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Porträt - Fahrwerker

Vollgas mit Bremsen

Fahrwerker ist ein junges Unternehmen, das sich auf Fahrradbremsen konzentriert. Insbesondere im Lastenradsegment haben sich die Schwaben schnell etabliert. Doch die Pläne für die Zukunft reichen noch weiter.

Treibende Kraft hinter Fahrwerker ist Gründer und Geschäftsführer Jochen Coconcelli. Seine anpackende Art lässt schnell erkennen, dass sich hier ein Unternehmer in der Branche etabliert, der Ambitionen hat und gerade in seine Rolle hineinwächst. Im Jahr 2020 gründete er sein Unternehmen – vier Wochen vor dem Lockdown. »Das war doch ein bisschen schwierig im Gründungsjahr. Im Nachhinein hat es aber geholfen, sich zu sortieren.« Die Grundidee war eigentlich, eine Firma im Bereich Beratung und Dienstleistung aufzubauen. Sie sollte spezifisch bei der Entwicklung im Fahrzeugbau im Fahrradbereich helfen, weil er einerseits sah, dass in der Branche in diesem Bereich noch professioneller gearbeitet werden könnte und er andererseits durch seinen beruflichen Background gerade dort etwas zu bieten hatte. Zu diesem Background gehört etwa seine zehnjährige Arbeit bei Magura, wo er als Produktentwickler anfing und dann schnell in die Projektleitung wechselte. Zuletzt leitete er dort die Produktentwicklung für Fahrrad, Motorrad und Industriekomponenten. Auch heute noch hat er einen guten Draht zu den ehemaligen Kollegen. Zu den Projekten, die er leitete, gehörte etwa die Entwicklung des Gesamtsystems von Bremse mit ABS-System von Bosch. In dieser Zeit setzte er dann zusätzlich zu seinem Maschinenbaustudium ein zweites obendrauf, diesmal in IT-gestützter Unternehmensführung. »Damals war nie der Plan, Fahrwerker oder eine andere, eigene Unternehmung zu gründen«, erklärt er, vor allem wollte er sich damit bessere Managementkenntnisse verschaffen.

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Das Team von Fahrwerker-Chef Jochen Coconcelli (Mitte) kümmert sich um die vielfältigen Wünsche der Fahrrad- und insbesondere der Lastenradhersteller.

Sein Fahrradbezug ist nicht zufällig. Mit 14 Jahren wechselte er wegen Kniebeschwerden vom Fußball zum Mountainbike und insbesondere zum Cross-Country-Rennen. Dort erzielte er schnell Erfolge, die ihn bis in die deutsche MTB-Nationalmannschaft und zu vielen Weltcup-Rennen, Europa- und Weltmeisterschaften führten. »Das war eine superprägende Zeit«, sagt er heute, »Disziplin habe ich dort gelernt.« Es ist der typische Werdegang vom Sport zur Branche, wenngleich Coconcelli beides auf höchstem Niveau betreibt. »Für mich war immer klar, dass ich kein Profi werden will, aber etwas mit Fahrrad zu tun haben möchte. Ich wollte ein Ingenieursstudium machen oder eine Ausbildung in dieser Richtung und danach sollte es irgendwo in den Fahrradbereich münden. Das war der große Plan.« Diesen kann man heute als gelungen betrachten, auch wenn die Details nie ganz feststanden.

Lastenrad als Antrieb

Insbesondere die Entwicklung von neuen Mobilitätsformen hat schließlich zu Fahrwerker geführt. Vor allem das Lastenrad will das Unternehmen mitgestalten: »Die Fahrzeuge brauchen die richtigen Komponenten, nicht unterdimensioniert, aber auch nicht überdimensioniert. Genau dafür möchte ich Produkte entwickeln.« Die Marschrichtung des gesamten Segments passte zu seinen Zielvorstellungen. Nach einem halben Jahr im Lockdown machte er sich daran, eine Bremse für Lastenräder zu entwickeln und die Beratung hintanzustellen, auch wenn er immer noch Projekte in diesem Bereich annimmt.

Unternehmensgründung mit Rückenwind

»So etwas macht man nicht alleine«, sah Coconcelli ein, als er am Anfang stand. »Ich brauchte Entwickler, ich brauchte eine Produktion, ich brauchte Partner«, fasst er zusammen. Gefunden hat er einen Investor mit dem Unternehmen Riva Engineering, das eigentlich im Fassadenbau etabliert ist, zahlreiche andere Unternehmen unter seinem Dach vereint und in der Nähe der Fahrwerker-Zen­trale in Metzingen ansässig ist. Aus einer früheren Kooperation kannte er den Betrieb, doch das war Jahre her und der direkte Kontakt schon nicht mehr vorhanden. Als er seine E-Mail-Anfrage an eine allgemeine Unternehmensadresse versendete, klingelte schon zwei Stunden später das Telefon, ob er denn am nächsten Tag Zeit für einen Termin hätte. Die beiden Parteien wurden entsprechend schnell auch Geschäftspartner.

»Wir haben einen cleveren Baukasten entwickelt, mit dem wir auch individuelle Lösungen anbieten können.«

Jochen Coconcelli, Fahrwerker

Die gemeinsamen Pläne während der Corona-Phase mussten mehrfach angepasst werden. »Die Idee war natürlich, Komponenten für leichte Elektrofahrzeuge zu entwickeln, zu produzieren und auch zu verkaufen«, erklärt Coconcelli. »Wir haben uns zunächst keine Stückzahlen und keine Umsatzziele vorgenommen.« Erster Kunde war schon bald die Post, die in dieser Zeit akuten Bedarf an einer zuverlässigen Bremse und deren einfacher Wartung hatte.
Alle Lieferanten, die er akquirierte, sprachen ihm Mut zu und glaubten an eine große Zukunft. Aber welche große Zukunft sollte das eigentlich sein? Gute Bremsen gibt es schon und auch hydraulische Scheibenbremsen. Was hat sie überzeugt? »Das Thema sind die Fahrzeuge größer 250 bis etwa 1000 Kilogramm«, erklärt Coconcelli. Dieser Markt werde in Zukunft noch viel größer. »Dafür braucht es Komponenten, die Automotive und Fahrrad vereinen. Große Reichweiten, schnelle und einfache Wartung, kompakte und leichte Kon­struktion und passende Dimensionierung seien hier die Themen, die im Vordergrund stünden. »Wenn jemand eine Flotte betreibt, soll er mit seinem Produkt Umsatz machen können und nicht Verluste aufgrund von Fahrzeugwartung.«

Technische Besonderheiten überzeugen

Heute zählt das Unternehmen auf seiner Webseite sechs Produkte auf, kann aber noch mehr. Was macht die Fahrwerker-Bremsen, die es heute gibt, so besonders? Eine Bremse besteht aus etwa 70 Bauteilen. 80 Prozent davon wurden selbst konstruiert, Standardschrauben oder Bremsschlauch etwa werden eingekauft.

Derzeit beträgt die Jahresproduktion knapp 6000 Bremsen bei Fahrwerker. Die Kapazitäten könnten aber leicht ausgebaut werden.

»Mit diesen 70 Bauteilen haben wir einen cleveren Baukasten entwickelt, mit dem wir auch individuelle Lösungen anbieten können«, erklärt Coconcellli. »Das fängt mit der Leitungslänge an, die wir für jeden Kunden millimetergenau anbieten können, von der Stückzahl eins bis unendlich. Wir können aber auch aus vielen Gleichteilen verschiedene Bremskombinationen bauen«, wie sie etwa für mehrspurige Fahrzeuge benötigt werden. Viele weitere technische Details sind reizvoll an Fahrwerker-Bremsen: Sie verfügen über ein selbstentwickeltes System namens SBP, was für »Smart Bleed Port« steht und ein einfaches Befüllen und Entlüften ermöglicht. Kluge Details wie magnetische Belaghalter, leicht kürzbare Bremsschläuche und ein in kürzester Zeit durchführbarer Belagwechsel ohne Sicherheitssplint haben schon zahlreiche Kunden überzeugt. »Das alles ist für uns natürlich ein riesengroßer Vorteil, um in diese Nischenmärkte reinzugehen. Wir haben nicht ein Standardprodukt, das immer gleich ist, sondern wir können jeden einzelnen Kunden in jeder Stückzahl individuell betreuen und bedienen.« Das sei auch schon deswegen nötig, weil der Lastenradmarkt »super vielseitig und individuell ist.«

Die Reklamationsquote von unter 1 Prozent entsteht vor allem dadurch, dass Kunden etwas nicht richtig beachtet haben. Das Produkt selbst macht keine Probleme. »Das macht uns natürlich glücklich«, freut sich Coconcelli. »Wir versuchen natürlich, auch da immer eine Lösung zu finden, damit wir auch den Kunden wieder glücklich machen.« Über 10.000 verkaufte Bremsen sind bislang im Einsatz. »Dieses Jahr würden wir gerne die 15.000 Stück noch produzieren. Das wäre für dieses Jahr unser Ziel.« Man darf erwarten, dass die Zahlen über die Jahre stetig weiter wachsen werden. //

6. November 2024 von Daniel Hrkac

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