Verschärfte Straßenverkehrsordnung
Opferschutz statt Raserschutz
Ein breites Bündnis von Umwelt- und Verkehrsverbänden fordert Verkehrsminister Scheuer und die Bundesländer auf, bei der Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO) keinen Schritt zurück zu machen. Es dürfe nur der Formfehler rechtssicher und verfassungsfest schnellstmöglich korrigiert werden – alle anderen Regeln müssten beibehalten werden. Dazu zählen Fahrverbote bei Tempoverstößen ab 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts, härtere Strafen bei Parkvergehen oder gefährlichen Überholmanövern. Dafür sprechen sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, der ökologische Verkehrsclub VCD, der Verbund Service und Fahrrad (VSF), Changing Cities, SichereStraßen.org und HannovAIR aus.
Alle diese Regeln dienen dazu, die schwächeren Verkehrsteilnehmer endlich besser zu schützen, seien es Kinder auf dem Schulweg, Fußgänger oder Radfahrer. Das ist angesichts von mehr als 3.000 Toten und fast 400.000 Verletzten auf deutschen Straßen auch zwingend notwendig. Die Verbände weisen darauf hin, dass in Nachbarländern wie der Schweiz vergleichbare Regelungen schon seit Jahren gelten und die Zahl der Opfer im Verhältnis viel geringer ist als in Deutschland.
Der neue, im April eingeführte Bußgeldkatalog der StVO wird wegen eines Formfehlers teils nicht angewendet. Verkehrsminister Scheuer hatte angekündigt, bei der nun notwendigen Nachbesserung insbesondere die Fahrverbote bei Tempoverstößen wieder zurücknehmen zu wollen.
„Es darf nicht sein, dass der Bundesverkehrsminister, sich durchsetzt und das einzige zarte Pflänzchen einer positiven Entwicklung im Verkehrsbereich gleich wieder zertritt. Solange der rasende und klimaschädliche Pkw das Straßenbild prägt und Menschen sich nicht sicher fühlen, steigen auch nicht genug auf Fahrrad und Fußverkehr um, damit eine Verkehrswende gelingt. Wir brauchen nicht schwächere Regeln, sondern dringend sogar noch viel schärfere, um Menschen, Umwelt und Klima endlich besser zu schützen“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
„Rasen ist kein Kavaliersdelikt, deshalb brauchen wir Strafen, die wirklich abschrecken. Die Änderung der Straßenverkehrsordnung hatte zum Ziel, unsere Straßen für Radfahrende und Fußgänger sicherer zu machen. Wer mit mehr als 50 km/h anstatt mit 30 km/m fährt, gefährdet vor allem ungeschützte Verkehrsteilnehmer, und das nicht nur vor Schulen und Kitas. Wir können nicht hinnehmen, dass der Verkehrsminister dem Druck der Autolobby nachgibt und ein vom Bundesrat beschlossenes Gesetz wieder abschwächt. Hier müssen die Länder standhaft bleiben“, sagt Kerstin Haarmann, VCD-Bundesvorsitzende.
„Das rücksichtslose und fahrlässige Verhalten auf unseren Straßen muss endlich ein Ende haben. Seit Jahrzehnten wird in Sachen überhöhter Geschwindigkeit an die Vernunft der Verkehrsteilnehmenden appelliert – mit geringem Erfolg. Nur drastische Strafen machen deutlich, dass der Gesetzgeber es wirklich ernst meint mit dem Schutz des Lebens. Dabei geht es auch um ein besseres und angstfreieres Klima auf unseren Straßen. Davon profitiert vor allem der Fuß- und Radverkehr“, so Albert Herresthal, Geschäftsführer VSF.
„Letzte Woche starben in Berlin vier ungeschützte Verkehrsteilnehmende. Ein trauriger Rekord. Die Hauptstadt ist Deutschlandmeisterin in Raserei, Tendenz steigend. Es ist nicht so, dass es keinen Grund gäbe, mehr für die Sicherheit im Straßenverkehr zu tun. Statt sich aber für die schnelle Korrektur des Formfehlers bei der Anpassung des Bußgeldkatalogs einzusetzen, versucht Scheuer die Situation zu missbrauchen und bereits erreichte Verbesserungen für die Verkehrssicherheit wieder zurückzudrehen“, erklärt Ragnhild Sørensen, Sprecherin von Changing Cities.
„Wer rast, bringt andere in tödliche Gefahr, besonders jene, die sich umweltfreundlich zu Fuß oder mit dem Rad bewegen. Das ist keine Bagatelle und gehört deutlich bestraft. Die Bundesländer müssen standhaft verhindern, dass Verkehrsminister Scheuer seinen Formfehler nutzt, um die überfällige Modernisierung der StVO zurückzudrehen“, sagt Benjamin Stephan, Verkehrsexperte von Greenpeace.
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