Report - Kundenbewertungen
Schlechte Bewertung, gute Reaktion
Sechs von zehn Onlinekäufern nutzen Online-Bewertungen zur Vorbereitung ihrer Kaufentscheidung, sagt eine Studie der amerikanischen e-tailing group. In Deutschland lassen sich laut W3B (Studie 32) gut ein Viertel der User kaufentscheidend von Bewertungen beeinflussen. Ein weiteres Viertel hört vor allem auf die Empfehlungen von Freunden.
Keine Frage, das System Online-Bewertungen hat hohe kommerzielle Relevanz. Das erzeugt Missbrauch, der sich entweder dahingehend äußert, dass Konkurrenten einen Mitbewerber bewusst schädigen oder Unternehmen versuchen – selbst oder via Agentur – das Bewertungsergebnis zu optimieren.
In der eBay-Landschaft, die mit dem Thema Bewertungen bereits auf lange Erfahrungen zurückblicken kann, hat sich inzwischen eine kuriose Technik etabliert. Da eBay jede Bewertung ungeachtet des Umsatzes gleich einordnet, gehen große Händler dazu über, kleine Artikel unter Einstandspreis zu verkaufen. Das sichert ihnen eine gute Bewertung seitens des Kunden. Der negative Deckungsbeitrag ist der Preis für die positive Bewertung und lässt sich errechnen. Der Berater und eBay-Beobachter Axel Gronen entdeckte Anfang 2011 die vermutlich ultimative Form dieser Technik. Das Angebot lautete: vier Briefmarken à 55 Cent zu verkaufen für einen Euro. Der Preis für jede gute Bewertung liegt also bei 1,20 Euro und außerdem richtet sich das Angebot an Jedermann, ungeachtet der Zusammensetzung des restlichen Sortiments.
Die richtige Reaktion
Doch jenseits missbräuchlicher Fälle stellt sich die Frage, wie man als Anbieter mit Online-Kritik umgeht. Reagiert man nicht, droht der Kundenverlust. Reagiert man immer, könnte man sich in Diskussionen mit Dauer-nörglern verstricken, den in der Branche so genannten Trollen. Diese erweisen sich als entschuldigungsresistent und jeder zusätzliche Kommentar kann dazu führen, dass auch ein älteres, negatives Urteil im Suchindex von Google immer wieder nach oben geschwemmt wird, weil Google die Aktivität im Umfeld bemerkt.
Zu beobachten ist das beim Fahrradhaus Amann aus Ravensburg. Vor sage und schreibe elf Jahren erntete der Händler eine harsche Kritik in einem Bewertungs-Forum. Bis heute rangiert dieser Kommentar auf Platz zwei bei einer Suche nach »Fahrradhaus Amann«. Selbst wenn ein aktueller Kunde einen positiven Kommentar hinterlassen würde, dürfte Wolfgang Amann sich nur bedingt darüber freuen. Auch das könnte Google als Qualitätsurteil für die erste Kritik bewerten.
Bei eBay hat eine negative Bewertung möglicherweise drastische Konsequenzen. Rutscht der Anteil positiver Bewertungen unter 96 Prozent, wird man von eBay eventuell vom Handel ausgeschlossen. Auch sachlich falsche Bewertungen können das bewirken. »Kleine Händler haben eigentlich keine Chance, eine Löschung durch eBay zu erwirken«, erklärt eBay-Beobachter Axel Gronen. Weil das so ist, gibt Gronen klare Empfehlungen für eine Reaktionsstrategie, wenn eine schlechte Bewertung droht oder bereits veröffentlicht wurde. Primäres Ziel ist die Vermeidung des negativen Eintrags. In der After-Sales-Kommunikation muss unbedingt der direkte Kontakt in den Vordergrund gehoben werden, sobald Probleme auftauchen.
Selbst wenn die negative Bewertung bereits erfolgt ist, kann der Direktkontakt noch erfolgreich wirken. Einer Studie der Uni Bonn zufolge waren 45 Prozent der eBay-Käufer willens, ihre Bewertung zurück zunehmen, sobald sich der Händler bei Ihnen entschuldigte. »Einen Streit verlierst Du als Händler immer. Es wird immer zuerst entschuldigt«, empfiehlt Axel Gronen. Die Entschuldigung muss freilich nicht unbedingt einen Gutschein nach sich ziehen. Die oben genannte Studie der Uni Bonn kommt aber zum Schluss, dass etwa 20 Prozent der Käufer auf einen 2,50-Euro-Gutschein und 23 Prozent auf einen 5-Euro-Gutschein reagierten. Dennoch empfiehlt Axel Gronen, dass die Kulanzgutscheine auf Abruf vorgehalten werden. »Man sollte sich vorher Gedanken machen, was die Vermeidung einer negativen Bewertung wert ist.«
Neben den eBay-Händlern sieht sich vor allem auch die Tourismusbranche hohem Druck durch die Bewertungssysteme ausgeliefert. Der vornehme britische Telegraph titelte Anfang Dezember »Die Angst der Hotels vor Bewertungserpressung«. Einen Pyrrhussieg in Sachen Kulanz erzielte zum Beispiel das Fairmont-Hotel in San Francisco. Dort verkaufte man den lebenslangen VIP-Status für 2000 Dollar. Ein Status, der zu diversen Freiübernachtungen und Upgrades berechtigt. In etwa einem Jahr hätte der regelmäßige Besucher die Kosten wieder eingespielt. Fairmont löschte das Angebot, bekannte sich aber zu den 117 verkauften Einheiten. Im Grunde die richtige Strategie. Nur nutzten verärgerte Kunden die Plattform zur Generalabrechnung mit dem Loyalty-Programm. »Von wegen VIP, da wird jeder Gast von der Straße besser behandelt«, so ein Foreneintrag.
Nicht immer und überall antworten
Für Marco Nussbaum, Geschäftsführer des Bremer Prizeotel, ist die Situation zwiegespalten. Selbstheilungskräfte, bei denen zufriedene Kunden einem Anbieter zur Seite springen und einen Nörgler in die Schranken weisen, gibt es, wenn die Community auf der jeweiligen Plattform stark ist. Für Nussbaum und sein Hotel ist das auf Qype der Fall, auf anderen Plattformen hingegen nicht. Grundsätzlich vermeiden würde Nussbaum Diskussionen auf Plattformen wie Zoover, die er vor allem vor Google nicht stark machen will.
Nussbaum übernimmt Problemfälle sofort in seinen Blog und arbeitet sie dort detailliert auf. Er nutzt die Kritik auch zur Aufklärung neuer Kunden. Mitunter entsteht eine Kritik ja auch nur deshalb, weil ein Gast mit falschen Erwartungen angereist ist. Um den Kritiken ein Gegengewicht zu bieten, fordert er die Gäste überall auf, Bewertungen abzugeben und verlost unter den Bewertern sogar iPods.
Das Prinzip lässt sich leicht auf die Radbranche übertragen. Der Wuppertaler Direktanbieter KS-Cycling antwortete auf eine kritische eBay-Bewertung, bei der bemängelt wurde, man habe die Montageanleitung vergessen, mit dem Hinweis, dass diese mitsamt Video per eMail zugestellt wurde. Sucht ein potentieller Neukunde gezielt nach den schlechten Bewertungen, um sich ein Bild vom Anbieter zu verschaffen, wird er dies lesen und vermutlich ein sehr positives Bild vom Anbieter mitnehmen. Außerdem lernt KS-Cycling die Probleme seiner Kunden kennen und kann gezielt darauf eingehen. Vielleicht wäre es eine kluge Strategie, eine solche Kritik sogar in den Artikeltext oder auf die eigene Webseite zu spiegeln, wenn sich solche (ungerechtfertigten) Beschwerden häufen.
Definitiv die falsche Reaktion ist das Anschwärzen oder gar Beleidigen der Kunden, die sich beschwert haben. Das Handelshaus T&Y Trade aus Gelsenkirchen warnt andere Verkäufer vor der unzufriedenen Kundin (Lieferschaden). Diese hat selbst 100%-positive Bewertungen und ist somit vermutlich alles, nur kein Troll.
Auch im Onlinehandel ist also Platz für eine Differenzierung über Service. Wer Online-Kritik ernst nimmt und analysiert kann durch schnelle Reaktion vermutlich Schäden vom Offlinegeschäft und der Marke selbst fernhalten. Der Reklamations-gestählte Tourismus kann hier Vorbild sein. Nina Meyer von L´Tur etwa prüft zunächst, ob eine Kritik berechtigt ist, in dem sie in anderen Reiseforen nachschaut, ob dort ähnliche Kritiken vorliegen. Im nächsten Schritt wird der Reiseagent vor Ort befragt, ob ihm Mängel an einem Haus bekannt sind. Auch frühere Reklamationen zieht sie zurate. »Wir haben ein sehr differenziertes internes Controlling und können bei den einzelnen Hotels genaue Reklamationsquoten nachweisen«, so Meyer. Jenseits der rechtlich festgeschriebenen Tourismus-Kompensationen aus der Frankfurter Liste hält Nina Meyer immer einen 50-Euro-Gutschein in der Hinterhand.
Obwohl sie es noch nie erlebt hat, ist Nina Meyer auch auf den Fall vorbereitet, dass sich ein Nutzer partout nicht besänftigen lässt. »Irgendwann muss man erklären, dass ein Fall erledigt ist und dann auch nicht mehr reagieren.« Thomas Kleber, Direktor des Hotels Kameha Grand in Bonn, veröffentlichte eine Kurzzusammenfassung des gesamten Dialogs mit einem kritischen Gast, der offensichtlich keine Ruhe geben wollte. Mit Sätzen wie: »Weiter hatten wir beide auch einen durchaus freundlichen und umfangreichen E-Mail Verkehr«, stellte der Hotelier klar, dass der Gast im Netz bewusst nur einen Teil der Kommunikation, nämlich seine Kritik, veröffentlicht hatte, um die Stimmung anzuheizen.
Community-Expertin Carolin Chen gibt in einem lesenswerten Blogbeitrag (siehe Links) ein paar gute Tipps zum Umgang mit Trollen. Einer lautet, man solle das Rückgrat durchdrücken. Chen formuliert: »Lass den Troll nicht Deine Tränen sehen, davon ernährt er sich.«
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