ADFC den Tourismusregionen seit dem vorigen Jahr als kostenpflichtigen Service anbietet“, schreibt Fitzthum. Bei dieser Zertifizierung werde der Frage, ob eine Radreise-Route asphalitiert ist, ein hoher Stellenwert eingeräumt, während „naturnahe Wege so höchst effizient abqualifiziert werden“. Für den Autoren nicht nachvollziehbar, denn selbst bei Umfragen unter ADFC-Mitgliedern habe nur jeder Zehnte „glatte asphaltierte Oberflächen“ bei Radreisen als sehr wichtig eingestuft, während das „Landschaftserlebnis“ für mehr als 60 % im Vordergrund steht.
Ob ein Radtourist lieber auf einer Asphalt- oder einer Schotterstraße fährt, ist wohl durchaus eine streitbare Frage. Einen nicht ganz einwandfreien Beigeschmack hat der Artikel jedoch: Der FAZ-Autor ist bisher vor allem als Verfasser von Wander-Reportagen und Veranstalter von Wanderreisen bekannt. Und „Verlierer“ dieser Entwicklung seien neben der Natur die Wanderer, „die durch die Asphaltierungswelle aus den Flusstälern vertrieben werden“. Da stellt sich schon die Frage, aus welchem Blickwinkel der FAZ-Artikel geschrieben wurde.
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