Kolumne - Andreas Ehrhardt
Vororder, ein Auslaufartikel
Flexible Produktion, agile Produktionsstraßen, kundenzentrierte Lösungen und vernetzte Daten über die komplette Lieferkette? Fehlanzeige! Manche Hersteller produzieren noch in Chargen und nicht in einzelnen Fahrzeugen – als würden sie Tütensuppen herstellen.
Auf der führenden Messe, der Eurobike, wird auch im Jahr 2024 ein Orderverhalten gefordert, das die Lager der Händler vollstopfen soll. Die Vororder von Fahrzeugen ist ein Anachronismus sondergleichen. In einer Gesellschaft mit stetig steigenden individuellen Ansprüchen bieten immer mehr Hersteller frei konfigurierbare Fahrzeuge an. Der Handel aber soll paradoxerweise einen großen Teil seiner Jahresabnahmemenge im Vorfeld in Farbe, Größe und Ausstattung definieren. Der Blick in die Glaskugel ist jedoch nicht der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit, sondern führt zu Überbeständen.
Doch selbst wenn sich der Handel auf dieses historische Orderverhalten einlässt, beginnt der Irrsinn erst. Eine Order wird platziert, Liefertermine werden definiert und die Liquiditätsplanung bis an die Grenzen des Machbaren optimiert. Dann kommt die Ware – als ob man nie ein Datum gesetzt hätte – völlig zufällig und unplanbar. Und selbst nach Auslieferung fehlt meist noch immer der Datensatz für das Produkt.
Dass der Handel die Vororder-Fahrzeuge schon vor Eintreffen verkauft haben sollte, ist keine neue Erkenntnis. Um dieses Ziel zu erfüllen, müssen Ordern wenigstens in Größe und Farbe anpassbar sein. Denn jedes Lagerfahrzeug, das länger als ein paar Wochen im Laden steht, kostet Geld. Und wenn es von Wochen in Monate übergeht, kostet es mehr Geld, als ein oder zwei Prozentpunkte mehr Marge durch eine Vororder überhaupt bringen können. Umso wichtiger sind hier aktuelle Liefertermine in Echtzeit und eine perfekte Meldekette bis zum Kunden. Sich im 17. Portal einzuloggen, um zu schauen, ob sich etwas verzögert hat, ist bei Hunderten Fahrzeugen lebensfremd, abgesehen davon, dass selbst die Daten im Herstellerportal oft nichts mit der Realität zu tun haben.
Die Branche muss technologisch aufschließen und alte Zöpfe abschneiden. Denn ohne Transformation wird jeder, der in alten Mustern hängen bleibt, scheitern.
Andreas Ehrhardt ist Mitinhaber von »Die Radgeber – Mainz« und seit 1996 in der Fahrradbranche tätig.
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