Handel - Strategieberatung
Weichenstellung für die Zukunft
Ulf Christian Blume
LBU Unternehmensberatung
Die größte Herausforderung kurzfristig ist sicherlich das Thema Ware beziehungsweise die Beschaffung derselben. Alle Teilnehmer in der Branche haben im Jahr 2020 einen beispiellosen »run« auf Fahrzeuge und Zubehör erlebt, der durchaus noch nicht abgeebbt ist. Durch die bekannten Verwerfungen innerhalb der Produktions,- und Lieferketten in Fernost haben sich die Möglichkeiten, Ware zu ordern und zu bekommen, radikal verändert.
Ein Patentrezept für gute Warenversorgung ist nicht leicht zu geben. Schaut man auf die Fahrzeuge, ist sicherlich derjenige besser dran, der (je nach Größe) mit ausgesuchten, aber für sich starken und langfristigen Lieferanten arbeitet. Rechtzeitiges Ordern und nicht zu zaghaftes ist das Mittel der Wahl. Bei Ersatzteilen und Zubehör gilt prinzipiell dasselbe.
Bei den langfristig größten Herausforderungen gibt es zwei wesentliche Punkte: Personal und Digitalisierung! Allerdings möchte ich an dieser Stelle zwischen pauschal »kleinen« und »großen« Händlern differenzieren - pauschal deshalb, weil es hier natürlich Graustufen gibt. Wer seinen Rohertrag schon immer zu einem guten Teil aus der Werkstatt gezogen hat und klar unter einer Million Euro netto Umsatz pro Jahr macht, den würde ich in die Kategorie klein sortieren. Diese Händler sollten in das Thema Werkstatt/Service massiv investieren. Das Handelsgeschäft sollte mit wenigen Marken abgebildet werden, die man aber gut und umfänglich repräsentiert. Weniger ist dort häufig mehr. Personal ist bei diesen Händlern natürlich ein Thema, denn es geht um fähige Werkstattmitarbeiter, die das Gros der Belegschaft ausmachen. Durch einen anständigen Stundenverrechnungssatz in der Werkstatt lässt sich genug Geld verdienen, damit Werkstattmitarbeiter fair bezahlt werden und langfristig zu binden sind. Digitalisierung bedeutet für diese Händler nicht nur einen gelungenen Internetauftritt mit buchbaren Beratungsterminen, sondern auch zum Beispiel Werkstatttermine, die online buchbar sind.
Die Händler, die deutlich oberhalb der Millionengrenze angesiedelt sind, kann ich nur ermuntern zu wachsen - nicht um jeden Preis, aber dafür kontinuierlich und für die Handelspartner auf Herstellerseite erkennbar. In Zeiten der Pandemie und danach hatten, haben und werden wir eine Zeit haben, wo das Angebot kleiner ist als die Nachfrage. In einer Situation wie dieser werden starke Handelspartnerschaften größer und stärker, andere kleine enden möglicherweise. Prinzipiell ist dies also der Aufruf, das, was man tut, intensiver zu tun, und das eher Unwichtige wegzulassen.
Es muss nicht immer zwingend ein Onlineshop sein, das muss man von Händler zu Händler betrachten - was aber unerlässlich sein wird, ist eine Verfügbarkeitsanzeige des Angebots im Laden. Und dies nicht nur für Fahrzeuge, sondern auch für Zubehör wie Schlösser, Helme und dergleichen. Nur hierdurch wird der Kunde in der Zukunft noch gern den Laden des Händlers besuchen, weil er weiß, dass es Teil XY hier verfügbar gibt. Für alle Händler gilt beim Thema Personal noch dazu: Bildet aus! Sicher tut das der eine oder andere Betrieb schon, allerdings ist hier branchenweit noch deutlich Luft nach oben.
Insgesamt ziehe ich ein unter dem Strich positives Fazit bei all den momentan herrschenden Schwierigkeiten der Branche. Mein Tipp wäre daher relativ simpel: Überlegen Sie einmal mehr und gegebenenfalls auch etwas tiefer als sonst, wo Ihre Stärken im Verhältnis zum Wettbewerb liegen und in der Zukunft liegen könnten. Investieren Sie hier klar, um Ihren eigenen Vorteil maximal ausspielen zu können, und lassen Sie alles andere radikal weg!
Text: Ulf Christian Blume
Gunnar Schmidt
gunnarschmidt.bike
»Der aktuelle Absatz-Boom wird nicht ewig anhalten.«
Gunnar Schmidt,
gunnarschmidt.bike
Wie messen Sie eigentlich Erfolg? An der Anzahl der verkauften Räder? Oder schauen Sie auch, wie sehr sie sich verbessert haben? Denn selten lagen Fluch und Segen so eng beieinander. Wirtschaftlich ist die Gegenwart zweifelsohne ein großartiger Moment. Doch hat das außergewöhnliche Tagesgeschäft so manchen bis an die Leistungsgrenze gebracht und bisher ungekannte Herausforderungen ins Rampenlicht gerückt. Meinen Respekt vor Ihrem Einsatz der letzten Monate.
Doch an welchen Stellschrauben lohnt es sich, in der nächsten Zeit zu drehen? Setzten Sie Ihre Experten überlegt ein. Mein Vorschlag: Bestimmt kennen Sie das, wenn zwischen dem Kunden im Laden, der Reparatur am Haken und dem Anrufer am klingelnden Telefon entschieden werden muss. Aus diesem Dilemma haben sich mittlerweile einige Händler befreit. Gemeinsam haben wir Lösungen gefunden, die so spezifisch wie die Händler selbst sind und oftmals überraschend einfach und praktisch. Nun halten diese ihren kostbaren Spezialisten aus Laden und Werkstatt den Rücken für wirklich wichtige Arbeiten frei und verblüffen zeitgleich die Kunden mit zuverlässiger Erreichbarkeit.
Seien Sie auf die Zukunft vorbereitet. Meine Empfehlung: So wie es aussieht, wird der aktuelle Absatz-Boom nicht ewig anhalten. Doch war er heftig genug, um andere Spieler aufmerksam zu machen. Diese werden in Ihren Markt einzudringen versuchen. Sei es der Online-Versender, der die Notwendigkeit lokaler Shops anerkennen musste, oder finanzstarke Organisationen, die im Zweiradhandel eine sichere Zukunft sehen. Es wird auch darauf ankommen, wie sich die Fabrikanten positionieren und Partnerschaften eingehen. Auf der anderen Seite sollte jeder Fahrradhändler die Antwort auf folgende Frage suchen: Wie gelingt es mir, dass Interessenten in ausreichender Anzahl mein Geschäft aufsuchen und ich sie systematisch zu Käufern mache? Was jetzt vielleicht wie Utopie klingt, ist am Ende ein erlernbares Handwerk, welches Schritt für Schritt aufbaut. Denn gelingt Ihnen das nicht, bleibt am Ende nur der Preis als Argument.
Nutzen Sie Ihren jahrelangen Branchenvorsprung und verteidigen Sie Ihre Marktposition. Ich bin überzeugt, dass sich dann die Newcomer die Zähne am lokalen Fahrradhandel ausbeißen werden.
Text: Gunnar Schmidt
Markus Unger
vit:bikes
»Man muss nicht alles selbst machen.«
Markus Unger, vit:bikes
Die kurzfristige Herausforderung für alle Händler besteht aus meiner Sicht darin, dass es überhaupt keine Vergleichswerte aus den letzten Jahren gibt. Wir müssen komplett auf Sicht fahren. Wir müssen uns immer wieder auf neue Situationen einstellen, sei es wegen der Coronabedingungen, sei es momentan das Wetter oder die Lieferfähigkeit aufgrund von Corona, sei es die Situation der Kunden aufgrund von Corona, für die es ebenfalls keine Vergleichswerte gibt. Das macht alles sehr schwer planbar. Langfristig haben wir das Thema, dass sich die Fahrradbranche komplett verändert. Früher musste man gut verkaufen und gut reparieren und einen guten Service anbieten. Mittlerweile muss man sehr viel langfristiger denken und auch viel, viel mehr andere Dinge beachten. Wie gewinnt man Mitarbeiter? Wie entwickelt man sie? Wie hält man sie? Wie verhält man sich zum Thema Digitalisierung? Wie kämpft man gegen den Online-Bereich an? Dazu gibt es noch neue Player, die nun in den Fahrradmarkt gehen, wie Auto- und Motorradhändler, die hier Verdienstmöglichkeiten sehen. Da müssen wir Händler sehen, wie wir mit diesen Gegebenheiten umgehen. Ich sehe hier einen riesigen Nachholbedarf für viele Händler, die als Zweiradmechaniker sehr erfolgreich waren, sich aber nun neu aufstellen und ihre Arbeitsweise überdenken müssen. Sonst wird sie der Markt in den nächsten Jahren überrollen, weil andere die Kunden besser erreichen und vielleicht ein besseres Gesamtpaket liefern können. Wir können nicht genauso weitermachen wie die letzten zehn Jahre. Mein Tipp ist, neu zu denken. Der Grund, warum wir unser Lizenzsystem anbieten, warum wir als Münchner groß werden wollen, lautet: Alleine funktioniert es nicht. Auch wenn wir medial stark und digital weiter sind als andere, sind wir trotzdem zu klein. Es braucht eine große Gruppe, um gemeinsam mehr Potenzial nutzen zu können und um gemeinsam gestärkt in die Zukunft zu schauen und ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell für die nächsten Jahre aufbauen zu können. Mein Tipp ist, Altes über Bord zu werfen und sich zu überlegen, wo man in den nächsten Jahren hin will und was dabei helfen kann, da hinzukommen. Man muss nicht alles selbst machen. Wir Fahrradhändler sind ja immer der Meinung, dass wir in allem die Experten sind. Das war vielleicht früher einmal möglich, aber wenn wir digital denken, wenn wir an die Zukunft denken, dann bekommen wir das alleine nicht mehr hin. Auch wir nicht, deswegen machen wir unser Lizenzsystem, denn eins ist 100 Prozent Fakt: Als große Gruppe ist man immer stärker als alleine!
Text: Markus Unger
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