Interview - Antje von Dewitz
"Unser grünes Blut kommt durch den Outdoor-Bezug"
{b}velobiz.de: Antje, du hast 2009 die Leitung des Unternehmens übernommen, das bereits 1974 von deinem Vater gegründet wurde. Wie schwierig war es, in ein Unternehmen einzusteigen, das über einen so langen Zeitraum von einer Führungsperson geprägt wurde?{/b}
Antje von Dewitz: Es ist nicht einfach, ein Unternehmen zu übernehmen, dessen Strukturen und Prozesse auf den Gründer ausgerichtet sind. Das ist bestimmt in den meisten inhabergeführten Unternehmen so. Für mich war es vielleicht ein bisschen einfacher, weil ich mit Vaude aufgewachsen bin. Dennoch musste auch ich erst mal erkennen, welche Prozesse auf meinen Vater zugeschnitten waren und nach und nach umgestaltet werden mussten. Das war eine Aufgabe, die ich alleine nicht bewältigen konnte. Deshalb habe ich von Anfang an einen Kreis von starken Führungskräften im Unternehmen aufgebaut und zwei Kollegen mit in die Geschäftsleitung genommen.
{b}velobiz.de: War es für dich schon relativ früh klar, dass du ins elterliche Unternehmen einsteigen wirst?{/b}
Antje von Dewitz: Nein, überhaupt nicht. Ich fand es durchaus interessant, was so bei Vaude passiert. Als ich noch in der Schule war, konnte ich mir jedoch nicht vorstellen, Wirtschaft zu studieren. Das waren für mich die Nerds und die Männer in Anzug und Krawatte. Obwohl ich öfter bei Vaude gejobt habe, hatte ich auch keine Vorstellung davon, was es heißt, ein Unternehmen zu führen. Ich wusste schon früh, dass ich einen starken Gestaltungswillen habe und Dinge bewegen möchte. Aber ich habe eher gedacht, dass ich den bei den Medien oder einer NGO (NGO: Non-Govermental-Organisation, Überbegriff für Gruppen wie Greenpeace, WWF etc.) ausleben würde. Mein letztes Praktikum während des Studiums habe ich dann aber doch bei Vaude gemacht, wo ich die neue Abteilung Packs n‘ Bags aufbauen konnte. Da ist mit bewusst geworden, dass ein Unternehmen viele Möglichkeiten bietet, um etwas positiv zu bewegen.
{b}velobiz.de: Weil du die Dinge ohne Umwege bewegen kannst?{/b}
Antje von Dewitz: Ja, genau. Ich hatte zum Beispiel auch ein Praktikum im Büro für europäische Umweltpolitik gemacht. Da fiel mir auf, wie trocken diese Art von Arbeit sein kann und auch, dass mir dort der Kontakt zu Menschen abgeht.
{b}velobiz.de: Wir haben vorher über die Prägung deines Vaters bei Vaude gesprochen. Welche Prägung hat denn das Unternehmen bisher durch dich erfahren?{/b}
Antje von Dewitz: Ich denke, das ergibt sich auch durch die Rolle, die ich habe. Ich habe nicht die 35 Jahre Erfahrung des Gründers des Unternehmens und kann nicht dessen Führungsstil fortsetzen. Von Anfang an war mein Erfolg deshalb davon abhängig, dass ich ein starkes Team habe und dass wir eine Struktur einführen, die viel Mitverantwortung der Mitarbeiter ermöglicht. Wir hatten zwar auch schon in der Ära meines Vaters eine starke Vertrauenskultur bei Vaude, aber jetzt ist das Unternehmen noch sehr viel mehr von dieser Kultur geprägt. Die erste und zweite Führungsebene im Unternehmen hat wirklich sehr viel zusätzliche Verantwortung in den letzten Jahren übernommen.
{b}velobiz.de: Es ist ja auch eine typische Situation bei gründergeführten Unternehmen, dass Entscheidungsprozesse sehr stark von der Führungsperson abhängen.{/b}
Antje von Dewitz: Das traf auch für Vaude zu. Viele Entscheidungen liefen über den Schreibtisch meines Vaters. Das ist auch eine ganz normale Situation in Unternehmen, die über Jahre mit derselben Führungsperson organisch gewachsen sind. Diese Verantwortung konnte ich alleine nicht abbilden. Um so jemanden abzulösen, braucht es mehrere Personen. Und diese Struktur passt nicht mehr in eine Zeit, in der Mitarbeiter mehr Selbstverwirklichung und Verantwortung im Job wollen. Und es passt nicht zum Wachstum von Vaude und der Komplexität, die unser Unternehmen dadurch erhält.
{b}velobiz.de: Wenn man zu euch nach Tettnang fährt, hat man den Eindruck, dass die Welt hier noch besonders heil ist. Gleichzeitig ist für Vaude die Bewahrung der Natur ein zentrales Thema. Gibt es da einen Zusammenhang?{/b}
Antje von Dewitz: Ich glaube, diese Einstellung kommt mehr noch aus unseren Produktthemen, also Outdoor, Biken und Reisen. Wir ziehen dadurch auch Menschen als Mitarbeiter an, die gerne draußen in der Welt unterwegs sind. Wenn du dich mit der Natur beschäftigst, willst du sie auch bewahren, egal ob in Oberschwaben oder in Tansania. Diesen Antrieb hatte das Unternehmen auch schon, bevor ich eingestiegen bin. Unser grünes Blut kommt durch den Outdoor-Bezug.
{b}velobiz.de: Ist es dennoch manchmal auch ein mühsamer Prozess, das Unternehmen immer wieder auf seine Nachhaltigkeit abzuklopfen? Oder anders ausgedrückt: Wie groß ist die Versuchung, auch mal einen einfachen Weg zu gehen?{/b}
Antje von Dewitz: Unser Weg mit dem Ziel, das ökologischste Unternehmen der Outdoor-Branche zu werden, ist definitiv anstrengend. Die Diskussion darüber, ob wir einen weiteren Schritt in diese Richtung gehen können, ist etwas, womit wir uns fast tagtäglich beschäftigen. Das sind vor allem auch Budget-Fragen. Die Preise für nachhaltige Materialien sind höher, gleichzeitig lassen sich diese höheren Preise aber nicht eins zu eins beim Endkunden durchsetzen. Das ist oft mühsam. Wir würden das nicht durchhalten, wenn das nicht auch ein innerer Antrieb wäre. Das Bewusstsein, dass die Erde auf eine Klimakatastrophe zusteuert und dass unser Wirtschaftsmodell neu überdacht werden muss, verbindet uns alle hier.
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