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Marketing - Conten-Creator-Kooperationen

Möchte Teile, biete Klicks

Die sozialen Medien sind Bühnen für Millionen. Selbst Menschen mit überschaubarer Follower-Zahl klappern inzwischen auf der Suche nach Kooperations-Deals Shops und Firmen ab. Das eröffnet den Marketing-Abteilungen manches Mal interessante Möglichkeiten.

Schon der Ton lässt das Ausmaß des Phänomens erahnen. »Interesse an Collab?« Manchmal sind es nur diese zweieinhalb Worte. Keine Anrede. Kein Gruß. Tagtäglich prasseln Anfragen nach Kooperationen auf die Marketingabteilungen ein. Die Palette der Zuschriften reicht von förmlich bis unverschämt. Der vorgeschlagene Deal ist fast immer gleich: Werbung gegen Ware oder zumindest Rabatt.
»Es wird immer schlimmer«, beobachtet Wolf Koch, Geschäftsführer von Lupine Lighting Systems: »Gefühlt alle, die mehr als 100 Follower haben und mal eine etwas anstrengendere Tour planen, wollen sofort unterstützt werden.« Julian Oswald, Marketing-Verantwortlicher bei Scott Sports, bestätigt das. »Wir bekommen ständig Anfragen. Auch viele, die wirklich nicht ernst zu nehmen sind. Beispielsweise über Instagram.« Dennoch sei das Thema spannend, betont er: »Für uns sind Content Creators mittlerweile fester Bestandteil in unserem Marketing-Portfolio«.
Waren es früher vor allem Leistungssportler, die um Unterstützung baten, ist es jetzt eine kunterbunte Schar aus allen möglichen Kosmen und Mikrosparten. Instagrammer, Youtuber, Blogger, Podcaster. »Influencer« lautet der übergeordnete Begriff für diese Menschen. Für die meisten ist es Hobby. Entsprechend groß ist die Leidenschaft, die in die Erstellung des Contents gelegt wird. »Jeder neue Abonnent löst einen kleinen Dopaminkick aus«, beschreibt es Nico Hübner, der sich auf Hausbesuche bei Kultmarken spezialisiert hat. Mehrere Stunden am Tag arbeitet er an seinen Beiträgen für Instagram und Youtube. »Content Creator«, steht in seiner Mail-Signatur. Sein Geld verdient er als Lehrer. Ganz anders ist es bei Gustav Gullholm, in den sozialen Medien besser bekannt unter dem Pseudonym »Dangerholm«. Gullholm schraubte schon als Jugendlicher mit fetischistischer Hingabe Custom-Bikes zusammen. Das Geld dafür verdiente er sich nach der Schule in einem Bikeshop. Heute ist der Schwede ein Internet-Star. Aus dem Hobby ist ein Fulltime-Business geworden. Firmen bezahlen, damit Dangerholm ihre Teile für seine Dream Builds verwendet. Tausende träumen von einer ähnlichen Karriere.
Es ist ein interessantes Phänomen. Kunden wollen plötzlich nicht mehr Kunden sein, sondern Marketing-Partner. Statt mit Euro wollen sie Ware mit Klicks bezahlen. Viele sind typische Selbstdarsteller. Andere nutzen die Möglichkeiten der neuen Medienwelt, um ihr Hobby zu finanzieren. Die digitale Technik macht es möglich. Ambitionierte Amateure können heute das, wofür früher eine Produktions-Crew nötig war. Ein Smartphone reicht aus. Plattformen wie Tiktok, Instagram, Facebook oder Youtube sind die Bühne. Millionen tummeln sich dort. Das überschwemmt die Marketing-Abteilungen mit Anfragen. Gleichzeitig eröffnet es Marken eine Fülle von Möglichkeiten, neue Zielgruppen zu erreichen. »Influencer Marketing« nennt sich das. Ein Win-Win-Konzept, wenn es richtig austariert ist. Doch wie geht das? Und was kostet es? Wir haben die wichtigsten Arten von Kooperationen zusammengetragen.

Nano-Influencer (1000 bis 5000 Follower)

Wer regelmäßig Interessantes aus seinem Leben postet, hat schnell 1000 Follower. Schon, weil die Algorithmen Quantität belohnen. Aber Achtung: Die Zahl der Follower gibt noch keinen Aufschluss über die Reichweite der Beiträge. Ein einziger erfolgreicher Clip in der Vergangenheit kann Hunderte dazu veranlasst haben, auf den »Folgen«-Button zu drücken. Was nicht heißt, dass sie auch weiterhin jeden Beitrag ansehen. Wer an einer Zusammenarbeit interessiert ist, sollte sich Screenshots der Insights vorlegen lassen. Nur diese zeigen die tatsächliche Performance. Nano-Influencer haben oft keine große Reichweite.

»Für uns sind Content Creators mittlerweile fester Bestand-teil in unserem Marketing-Portfolio.«

Julian Oswald, Scott Sports

Dennoch sind auch sie für bestimmte Kooperationen interessant. Etwa, wenn sie auf einen Themenbereich spezialisiert sind, der zum Produkt passt. Oder, im Fall von Shops, wenn der Influencer oder die Influencerin im lokalen Umfeld aktiv ist. Kooperationen auf dieser Ebene laufen meist auf Rabattbasis. Beim Kauf werden ein paar Prozent erlassen. Dafür postet der Influencer regelmäßig Beiträge, die für das Produkt oder den Shop werben. Der Effekt kann sofort spürbar sein. Das Posten vergrößert die eigene Reichweite, während das Reposten der verlinkten Beiträge den eigenen Kanal belebt. Besonders interessant sind Youtube-Videos, die für die Google-Suche optimiert sind. So entsteht nachhaltiger Content, ohne dass das Marketing-Budget strapaziert wird. Oft bekommen die Marken das Material auch noch zur eigenen Nutzung. Ein echter Benefit. Die Content-Qualität von Nano-Influencern ist zum Teil erstaunlich hoch.
Vorteil: Mehr Reichweite mit wenig Aufwand. Meist lose Kooperations-Absprachen ohne festgelegte Content-Menge.

Micro-Influencer (5000 bis 20.000 Follower)

Der Begriff Micro klingt verniedlichend. In diesen Bereich vorzustoßen, schaffen im Fahrradbereich aber nicht allzu viele. Es sind trotzdem mehr, als man vermuten würde. Radfahrer und -fahrerinnen mit mehr als 5000 Followern kommen meist aus dem Umfeld des Spitzensports, dem Abenteuer-Biken, dem Fitness-Bereich oder der Themenwelt mit dem Hashtag #bikeporn – der Edeltuning-Ecke. Die Akteure sind Profis im Umgang mit digitalen Medien. Sie kennen sich aus mit den Algorithmen, mit der Kunst des Postens und dem Verlinken von Kooperationspartnern. Gleichzeitig kostet die Zusammenarbeit zumeist wenig Geld. Das macht sie so interessant für die Marketing-Abteilungen. Faustformeln für Euro-Beträge gibt es auch hier nicht. Jede Kooperation ist individuell und frei verhandelbar. Die Bandbreite reicht von Preisrabatt bis hin zu Zahlungen im vierstelligen Bereich. Üblich sind auch Prämienmodelle, die sich nach der erzielten Reichweite richten. Erzielt ein Reel auf Instagram beispielsweise mehr als 30.000 Aufrufe, gibt es Geld. Das können 10 Euro oder auch deutlich mehr sein. Die Zusammenarbeit mit Influencern dieser Kategorie läuft auf Basis von festen Vereinbarungen. Beide Seiten definieren dabei ihren Part. Marken profitieren von mehr Reichweite, regelmäßigem Content und dem direkten Kontakt zur produktrelevanten Zielgruppe. Die Verkaufszahlen werden davon nicht automatisch in die Höhe schnellen. Aber es kann ein wichtiger Teil einer Marketing-Kampagne sein. Dass sich die Content Creators mit dem Produkt identifizieren, ist essenziell. Die Follower wollen keine Schleichwerbung, sondern authentischen Content.
Vorteil: Gut zu steuerndes, günstiges Marketingtool, das aber eine detailliert ausgearbeitete Vereinbarung erfordert.

Macro-Influencer (bis 1 Mio. Follower)

Wer mit den Follower-Kings and -Queens zusammenarbeiten möchte, braucht nicht nur das entsprechende Budget, sondern auch die personellen Ressourcen, um den Content in die eigenen Kanäle fließen zu lassen. Die Profis der Selbstvermarkung präsentieren ihre Kooperationspartner nicht nur in verlinkten Posts, sondern liefern regelmäßig komplette Foto- und Videopakete. Diese müssen auf der Website, den Social Media-Kanälen und in Newslettern sichtbar gemacht werden. Auch Pressemitteilungen gilt es zu verschicken. Nur so entfaltet die Kooperation ihre größtmögliche Wirkung. Das Ganze erfordert eine akribische Mediaplanung und Mitarbeiter, die sich drum kümmern. Ist das leistbar, kann sich das Investment richtig auszahlen. Hier geht es meist um Beträge im fünfstelligen Bereich. Die Kooperationen basieren üblicherweise auf Jahresverträgen, besonders bei Ausrüstung. In manchen Fällen können sie sich aber auch nur auf einzelne Projekte beziehen, wie es etwa bei Dream-Build-Aufbauten der Fall ist. Ein anderes Beispiel sind die sogenannten Revier-Checks, die Influencer gerne für Gratis-Übernachtungen plus »Taschengeld« auf Einladung von Tourismusregionen produzieren.
Auf der Skala der Reichweite-Kategorien gibt es noch die sogenannten Mega-Influencer (mehr als 1 Mio. Follower). Aber in diese Sphären schafft es kaum einer aus dem Fahrradkosmos. Stuntbiker Fabio Wibmer (2,6 Mio. Follower) und Radsportwunder Mathieu van der Poel (1,2 Mio. Follower) sind solche Megastars. Aber selbst der Schweizer Serien-Weltmeister Nino Schurter, der in der MTB-Szene wie ein Rockstar gefeiert wird, bringt es »nur« auf 741.000 Follower. Das ist verglichen mit den Abräumern der Celebrity-, Kosmetik- und Modewelt fast schon mickrig. Dennoch haben Kooperationen mit Partnern dieser Kategorie das Potenzial für enorme Werbe-Power.
Vorteil: Maximale Reichweite, guter Werbeeffekt und Premium-Content zur eigenen Nutzung. Die Mediaplanung und die Weiterverwertung des Contents erfordert aber eigene, personelle Ressourcen.
Die Möglichkeiten sind vielfältig, um die digitale Welt und ihre Protagonisten für das eigene Marketing zu nutzen. Es ist wie ein riesiger Baukasten. Schon die Zusammenarbeit mit Nano-Influencern kann sich positiv auszahlen. Das finanzielle Risiko ist gering, man braucht nur eine klare Strategie. Die Anfragen nach Kooperationen werden wohl eher weiter zunehmen als zurückgehen. Das ist nervig, aber nicht nur. Und für Anfragen mit zweieinhalb Worten gibt es ja die Löschtaste. //

17. Januar 2025 von Henri Lesewitz

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