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Tim Salatzki, Leiter Technik und Normung beim ZIV, erarbeitete mit den Mitgliedsunternehmen die neue Position des Verbands zur E-Bike-Regulierung.
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Anstehende E-Bike-Regelungen der EU

ZIV stellt Weichen für zukünftige E-Bike-Regulierung

Die Regulierung von E-Bikes ist von äußerster Wichtigkeit für die Fahrradwelt. Entsprechend hat der ZIV frühzeitig formuliert, was aus seiner Sicht noch als Fahrrad gelten soll. Nicht alle sind damit einverstanden.

Seit vielen Jahren weiß die Branche: Der Erfolg des E-Bikes ist abhängig von seiner Einstufung als Fahrrad. Würde sich daran etwas ändern und motorisierte Fahrräder plötzlich Führerscheine, Helme, Versicherungen oder erhöhten regulatorischen Aufwand auf Herstellerseite benötigen, käme die Erfolgsgeschichte absehbar zu einem unerwünschten Ende.

Der ZIV (Zweirad-Industrie-Verband) stellte fest, dass bereits vor der Europawahl 2024 einzelne EU-Ministerien angekündigt hatten, zahlreiche rechtliche Regelungen nach der Wahl neu zu fassen. Angekündigt wurden auch Neureglungen im Fahrzeugbereich, die zu einer Neugestaltung der bisherigen EPAC-Regulierung führen würden. Als „EPACs“ werden im rechtlichen Rahmen die rund 16 Millionen E-Bikes allein in Deutschland bezeichnet.

Der ZIV – Die Fahrradindustrie hat daraufhin die Meinungsbildung und technische Diskussion der Mitgliedsunternehmen, welche Regulierung aus Sicht der Industrie die richtige ist, gestartet. Inzwischen hat der Verband die Ergebnisse vorgelegt, die aber nicht allen Interessengruppen vollständig gefallen.

Bisherige Regelung

Aktuell wird das EPAC in der Europäische Verordnung 168/20132 beschrieben. Die Verordnung legt Anforderungen an die Typgenehmigung von Fahrzeugen fest. Nach Kapitel 1, Artikel 2 sind jedoch bestimmte Fahrzeuge von der Typgenehmigungsverordnung befreit. So auch entsprechend Absatz h: „Fahrräder mit Pedalantrieb mit Trethilfe, die mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer maximalen Nenndauerleistung von bis zu 250 W ausgestattet sind, dessen Unterstützung unterbrochen wird, wenn der Fahrer im Treten einhält, und dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und unterbrochen wird, bevor die Geschwindigkeit des Fahrzeugs 25 km/h erreicht.“ Somit ist ein EPAC rechtlich einem Fahrrad gleichgestellt.

Der ZIV weist selbst darauf hin, dass durch diese Regelung auch Herausforderungen entstehen, etwa durch Grauzonen und unklare Definitionen. So heißt es in der ZIV-Stellungnahme: „Die derzeit festgeschriebenen Werte
und Anforderungen der Verordnung (EU) 168/2013 sind grundsätzlich sinnvoll und müssen beibehalten werden, lassen jedoch Spielraum für Interpretationen und decken nicht alle fahrdynamisch relevanten Aspekte ausreichend ab. Fahrzeuge, die rechtlich als Fahrräder eingestuft werden, jedoch eine sehr hohe Maximalleistung oder ein überproportionales Unterstützungsverhältnis aufweisen, verwischen die Grenze zwischen EPAC und Kraftfahrzeugen der Kategorie L1e. Insbesondere fehlen in der aktuellen Regulierung präzisere Vorgaben zu Eigenschaften, die ein fahrradähnliches Fahrverhalten kennzeichnen. Diese zum Teil unzureichende Differenzierung stellt eine Herausforderung für die Marktüberwachung und die rechtliche Einordnung von EPAC dar.“

Trennscharfe Abgrenzungen als Zielsetzung

Um die Abgrenzung von E-Bikes/EPACs zu Kraftfahrzeugen weiter trennscharf leisten zu können, hat der ZIV und seine Mitgliedsunternehmen eine eigene Position erarbeitet. Insbesondere das Unterstützungsverhältnis sowie die maximale Unterstützungsleistung des elektrischen Antriebs seien hier wesentliche Kriterien.

Das Unterstützungsverhältnis bezeichnet das Verhältnis zwischen der vom Fahrenden aufgebrachte Kraft zur Bewegung von Pedalen und Kurbel und der elektrischen Unterstützung des Antriebs. Ein fast ausschließlich elektromotorischer Antrieb ohne körperlichen Kraftaufwand kann nicht der Definition eines EPAC entsprechen. Das bedeutet, dass die Fahrenden stets einen aktiven Beitrag zum Antrieb des Fahrrads leisten müssen.

Zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel für das Unterstützungsverhältnis: Ein Fahrender bringt eine Eigenleistung von 100 W auf. Bei einem Unterstützungsverhältnis von 1:4 würde der Elektroantrieb maximal das Vierfache dieser Leistung beisteuern, also 400 W. Das ergibt eine Gesamtleistung von 500 W am Antriebsrad. Diese Begrenzung stelle sicher, dass das EPAC weiterhin in den Bereich der aktiven Mobilität fällt und sich von einem reinen Kraftfahrzeug abgrenzt.

Die maximale Unterstützungsleistung beschreibt die vom elektrischen Antrieb bereitgestellte Leistung, die gemeinsam mit der mechanischen Leistung des Fahrenden für den Vortrieb des EPAC sorgt. Die maximale Leistung müsse sich in einem sinnvollen Verhältnis zur menschlichen Leistungsfähigkeit bewegen, um eine realistische und fahrradähnliche Leistungscharakteristik Sicherzustellen, heißt es im Positionspapier. Dieses wird übrigens auch vom europäischen Dachverband Conebi mitgetragen.

Insgesamt formuliert der ZIV folgende zusätzlich Parameter, die ein E-Bike kennzeichnen sollen:
‒ Unterstützungsverhältnis 1:4 und
‒ Unterstützungsverhältnis 1:6 bis max. 15 km/h möglich4 und
‒ maximale Unterstützungsleistung am Antriebsrad 750 W und
‒ max. 250 kg Gesamtgewicht für einspurige EPAC5 oder
‒ max. 300 kg Gesamtgewicht für mehrspurige EPAC

Kritik an 300-kg-Regel

An dem Punkt der 300 Kilogramm als Obergrenze für E-Bikes und damit Fahrräder kommt bereits Kritik auf. Der Radlogistik Verband Deutschland (RLVD), lobt zwar wichtige Ansätze in diesem Vorschlag, fordert aber in einer eigenen Stellungnahme ein klares Bekenntnis zu kommerziell genutzten Cargo-Bikes, die in der Praxis bereits jetzt die 300 Kilogramm Gewicht überschreiten. „Eine Gewichtsbeschränkung von 300 kg für mehrspurige Räder ignoriert die Realität der Radlogistik“, erklärt Helge Neubauer vom RLVD. „Wenn wir die Verkehrswende ernst nehmen, müssen auch große, effiziente Lastenräder rechtlich Fahrräder bleiben.“

Daher appelliert der RLVD an die Verantwortlichen in Berlin, bei allen künftigen regulatorischen Überlegungen die Realität im Wirtschaftsverkehr nicht aus dem Blick zu verlieren. Gewerblich genutzte Lastenräder mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 300 kg – sogenannte Commercial Cargo Bikes – bräuchten verlässliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, die ihrer Rolle als wirtschaftlicher und ökologischer Gamechanger gerecht werden. Bereits heute würden auf europäischer Ebene im Rahmen der CEN-Normung (DIN EN 17860) Standards für diese Fahrzeugklasse geschaffen und konkret beschrieben. Diese Regelwerke sollten bei nationalen und europäischen Regelungen unbedingt respektiert und einbezogen werden, um Planungssicherheit zu schaffen und eine zukunftsfähige Industrie zu stärken.

„Wir teilen mit dem ZIV die Einschätzung, dass für diese Fahrzeuge angepasste technische Parameter sinnvoll sind. Wichtig ist dabei aber, dass diese Fahrzeuge weiterhin unter den Fahrradstatus fallen – mit den entsprechenden rechtlichen Befähigungen, etwa die Führerscheinfreiheit oder bei der BAFA-Förderung.“

9. April 2025 von Daniel Hrkac

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