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Arbeitszeit - Vollzeit vs. Teilzeit

Von Vollzeit in Teilzeit und zurück

Immer mehr Menschen würden gerne in Teilzeit arbeiten. Vorausgesetzt sie können es sich leisten. Andere versuchen, von Teilzeit in Vollzeit zu wechseln. Gewichtige Gründe gibt es für beide Varianten. Doch wie gelingt der Wechsel von Vollzeit in Teilzeit und zurück? Und was ist dabei zu beachten?

In der Regel versuchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über flexible Arbeitszeitmodelle eine bessere Balance zwischen Arbeit und individuellen Bedürfnissen zu erreichen. Die Arbeitgeber beabsichtigen damit, betriebliche Notwendigkeiten auszugleichen. Anfang Dezember 2023 legte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die neuesten Zahlen bezüglich Voll- und Teilzeit vor. Vergleicht man die beiden dritten Quartale 2022 und 2023, stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten deutlich um 1,6 Prozent an und liegt nun bei 39,2 Prozent. »Noch nie lag die Teilzeitquote so hoch wie heute«, ordnet Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs »Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen« diese Zahlen ein. Auch die Zahl der Vollzeitbeschäftigten stieg an, mit 0,3 Prozent allerdings deutlich schwächer.
Eine weitere Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2021 belegt, dass Wunsch und Wirklichkeit bei der Arbeitszeit oft weit auseinanderliegen. »In Deutschland arbeiten erwerbstätige Männer im Durchschnitt 41 Stunden und erwerbstätige Frauen 32 Stunden pro Woche. Allerdings wünschen sich Männer mit 37 und Frauen mit 30 Stunden pro Woche eine kürzere Arbeitszeit«, fasst Natascha Hainbach, Projektmanagerin bei der Bertelsmann-Stiftung, die Datenlage zusammen.

Was gilt als Teilzeit?

Von Teilzeit spricht man, wenn weniger als Vollzeit gearbeitet wird (§ 2 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)). Laut Handelsverband Deutschland beträgt die tarifliche Wochenarbeitszeit im Einzelhandel derzeit im Westen zumeist 37,5 Stunden beziehungsweise 38 Stunden im Osten. Arbeitet demnach jemand im Westen 36,5 Stunden oder im Osten 37 Stunden, ist dies bereits ein Arbeitsverhältnis in Teilzeit.

41 Stunden arbeiten erwerbstätige Männer durchschnittlich in Deutschland pro Woche. Bei Frauen sind es 32 Stunden.

Teilzeitarbeit ist nicht immer freiwillig. Unfreiwillig teilzeitbeschäftigt sind Personen, die eigentlich eine Vollzeitstelle suchen (2022: 5,7 Prozent der Teilzeitbeschäftigten). Wird gezielt eine Teilzeitstelle gesucht, handelt es sich um eine freiwillige Teilzeit.

Hauptgründe für freiwillige Teilzeit

Wenig überraschend arbeiten 33,5 Prozent der Frauen in Teilzeit, um neben der Arbeit familiären Verpflichtungen wie der Kinderbetreuung oder der Pflege bedürftiger Angehöriger nachzukommen. Eine ähnliche Motivation trifft nur auf acht Prozent der Männer zu. Dieser sogenannte Gendergap zeigt sich erneut beim Faktor Aus- und Weiterbildung: 23,3 Prozent der Männer in Teilzeit nutzen diese, um sich neben der Arbeit weiterzubilden und so für ihr berufliches Fortkommen zu sorgen. Nur 8,2 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen argumentieren ähnlich.

Rechtliche Grundlagen der Teilzeitarbeit

Weil das Arbeiten in Teilzeit gerade in niedrigen Lohngruppen auf die Dauer auch zur Falle werden kann (»Teilzeitfalle«) – oft mündet sie dort in die Altersarmut –, verabschiedete der Gesetzgeber zum 1. Januar 2021 das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das zuletzt Mitte 2022 geändert wurde.
Nach § 1 TzBfG ist sein Ziel, »Teilzeitarbeit zu fördern« und »die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten … Arbeitnehmern zu verhindern«. So sind im Gesetz zum einen Rückkehrmöglichkeiten von Teilzeit in Vollzeit (§ 9), aber auch der Weg von Vollzeit in Teilzeit (§ 8) geregelt. Der Diskriminierungsschutz besteht darin, dass Teilzeitbeschäftigte »nicht schlechter behandelt werden [dürfen] als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer« (§ 4). Um flexiblen Arbeitszeitmodellen schon bei der Ausschreibung eines Arbeitsplatzes mehr Raum zu geben, sieht das Gesetz zudem vor, dass Stellenangebote in der Variante Teil- und Vollzeit ausgeschrieben werden müssen, wenn »sich der Arbeitsplatz hierfür eignet« (§ 7).

Jobsharing

Bei der klassischen Teilzeit werden die Arbeitsstunden und das -pensum gekürzt. Für Händlerinnen und Händler ist diese Form der Teilzeit am einfachsten zu organisieren.
Eine Sonderform der Teilzeitarbeit ist das Jobsharing (Arbeitsplatzteilung), das sich besonders gut für Führungskräfte in größeren Fahrradläden eignet. Dabei wird eine Position mit komplexen Aufgaben auf zwei Personen verteilt. Svenja Christen, Geschäftsführerin von »the jobsharing hub« erklärt die Eckpfeiler: »Im Jobsharing-Modell übernehmen zwei Menschen die gemeinsame Verantwortung für eine Stelle. Meistens kombiniert mit reduzierter Arbeitszeit, zum Beispiel in einer 60-60-Prozent- oder einer 60-70-Prozent-Kombination.« Damit gehen Jobsharing-Stellen oft über eine reine Vollzeitstelle hinaus. Die betrieblichen Vorteile des Jobsharings sind schnell erklärt: Zwei Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Kompetenzen arbeiten an einer Aufgabe. Dabei suchen sie aus unterschiedlichen Richtungen kommend nach Lösungen. Im Falle von Krankheit oder Urlaub bleibt die Stelle trotzdem besetzt. Zuletzt können über das Vier-Augen-Prinzip Fehler minimiert werden.
Damit Jobsharing gelingt, braucht es kommunikationsstarke Kolleginnen und Kollegen, die sich gut abstimmen. Die rechtlichen Grundlagen regelt § 13 TzBfG. Dort ist auch das Prozedere der Vertretung geregelt, sollte einer der beiden Verantwortlichen einmal ausfallen.
Es gibt zudem noch besondere Formen des Jobsharings: Beim »Legacy Tandem« arbeitet eine Person kurz vor der Rente mit einer Nachwuchskraft zusammen. So werden Erfahrungen und Wissen weitergegeben und der »Respekt« vor komplexen Aufgaben bei der Juniorpartnerin oder beim Juniorpartner minimiert. Daneben gibt es weitere Tandems, die je nach betrieblicher Situation unterschiedlich gut greifen (vgl. www.jobsharing-hub.de ).

Brückenteilzeit

Seit dem 1. Januar 2019 gibt es die Brückenteilzeit, eine Arbeitszeitverkürzung begrenzt auf einen Zeitraum von mindestens einem Jahr und höchstens fünf Jahren. Rechtstechnisch wurde die Brückenteilzeit später in das TzBfG überführt. Dieses schreibt zwar vor, dass die Brückenteilzeit nur in Betrieben mit mehr als 45 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eingefordert werden kann (§ 9a). Händlerinnen und Händlern steht es aber frei, diese Variante jenseits der Begrenzung anzubieten. So kann die Brückenteilzeit beispielsweise verhindern, dass kompetente Angestellte kündigen, wenn ihre privaten Bedürfnisse mit der Vollzeitstelle vorübergehend nicht mehr zusammenpassen. Mit dem Brückenteilzeit-Modell geht auch ein »Rückkehrrecht in die vor-herige Arbeitszeit« einher.

Arbeit auf Abruf

Dem Modell »Arbeit auf Abruf« liegt eine fest vereinbarte tägliche und wöchentliche Arbeitszeit zugrunde. Darauf können nach Absprache frei verfügbare Stunden draufgesattelt werden. Dieses Modell bietet Händlerinnen und Händlern die Möglichkeit, schnell auf verändertes Arbeitsaufkommen reagieren zu können. Doch Vorsicht: Im Rahmen dieses Arbeitszeitmodells wurden mit § 12 TzBfG Änderungen beschlossen.

Die Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung sind vielfältig und ändern sich dann, wenn eine bestimmte Lebensphase abgeschlossen ist.

Die wichtigste dürfte sein: »Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart.« Früher waren dies zehn Stunden. Vergessen Händlerinnen oder Händler, die Arbeitszeit genau festzulegen, müssen sie 20 Stunden bezahlen, auch wenn weniger gearbeitet wird. Darüber hinaus gilt: »Zugleich wird der Anteil der einseitig vom Arbeitgeber abrufbaren Zusatzarbeit auf maximal 25 Prozent der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit begrenzt.«

Altersteilzeit

»Die Altersteilzeit ermöglicht einen gleitenden Übergang in den Ruhestand«, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Die Feinheiten dieses freiwilligen Arbeitszeitmodells handeln Händlerinnen und Händler mit ihren Beschäftigten individuell aus. Das Altersteilzeitgesetz (AltTZG) legt nur die wichtigsten Regeln und Voraussetzungen fest. Auch wenn heute Händlerinnen und Händler für die Gewährung der Altersteilzeit keine staatliche Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit mehr erhalten, kann sie trotzdem von Vorteil sein, da auch darüber das Wissen kompetenter Angestellter so lange wie möglich im Betrieb gehalten wird.

Der Wunsch nach Veränderung

Lebensumstände, die für eine Teilzeitstelle sprechen, sind meist zeitlich begrenzt. Kinder werden erwachsen, Weiterbildungen abgeschlossen. Die Anpassung der Arbeitszeit an die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein wichtiges Instrument der Personalgewinnung und -bindung und erhöht die Attraktivität des Betriebes nach innen und außen. Flexible Arbeitszeitmodelle steigern zudem die Motivation und verhindern das Verharren in der Teilzeitfalle.
Händlerinnen und Händler sollten deshalb im Mitarbeitergespräch immer auch die Wünsche bezüglich der Arbeitszeit abfragen. Das Wissen darüber kann deutlich machen, ob zum Beispiel aufgrund von Arbeitsverdichtung eine Stellenausschreibung notwendig ist oder der Weg einer Aufstockung der Arbeitszeit der bessere ist. Letztgenanntes bietet den Vorteil, dass Teams, die sich bewährt haben, zusammenbleiben.
Um im Betrieb ein gutes Arbeitsklima zu festigen, sollten Händlerinnen und Händler das TzBfG gut kennen und sich auch an die dort vorgeschriebenen Fristen und Formvorgaben halten. Empfehlenswert ist zudem, sich bei den Verhandlungen um die Arbeitszeit zu einigen. Denn auch das schreibt das TzBfG (§ 11) vor: »Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen der Weigerung eines Arbeitnehmers, von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis oder umgekehrt zu wechseln, ist unwirksam.« //

11. März 2024 von Dorothea Weniger
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