6 Minuten Lesedauer
Verkauf über Amazon beschäftigt die Gerichte
i

Recht - Verkauf über Amazon

Verkauf über Amazon beschäftigt die Gerichte

An Amazon als wichtigem Vertriebskanal kommt heute kaum mehr eine Branche vorbei. Da verwundert es nicht, dass Fragen rund um die Zulässigkeit bestimmter Vertriebspraktiken im Zusammenhang mit Amazon regelmäßig auch Behörden und Gerichte beschäftigen. So kann sich die Frage stellen, inwieweit Amazon den Namen oder die Marke eines Herstellers verwenden darf. Umgekehrt kann für Hersteller relevant werden, welche Vorgaben diese ihren Händlern beim Vertrieb über Amazon machen dürfen. Die Rechtsan-wälte Dr. Daisy Walzel und Nico Czajkowski von DWF Germany erläutern die Hintergründe und die rechtlichen Leitplanken.

Amazon ist für viele im Fachhandel tätige Unternehmen eine zunehmend wichtige Vertriebsplattform. Sie wissen: Verbraucher nutzen Amazon, weil sie dort viele übliche Markenartikel finden werden. Hersteller und Händler wiederum nutzen Amazon, weil sie die berechtigte Erwartung haben, dass viele Verbraucher Amazon aufsuchen; der Ökonom spricht von sogenannten Netzwerkeffekten.

Praktiken der Lieferanten und Hersteller

In manchen Fällen wollen Lieferanten jedoch den Vertrieb über Amazon bewusst begrenzen oder sogar ganz verhindern. Dies trifft insbesondere auf Hersteller hochwertiger Marken- und Luxusartikel zu. Hier gibt es nicht selten die Sorge, dass ein (zu extensiver) Vertrieb ihrer Produkte über Amazon dem Markenimage des Produkts nachhaltig schaden kann. Mitunter spielen auch die als zu niedrig empfundenen Verkaufspreise der Händler eine Rolle – ein Aspekt, auf den Hersteller allerdings aus kartellrechtlichen Gründen nicht einwirken dürfen, ohne beträchtliche Bußgelder zu riskieren.
Manche Lieferanten untersagen ihren Händlern offen diesen sogenannten Plattformvertrieb. Oder sie stellen hierfür faktisch so große Hürden auf, dass Händler vertragsbrüchig würden, wollten sie den Herstellervorgaben genügen.
Solche Verhaltensweisen haben jüngst wiederholt Kartellbehörden und auch die deutschen Gerichte beschäftigt. Die Meinungen hierzu gingen diametral auseinander: Während das Bundeskartellamt (BKartA) diese sogenannten Plattformverbote von Herstellern gegenüber ihren Händlern beispielsweise sehr kritisch sah (wie zum Beispiel jüngst im Fall Adidas), hielt die europäische Kommission diese in ihrer Sektoruntersuchung zum E-Commerce unter bestimmten Voraussetzungen für durchaus zulässig.
Mit der sogenannten Coty-Entscheidung hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH, Rs. C-230/16 – Coty), also das höchste Gericht in Europa, erstmals im Dezember 2017 zur Zulässigkeit von Plattformbeschränkungen geäußert. Im Kern ging es hier darum, ob Hersteller ihren Vertriebspartnern im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems untersagen dürfen, die Vertragsprodukte auf Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay zu vertreiben. Das Urteil hat die entsprechenden Rechte der Hersteller gestärkt. Denn im Kern hat das Gericht festgestellt, dass Anbieter von Luxusartikeln den Vertrieb über Amazon untersagen dürfen. Wichtig ist hierbei aber, dass es den Händlern weiterhin grundsätzlich möglich bleibt, im Internet zu vertreiben, etwa über eine eigene Internetseite. Das Urteil hat aber auch viele weitere rechtliche Fragen aufgeworfen. Insbesondere scheint es (jedenfalls nach einer Lesart) lediglich für Luxusartikel zu gelten.
Bereits vor einigen Jahren hat das Bundeskartellamt zudem entschieden, dass ein Hersteller im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems seinen Händlern den Vertrieb über Amazon Marketplace dann nicht verbieten darf, wenn der betreffende Lieferant bereits selbst an Amazon liefert. Dies leuchtet ein, denn der Hersteller würde sich in diesem Fall widersprüchlich verhalten: Er kann sich nicht einerseits auf das besondere Luxus-Image der Ware berufen, das einem Vertrieb über Amazon im Wege steht, dann aber selbst Amazon beliefern und sich die Vorteile dieses Vertriebskanals zunutze machen (BKartA, B7-1/13-35 – Sennheiser).

Praktiken der Verkaufsplattformen

Als für viele Lieferanten zentrale Vermarktungsplattform stehen die Vertriebspraktiken von Amazon aber nicht selten auch selbst auf dem rechtlichen Prüfstand.
Bereits im Jahr 2013 hat Amazon nach Ermittlungen des Bundeskartellamts von Vertragsklauseln abgesehen, mit denen sich Händler oder Lieferanten verpflichten, dort Tiefstpreise anzubieten. Die zwischenzeitlich gestrichene Bestpreis-Klausel untersagte Händlern, Produkte an anderer Stelle im Internet günstiger zu verkaufen (BKartA, B6-46/12 – Amazon Preisparität).
Vor einigen Monaten hat ein Mitarbeiter des Bundeskartellamts nun zudem darauf hingewiesen, dass man die Verknüpfung der Funktionen von Amazon als Marktplatz und als Händler kartellrechtlich kritisch sehe und näher betrachten wolle. Auf dem Prüfstand steht hier insbesondere das Thema Informationsaustausch: Als Marktplatzbetreiber hat Amazon unter Umständen Einblicke in die Preisgestaltung, die das Unternehmen (gegebenenfalls in unzulässiger Weise) auch als Händler nutzen kann. Hier wird die Rechtsentwicklung weiter zu beobachten sein.
Eine vor wenigen Wochen ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) betraf dagegen eine etwas andere Frage: Manche Markenartikelhersteller (in diesem Fall Ortlieb) wollen ihre Produkte nicht über Amazon vertreiben. Der BGH hatte nun darüber zu entscheiden, ob Amazon (dennoch) eine Marke wie Ortlieb im Rahmen ihrer Suchfunktion verwenden darf, obgleich die Produkte dieser Marke insgesamt nicht über Amazon vertrieben werden (BGH, Urt. v. 15.2.2018 – I ZR 138/16). Aus Sicht des Markeninhabers verwendete Amazon seine Marke in unzulässiger Weise, um so auf Konkurrenzprodukte aufmerksam zu machen. Gebe man »Ortlieb« bei Amazon ein, würden beispielsweise Fahrradtaschen anderer Hersteller genannt. Für den BGH war hier entscheidend, ob Produkte, die infolge der Produktsuche in der Ergebnisliste aufgeführt wurden, solche waren, bei denen nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob diese von dem Markeninhaber stammen. Da hierzu noch keine Feststellungen getroffen waren, verwies der BGH die Sache zur Aufarbeitung an das Oberlandesgericht München zurück.
Auch der Vertrieb über Amazon-Marketplace kann aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Plattform – jedenfalls für den Händler – negative Folgen haben. Um eine Ware über Amazon Marketplace anzubieten, gibt der erste Anbieter eines Produkts, welches im Marketplace bis dahin noch nicht gelistet war, seine Produktinformationen (etwa Produktnamen, Hersteller, Marke) in eine von Amazon bereitgestellte Maske ein, die dann als digitale Katalogseite für Kaufinteressenten mit einem Foto des Produkts abrufbar ist. Händler, die anschließend das gleiche Produkt bei Amazon-Marketplace zum Verkauf anbieten möchten, werden regelmäßig auf der bereits erstellten Katalogseite des ersten Anbieters gelistet. Dabei können die neuen Verkäufer die von dem »ersten« Verkäufer eingegebene Produktbeschreibung ohne Zustimmung oder Einflussmöglichkeit des ursprünglichen Erstellers nachträglich uneingeschränkt ändern (BGH, Urt. v. 3.3.2016 – I ZR 140/14). Auf diese Weise ermöglicht Amazon Dritt-Anbietern die Einflussnahme auf die Produktbezeichnung eines Verkäufers. Händler, die ihre Produkte auf Amazon Marketplace anbieten, trifft demnach eine Überwachungs- und Prüfpflicht bezüglich möglicher Veränderungen der Produktbeschreibungen ihrer Angebote.

2. Juli 2018 von Dr. Daisy Walzel
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login