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Hot or not? Die einzelnen Zubehörsortimente stehen regelmäßig auf dem Prüfstand.
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Handel - Sortimentsmix

Was dreht am Schnellsten?

Die Zubehörsortimente sind für den Fachhandel ein elementarer Bestandteil seines Umsatzes. Neben Schnelldrehern und Must-haves gibt es noch die Produktgruppen, die weniger Spaß machen oder sogar stark unter Druck stehen, etwa durch Internet-Händler. Was sind derzeit die Margenbringer und was die Ladenhüter?

An Auswahl mangelt es nicht: Mit einer guten Präsentation erleichtert der Handel die Kaufentscheidung des Kunden.Hot or not? Die einzelnen Zubehörsortimente stehen regelmäßig auf dem Prüfstand.

Ulf-Christian Blume ist als Unternehmensberater für die Fahrradbranche mit LBU Beratung ein Begriff in der Fachhandelswelt. Dank seiner langjährigen Erfahrung und auch der Zusammenarbeit mit vielen Erfa-Gruppen hat er tiefe Einsicht in die Themen, die Händler bewegen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Sortimentsgestaltung, die immer wieder auf dem Prüfstand steht. Sein Rundumblick über den Zubehörbereich zeigt auf, wo die aktuellen Chancen und Herausforderungen liegen.

Der kleinste gemeinsame Nenner

Wenn es darum geht, ein Grundsortiment zu bestimmen, dass jeder Fahrradladen in Deutschland führen sollte, lässt sich eine bemerkenswert kurze Liste erstellen. Blume legt Wert auf die Feststellung, dass die Möglichkeiten der Händler im Einzelfall von der Gesamtsituation abhängen, in der er arbeitet. »Ort, Lage, Ausrichtung und Größenklasse des Betriebs sind natürlich noch immer die bestimmenden Faktoren der Sortimentsauswahl.« Sie bestimmen, welche Sortimentsauswahl konkret passt. Das Zubehör, das alle Händler haben, ist recht kurz zusammenzufassen: »Helme, Schlösser und viele leichte Zubehörteile wie Werkzeuge, Beleuchtung etc., also Mitnahmeartikel, sind Must-Haves für jeden Radladen. Körbe gehören gerade noch dazu. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Ein absolut sportlich ausgerichteter Laden im Süden wird schon eher keine Körbe mehr verkaufen. Im Westen oder Norden Deutschlands, wo viel Alltagsmobilität stattfindet, ist es wiederum für Händler angeraten, Körbe im Sortiment zu haben.«
Dieses Grundsortiment ist seit langen Jahren bereits elementar für den Handel, doch auch hier haben Entwicklungen stattgefunden und finden weiter statt. »Der Helmverkauf ist stärker geworden«, sieht Blume als Veränderung in den letzten zehn Jahren, „weil das Sicherheitsbedürfnis der Radfahrer größer geworden ist. Zudem ist das Verkehrsaufkommen insgesamt auch größer geworden, die Radinfrastruktur aber nicht. Auch ist im Sportsegment der Helm ein Accessoire geworden.« Helme sind damit ein stabiler Bestandteil im Sortiment der Fahrradhändler.
Auf den ersten Blick gilt das auch für Schlösser. »Im gleichen Zeitraum sind alle Räder hochpreisiger geworden und die E-Mobilität hat flächen­deckend Einzug gehalten. Mit anderen Worten ist der Bedarf an hochwertigen Schlössern gestiegen.« Für Händler ergäben damit Schlösser ein sehr naheliegendes und im doppelten Sinne sicheres Zusatzgeschäft beim Neuradverkauf. Die erhebliche Dynamik in dem Sortiment wird damit etwas verschleiert, denn die Konkurrenz schläft nicht.
»Noch«, antwortet Blume, wenn es um die Frage geht, ob Schlösser zu den wichtigen Sortimentsgruppen gehören. »Es werden schöne Zusatzverkäufe beim Neuraderwerb erzielt, aber wer ein Schloss einzeln kauft, tut das eben auch immer häufiger im Internet. Im Vergleich zu anderen Sachen braucht das Schloss wenig Beratung, es ist klein und kann gut versendet werden.«

Es werden schöne Zusatzverkäufe beim Neuraderwerb erzielt, aber wer ein Schloss einzeln kauft, tut das inzwischen sehr häufig im Internet.Ulf-Christian BlumeUnternehmensberater LBU

Sortimente unter Druck

Damit könnten Schlösser einmal zu den Sortimenten gehören, die bereits mehr oder weniger stark von Internet-Händlern abgesaugt wurden. Die Liste dieser Zubehörsortimente ist bereits etwas länger. Hier finden sich Sortimente, die sich trotz Marktwachstum und Ausdifferenzierung vom Fach­handel entfernt haben.
Zu dieser Gruppe gehören etwa Fahrradtaschen, wo der Markt größer geworden ist, sowohl bei der Zahl der Anbieter als auch der Sortimentsstreuung, »man denke nur an das Thema Bikepacking«, sieht Blume. »Gerade im Bereich Taschen, Schuhe und Kleidung geht der überwiegende Teil über das Internet.« Hier könnten Onlinehändler einfach größere Sortimente abbilden. Die großen Fachhändler haben ihrerseits eine gewisse Notwendigkeit, auch solche Produktgruppen abzubilden. Dort erwarte der Kunde, eine gewisse Auswahl geboten zu bekommen. »Ob sich da dann noch der große Wirkungsgrad erzielen lässt, ist sehr, sehr individuell«, beobachtet der Fachhandelsexperte. Für diese Gruppe der großen Händler jenseits der 3 bis 4 Millionen Euro Jahresumsatz gelten bei der ­Sortimentsgestaltung nicht zuletzt bedingt durch ihre Möglichkeiten bei der Flächenbewirtschaftung andere Spielregeln. Der klassische Fachhandel habe allerdings genau hinzuschauen.
Ein Beispiel für den sich ändernden Blick auf Sortimente ist die Bekleidung. Hier habe sich das Internet fest etabliert. Andererseits stehen diese Segmente oft schon seit langer Zeit unter kritischer Beobachtung. Es ist vermutlich ein Luxus der Branche, dass Händler es sich derzeit leisten können, auch einmal ganz auf sie zu verzichten. Ob das eine gute Strategie für hoffentlich ferne, schwierigere Marktsituationen ist, sei dahingestellt.
Ebenfalls kritisch sieht Blume inzwischen auch praktisch alles, was an Zubehör hochpreisig ist, also jenseits der 100 Euro Verkaufspreis erzielt oder erzielen sollte. So sieht er hochwertige Beleuchtungsoptionen inzwischen als sehr schwierig für Händler an. »Es ist die Zielgruppe der Experten, die so etwas kaufen«, beobachtet Blume. Diese wüssten in der Regel, was sie haben wollen und brauchen keine ­weitere Beratung. Dort entscheidet dann der Preis, welcher Händler den Zuschlag erhält, und oft genug hat der Online-Händler mehr Spielraum. Die absoluten Summen machen die Entscheidung für Kunden leichter, denn 10 % von 300 Euro sind etwas anderes als 10 % von 100 Euro.
Dass die Kunden inzwischen häu­figer online einkaufen, hat auch Konsequenzen für das Gesamtgeschäft. Besorgniserregend ist der Umstand, dass immer weniger Menschen den Weg in die Fachgeschäfte finden.

Hoffnungsträger E-Mobilität

Bei so viel Schatten findet sich auch etwas Licht: »Alles rund ums Pedelec ist auch aus Zubehörsicht erfreulich für den Handel. Vor allem springen hier die Dienstleistungen wie Schutzbriefe oder Versicherungen ins Auge, die zwar nicht direkt als Zubehör gelten können, aber doch als wichtiges Zubrot genannt werden müssen.« Das Fahrrad-Leasing ist hier ein wesentlicher Treiber laut Blume. Durch das Leasing sei bei den Kunden die Tendenz größer geworden, sich noch allerhand Zubehörteile ans Fahrrad zu schrauben und diese mit in den Leasingvertrag aufzunehmen. Das erhöht die Möglichkeiten der Händler, Zusatzgeschäfte mitzunehmen. Andere Dienstleistungspakete wie Versicherungen gehören dann ebenfalls zu den gerne genommenen Leistungen, auch wenn hier einmal mehr die Beschreibung als »Zubehör« nicht ganz zutreffend sein mag.
Es entstehen neue Möglichkeiten, die vorher keine Rolle spielten. So gibt es inzwischen wohl größere Händler, die Fahrradträger mit im Leasing verkaufen. »Das ist kein Riesenmarkt, aber immerhin ein neuer Aspekt«, sieht Blume. Auch eine spezielle Tasche oder etwas wie der Airbag-Helm sind Zubehör, das man sonst vielleicht nicht gekauft hätte, jetzt aber mit in das ­Leasingpaket aufnimmt.
Ein naheliegendes Zubehörteil der E-Mobilität spielt jedoch immer noch eine eher untergeordnete Rolle: der Ersatzakku. »Ich kenne inzwischen immer mehr Händler, die nun Zweitakkus verkaufen. Das Geschäft boomt damit noch nicht.« Allerdings ist es sehr wohl vorstellbar, dass in Zukunft mehr Akkus verkauft werden. Angesichts der Entwicklung der Pedelec-Bestände und der technischen Entwicklung ist anzunehmen, dass die Nachfrage nach Ersatzakkus deutlich ansteigt.

Erfolgsfaktoren sind in Reichweite

Blume wäre nicht der Unternehmensberater, der er ist, wenn er neben der Analyse und Diagnose der negativen Entwicklungen nicht auch Gegenmaßnahmen parat hätte. »Die sinkende Kundenfrequenz ist die Wurzel allen Übels: Je weniger Leute kommen, desto weniger wird gekauft.« Was leichter woanders gekauft werden kann, wird leichter woanders gekauft. Er sieht in seinen Auswertungen einen jährlichen Rückgang der Zahl von kaufenden Kunden von etwa 4 bis 6 %. Wenn sich diese Entwicklung nicht stoppen lässt, würde sie natürlich ­gravierende Folgen haben.
Um dem entgegenzusteuern gibt es einerseits die klare, spitze Positionierung. Statt vier Marken zeigt man eben nur noch eine oder zwei. Die Kaufentscheidung wird für den Kunden so vereinfacht. Zum anderen gehört die ansprechende Präsentation zum Grundwortschaft der Fachhändler. »Das ist ein wahnsinnig wichtiger Erfolgsfaktor. Präsentiere das Produkt schön und Du verkaufst mehr«, ist die Ansage von Blume. So gelte es, strategischen Ladenbau zu betreiben. »Es gibt Ecken im Laden, da kann man Schlösser gut hinpositionieren und welche, wo es nicht so gut ist. Die ­Darreichung am POS ist ganz wichtig.« Wie diese Präsentation gelingt ist ein Thema für sich. »Der Erfolgsfaktor ­Präsentation ist riesengroß. Er kommt weit vor dem Produkt«, ist Blume überzeugt. »Hast Du es schön positioniert, weckst Du beim Kunden Begehrlichkeiten. Und darum geht es.«
Was konkret umgesetzt werden kann, bleibt individuell. »Die Aussagen sind natürlich stark größenklassen-, portfolio- und standortabhängig. Pauschale Antworten gibt es nicht.« Diese drei großen Weichen und Faktoren entscheiden, was man an Zubehör haben und verkaufen kann und soll.

3. März 2020 von Daniel Hrkac
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