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Das Unfallrisiko auf einem Pedelec und auf dem Fahrrad ist laut der UDV-Studie von 2022 ist annähernd vergleichbar. Den größeren Unterschied macht das Alter als das Fahrzeug. 
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Statistik - E-Bike-Unfälle

Wie gefährlich ist das E-Bike-Fahren?

In einer Ausgabe, die sich dem Thema E-Bike widmet, darf das Thema »Verkehrsunfälle mit diesen Fahrzeugen« nicht fehlen. Wie sich zeigt, stimmt die öffentliche Wahrnehmung zu den Gefahren des elektrifizierten Fahrrads nicht mit der tatsächlichen Gefahrenlage überein. Das E-Radfahren ist sicherer, als vielerorts geglaubt wird.

Seltsamerweise scheint es in der öffentlichen Wahrnehmung eine Tendenz zu geben, die Gefahren hervorzuheben, ohne eine korrekte statistische Einordnung mitzuliefern. Selbst die jüngste Auswertung zu den Pedelec-Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis), von Amts wegen eigentlich ein Ort der neutralen, sachlich fundierten und daher in der Regel nüchternen Darstellung, kommt nicht umhin, auf Formulierungen wie »Zahl der Pedelec-Unfälle mit Personenschaden gegenüber 2014 mehr als verzehnfacht« oder »Insgesamt ist die Zahl der Pedelec-Unfälle in Deutschland in den vergangenen Jahren stark gestiegen« zurückzugreifen. Es mutet seltsam an, dass praktisch nie oder nur unzureichend die absoluten Verunglücktenzahlen mit der zunehmenden Nutzung ins Verhältnis gesetzt werden.
Wäre es wirklich so schwer, auch die geschätzten Fahrleistungen mit anzugeben? Zumindest der ZIV hat sich diese Mühe in der Vergangenheit gemacht. Der Verband hat wenigstens bis 2020 die zurückgelegten Fahrleistungen in Bezug zu den Unfalltoten gesetzt. Wurden 2007 im Schnitt etwa 290 Kilometer pro Bürger und Jahr auf einem Fahrrad zurückgelegt, hat sich dieser Wert bis 2020, einem Zwischenhoch der Fahrradnutzung fast verdoppelt. Das Ergebnis lautete, dass 2007 alle 46,4 Millionen gefahrene Kilometer ein Radfahrer oder eine Radfahrerin tödlich verunglückte. Im Jahr 2020 war diese Zahl bereits auf fast 98 Millionen Kilometer gestiegen. Das wäre eine bemerkenswerte Verbesserung der Situation.

E-Bikes gefährlicher als Fahrräder?

Völlig eindeutig ist die Formulierung, die Destatis beim Vergleich zwischen tödlichen E-Bike- und tödlichen Fahrradunfällen wählt: »Pedelec-Unfälle mit Personenschaden enden häufiger tödlich als Unfälle mit Fahrrädern ohne Hilfsmotor.«
256 Menschen kamen im Jahr 2023 bei Verkehrsunfällen auf nicht motorisierten Fahrrädern ums Leben. Weitere 188 Menschen starben im Verkehr auf einem Pedelec. Die Summe ergibt eine Zahl, die erstens viel zu hoch ist und zweitens leider im langjährigen Durchschnitt liegt. In den Jahren seit 2007 bis 2020 starben zwischen 354 Radfahrende (im Jahr 2013) und 462 Menschen (im Jahr 2009) auf deutschen Straßen. Ein naheliegender Schluss wäre also, dass sich die Infrastruktur nicht maßgeblich verbessert hat. Doch auch hier wäre es angemessen, angesichts der mehr genutzten Pedelecs die Kilometerleistungen zu berücksichtigen. Zumindest Destatis scheint etwas in Relation gesetzt zu haben, denn wenn man sagt, dass »Pedelec-Unfälle mit Personenschaden häufiger tödlich enden«, obwohl die absoluten Zahlen geringer sind als bei unmotorisierten Fahrrädern, dann wurde die Zahl der tödlich verunglückten Radfahrenden offenkundig mit irgendetwas in Bezug gesetzt. Tatsächlich wurde die Zahl der Toten in Relation gesetzt zu je 1000 regis­trierten Pedelec-Unfällen. Gleiches geschah mit normalen Fahrrädern. Im Ergebnis starben 2023 damit 7,9 Fahrerinnen und Fahrer pro 1000 Pedelec-Unfällen, während 3,6 Menschen pro 1000 Fahrradunfällen tödlich verunglückten. Das ist aber etwas anderes, als die tödlich endenden Unfälle mit Fahrleistungen in Relation zu setzen oder mit den Fahrrad- und E-Bike-Beständen.

Die älteren Pedelec-Fahrenden haben seit jeher das größte Risiko, mit ihrem Fahrzeug zu verunglücken. Relativ neu ist die zunehmende Zahl an Unfällen mit E-Bikes für Kinder.

Bereits vor zwei Jahren hat eine Untersuchung der Unfallforscher der Versicherer (UDV) die Zahlen auf Kilometerleistungen bezogen. Das (in vielen Medien als überraschend bezeichnete) Ergebnis damals: E-Bikes sind nicht gefährlicher als unmotorisierte Fahrräder. Angenommen wurde, dass E-Bikes im Durchschnitt 1,8 Mal längere Strecken zurücklegen als klassische Fahrräder.
Ob diese Zahl aktuell noch stimmt, sei dahingestellt (die Zahlen stammten aus der Studie »Mobilität in Deutschland«, 2017). Schon der Faktor 1,8 verändert alles. »Im Ergebnis zeigte sich, dass erwachsene Pedelec-Fahrer:innen zwischen 35 und 74 Jahren kein erhöhtes fahrleistungsbezogenes Unfallrisiko aufweisen«, heißt es in der Studie. »Hingegen zeigte sich für jüngere (18- bis 34-jährige) und ältere (über 75-jährige) Pedelec-Fahrer:innen ein erhöhtes fahrleistungsbezogenes Risiko, an einem Unfall beteiligt zu sein beziehungsweise diesen zu verursachen«, berichten die UDV-Experten.

Risikofaktor Alter

Das Alter der Rad- und Pedelec-Fahrenden ist also tatsächlich ein größerer Einflussfaktor als ihr Fahrzeug. Insbesondere gilt beim Pedelec darauf hinzuweisen, dass die Nutzenden durchschnittlich älter sind als die unmotorisierten Radfahrenden: »Menschen, die auf einem Pedelec verletzt oder getötet wurden, waren im Durchschnitt 53 Jahre alt und damit trotz des sinkenden Durchschnittsalters älter als auf einem nichtmotorisierten Fahrrad Verunglückte mit durchschnittlich 42 Jahren. Bei älteren Menschen ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich bei einem Sturz schwer oder tödlich zu verletzen als bei jüngeren«, heißt es dazu von Destatis.

1,8 mal längere Fahrstrecken legen im Durchschnitt E-Bike-Fahrende zurück im Vergleich zu einem unmotorisierten Fahrrad.

Das sinkende Durchschnittsalter von Pedelec-Nutzerinnen und -Nutzern ist nicht bloß ein Markterfolg für die Branche, sondern schlägt sich auch in den Unfallzahlen nieder, wie auch Destatis bemerkt: »Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Menschen, die mit einem Pedelec tödlich verunglückten, je 1000 Pedelec-Unfälle mit Personenschaden in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist: 2014 waren es noch 17,4 Getötete je 1000 Pedelec-Unfälle (gegenüber 7,9 Getöteten im Jahr 2023). Auch dies ist unter anderem auf das sinkende Alter der Verunglückten zurückzuführen.«
Für die Fahrradbranche muss wohl in Zukunft die Aufgabe lauten, viel deutlicher auf die Relation zur Fahrleistung hinzuweisen, diese zu kommunizieren und diese Zahlen dann auch griffbereit parat zu haben. Die Darstellung des Fahrrads als eine gefährliche Art der Fortbewegung ist mindestens irreführend. Gleichzeitig kann sich niemand mit jährlich über 400 tödlich verunglückten Fahrradfahrenden abfinden. Dazu kommt das Leid derjenigen, die überleben, aber bei ihren Unfällen mehr oder weniger stark verletzt werden. Auf diese 70.900 Unfälle auf Fahrrädern und weitere 23.658 auf Pedelecs wurde hier gar nicht eingegangen. Ebensowenig wie auf das Auto als Hauptverursacher dieser Unfälle. Die Infrastruktur bleibt der Schlüssel für den langfristigen Erfolg des Fahrrads. Den Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur empfahl auch der UDV als Ergebnis seiner Untersuchung. //

19. August 2024 von Daniel Hrkac

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