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Mit leichten Kinderrädern feiert Woom gerade eine Erfolgsgeschichte.
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Portrait - Woom

…und es hat Woom gemacht

Wie alle guten Unternehmensgeschichten beginnt auch die von Woom in einer Garage. 2013 fanden sich dort der Wiener Industrie-Designer Christian Bezdeka und der deutsche Marketing-Experte Marcus Ihlenfeld zusammen, um ihre ersten Kinderfahrräder zusammenzuschrauben. Kaum sechs Jahre später ist daraus ein Unternehmen geworden, das den Markt aufmischt.

Die eigentliche Unternehmensgeschichte beginnt bereits 2010, als sich die Woom-Gründer in Wien zum ersten Mal begegneten. Bezdeka berichtete dem neuen Bekannten von seiner Idee, eigene Kinderräder zu bauen. Sein Sohn war gerade in einem Alter, in dem Fahrradfahren lernen auf der Agenda stand, doch die im Handel angebotenen Kinderräder überzeugten ihn nicht. Ihlenfeld war von dem Projekt sofort begeistert, so dass schnell der Entschluss feststand, dieses Abenteuer gemeinsam zu wagen. Vor dem aktuellen, steilen Wachstum standen aber erst einmal Jahre des Planens, Probierens und Hindernisse-aus-dem-Weg-Räumens.

Nach zähem Start...

Zuerst einmal arbeiteten die beiden in der Garage von Ihlenfeld am Produkt. Abends, nach ihrer regulären Arbeit (Ihlenfeld als Manager im Marketing und Vertrieb bei Opel und Bezdeka als Designer für große Industriekunden) schmiedeten sie Pläne und stellten die Weichen für ihr Projekt, das zwar intensiv bearbeitet wurde, zunächst aber nur langsam vorankam. Zwar hatte Bezdeka, der bereits für Hersteller aus der Fahrradwelt gearbeitet hatte, ein tiefes Verständnis für die Anforderungen des Produkts, doch die nötigen Kontakte mussten sie trotzdem erst knüpfen. So entwarf er den ersten Rahmen, der bereits das typische Woom-Design aufwies, doch keine Fabrik wollte für die Neueinsteiger in der Branche die Rahmen fertigen. »Wir haben uns eine Absage nach der anderen eingefangen«, erinnert sich Ihlenfeld. Mit Müh und Not konnte man schließlich einen tschechischen Hersteller überzeugen, ihnen eine Chance zu geben. Bei den Komponenten sah das Bild zunächst nicht besser aus. An den ersten Bikes verbaute Woom noch überwiegend Serienteile und war froh, dass man als Kleinsthersteller überhaupt beliefert wurde.
Im März 2013 kam der erste Container mit den eigenen Rahmen für Kinderräder an. Die beiden machten sich ans Werk und schraubten fünf Räder zusammen, die sie zwei Tage später auf einer lokalen Fahrradshow ausstellten. Abends hatten sie zehn Bestellungen in der Hand, die über Nacht aufgebaut und am nächsten Morgen von den Gründern persönlich ausgeliefert wurden. Die persönliche Auslieferung in Wien gehörte noch einige Zeit zur täglichen Routine von Ihlenfeld vor seinem Arbeitstag bei Opel.
Bis hierhin liest sich die Reise der beiden wie eine typische Gründer-Story: Woom verkaufte im ersten Jahr 500 Räder und wurde in Wien und Umgebung bekannt als das sympathische Start-Up, das Kinderräder aus der Garage verkauft. Mit diesem bescheidenen Erfolg hätten sie weitermachen können. Doch die beiden hatten Größeres im Sinn. Und an dieser Stelle beginnt die außergewöhnliche Erfolgsgeschichte von Woom erst so richtig.

...kommt der Turbo-Modus

Nach mehreren Umzügen sitzt Woom nun in Klosterneuburg im Norden von Wien. Aktuell fast 100 Mitarbeiter kümmern sich um das rasch wachsende Geschäft, das auf drei wesentlichen Säulen ruht. Die Hälfte der Verkäufe werden über das Händlernetz in Europa erzielt. Ein weiteres Viertel der Verkäufe kommt über das internationale Business mit verschiedenen Distributeuren herein. Aktuell ist Woom in über 30 Ländern vertreten. Das ambitionierte Ziel lautet, binnen Fünfjahresfrist auf 100 Länder zu steigern. Das letzte Viertel des Geschäfts trägt der eigene Onlineshop bei, der damit ein überdurchschnittlich wichtiges Standbein ist.
Die letzten fünf Jahre verliefen für die Österreicher damit im Turbo-Modus. Wenn man sich mit dem Team unterhält, dann klingt es, als ob an Produkt und im Marketing so gut wie keine Chance ungenutzt bliebe. Die Reihe der Maßnahmen erweckt den Eindruck, man habe es mit einem Best-Practice-Case für die Fahrradbranche zu tun.

Upcycling mit vielfältigen Nebeneffekten

Eine spannende Idee hat Woom mit dem Upcycling in der Kinderradwelt umgesetzt. Im Kern funktioniert der Ablauf so: Wer sein altes Woom-Bike zurückgibt, um das nächstgrößere Modell zu kaufen, erhält 40 % vom Kaufpreis des alten Rades zurückerstattet.
Während der Rückkaufpreis heute eher niedrig erscheint, waren die 40 % für die Gründer zu Beginn ein ziemliches Wagnis. »Wir haben das sehr konservativ kalkuliert, weil wir Angst hatten, wir könnten hunderte Räder zurückbekommen, die wir ja auch bezahlen müssen«, berichtet Ihlenfeld »Dazu braucht man zusätzliches Personal, um die Upcycling-Räder anzunehmen, aufzubereiten und weiterzuverkaufen. Das ist schon sehr aufwendig.«
Die Marketing-Idee hat insgesamt aber bemerkenswert positive Auswirkungen auf die Marke. Zunächst einmal bindet es die Kunden an Woom, da sie ihre Kinderräder stets mit einem Rabatt erhalten können. Dazu kommt der Wiederverkaufswert für Woom selbst. Die zurücklaufenden Räder werden refurbished und anschließend von Woom als Gebrauchtrad wieder verkauft. Als solche erzielen sie aktuell bemerkenswerte Preise. Im perfekten Zustand erzielt ein upgecycletes Woom 2 noch 270 Euro (bei 300 Euro Neupreis), die meisten gehen für etwa 250 Euro wieder an das nächste Kind. Bei der Frage, welchen Preis ein von einem kleinen Bike-Rabauken richtig ramponiertes Kinderrad noch erzielt, wissen die Kollegen in der Abteilung keine Antwort. »Wir hatten so einen Fall noch nie. Wenn wirklich mal etwas zurückkäme, was nicht mehr zu gebrauchen ist, dann würden wir es in die Presse hauen. Aber das ist meiner Erinnerung nach noch nie passiert«, erklärt Ihlenfeld. Tatsächlich kommen die meisten Räder in sehr gutem Zustand zurück.
Inzwischen ist der finanzielle Druck aus dem Upcycling raus. »Wir machen es gerne und es darf gerne noch mehr sein.« Doch gerade einmal 10 % der Kunden nutzten das Upcycling. »Bei den anderen ist das Rad meist schon im privaten Kreis weiterverkauft. Und da werden dann ganz andere Preise erzielt. Wenn man die Wahl hat, es für 120 Euro an uns zu senden oder für 250 Euro an den Nachbarn oder einen Freund zu verkaufen, dann verkauft man es natürlich an den Nachbarn.« Tatsächlich hilft das Upcycling indirekt, die Wiederverkaufspreise hochzuhalten. »Es hilft uns, die Preise stabil zu halten. Viele Leute wissen nicht, was für einen Wiederverkaufswert die Räder haben oder befassen sich nicht damit.«
Der erwähnte finanzielle Druck war beim Aufstieg von Woom die größte Sorge der beiden Gründer. »Die Finanzierung unserer Modelle war definitiv eine große Challenge für uns. Wir haben jetzt einen guten Partner, aber bis dahin war es extrem mühsam«, erinnert sich Ihlenfeld. »Am Anfang hat man die Investitionsphase, in der man nicht profitabel ist. Jeder der sich sagt, dass er nach zwei Jahren profitabel sein wird, macht sich etwas vor. Das ist ein extrem kapitalintensives Business. Das Ganze finanziell zu stemmen, war die weitaus größte Herausforderung für uns bisher.«
Das eingesetzte Kapital wurde zu einem wesentlichen Teil in die Entwicklung der Produkte gesteckt, was sich heute an hochgradig eigenständigen Lösungen zeigt.

Auf der Suche nach perfekter Ergonomie

Nachdem sich die ersten lokalen Erfolge einstellten, ging das Woom-Team dazu über, seinen eigentlichen Plan umzusetzen: Man wollte nur noch perfekt auf Kinder zugeschnittene Komponenten verbauen. Die verfügbaren Serienkomponenten entsprachen oft nicht dieser Anforderung oder den Vorstellungen von Woom. Eigene Komponenten mussten entworfen werden, was nur im Gleichschritt mit dem eigenen Wachstum möglich war. »Durch die Stückzahlen werden die Entwicklungen erst finanzierbar«, sagt Ihlenfeld. »Ein wesentlicher Zweck der Anpassungen ist die Gewichtsreduzierung.« Und dabei blieb so gut wie keine Komponente unberührt. Basis aller Modifikationen war und ist die umfassende Auseinandersetzung mit der Anatomie von Kindern verschiedener Alter. Ob Pedale, Lenkerdurchmesser und Griffe oder die Fahrradgeometrie, alles wird unter die Lupe genommen und optimiert. Heute nutzt man für Woom-Räder vier verschiedene Kurbellängen. Auch der Sattel ist auf die Anatomie des Kindes angepasst. Die Liebe zum Detail wurde von den Kunden schnell wahrgenommen und äußert sich nicht zuletzt in einem deutlich niedrigeren Gewicht als bei den meisten Mitbewerbern. Aktuell sind 95 Prozent der verbauten Teile selbst entwickelt.
Das Zubehör ist für Woom ebenfalls sehr wichtig. Immerhin bestellen die Online-Kunden im Schnitt drei Zubehörartikel zusätzlich zu ihrem Rad. Entsprechend viel Aufmerksamkeit erfährt dieser Bereich. Matthias Gürtner ist einer der ersten Mitarbeiter von Woom und heute der verantwortliche Chefdesigner. Sein erstes Projekt war der Woom-Helm, der bis zur Vollendung zwei Jahre Entwicklungszeit benötigte. Er erklärt, welches Füllhorn an Möglichkeiten genutzt wird, um immer besser zu werden. »Wir machen Kundenbefragungen, um möglichst viele Informationen zu bekommen.« In der Entwicklungsphase wird dann umfassend getestet und per 3D-Druck immer wieder das Modell geprüft. Neben der Funktion achte man zudem auf eine wiedererkennbare Design-Sprache. Der Knick im Oberrohr sowie die Farbgebung mit zwei Kontrastfarben zwischen Hauptrahmen und Hinterbau mit Gabel sorgt dafür, dass Woom-Bikes schon von weitem als solche erkennbar sind. Die Modellpflege unterscheidet sich trotz der regelmäßigen Weiterentwicklung dennoch von vielen anderen Fahrradherstellern. »Wir haben so gut wie keine Modelljahre«, erklärt Ihlenfeld. »Wir machen zwar durchaus Modelljahr-Updates, aber nicht jedes Jahr. Das heißt, wir haben ganz selten alte Ware. Das ist ein Riesenvorteil.«
Woom will weiterhin ausschließlich auf Kinderräder setzen. »Wir machen nur Kinderräder und kinderrelevante Produkte. Wir werden immer ein Nischenhersteller sein«, auch wenn die Nische als solche relativ groß ist. »Wenn man die Entscheidung trifft, dass man bei Kinderrädern bleibt, dann tut man sich selbst einen Gefallen, weil man sich strategisch viel fokussierter ausrichten kann. Wir haben tausend Ideen am Tag, aber am Schluss kommen wir doch immer auf unser Brot-und-Butter-Geschäft zurück.«
Im Jahr 2018 hat Woom bereits 80.000 Kinderräder verkauft, die Dynamik der Entwicklung ist nach wie vor in vollem Gange. Die nun aufgebauten Ressourcen wollen die Österreicher für immer bessere Produkte und die weitere Geschäftsentwicklung verwenden. Eine große Neuheit wollen die Klosterneuburger schon in Kürze auf der anstehenden Eurobike vorstellen: ein Kinderrad mit E-Antrieb. Bei Woom ist man sich nicht sicher, wie die Resonanz ausfallen wird. »Wir haben die Nachfrage, aber wie groß das wird, das werden wir herausfinden«, sagt Woom-Gründer Ihlenfeld. Es ist eine weitere Chance, die man ergreifen will. »Es geht immer weiter«, sagt er zu den nächsten Schritten, »jetzt geht es erst richtig los.«

5. August 2019 von Daniel Hrkac
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