
Porträt - Panasonic
Zurück ins Rampenlicht
Es ist zwar schon einige Jahre her, aber nicht vergessen: Zu Beginn der E-Bike-Entwicklung war Panasonic mit seinen Antrieben der Marktführer in Deutschland. Sie haben das Feld bestellt, auf dem das Kundenvertrauen wuchs und der gesamte Markt gedeihen konnte. Insbesondere mit dem Erfolg der Marke Flyer in dieser Zeit gelangte der Antrieb zu großer Verbreitung. Auch heute ist Panasonic noch Marktführer – allerdings nicht mehr in Deutschland, sondern auf dem Heimatmarkt in Japan.
Dort ist Panasonic der unbestrittene Platzhirsch, der seine Marktbedeutung immer weiter ausgebaut hat. Heute kommt Panasonic mit seinen Marken auf über 60 Prozent Marktanteil – und das nicht als Antriebs-, sondern als Hersteller von kompletten E-Bikes. Wenn man den Analysten vertrauen mag, wurden 2023 etwa 742.000 Elektrofahrräder in Japan verkauft, womit Panasonic dann auf einen Anteil von über 445.000 Einheiten käme. Tatsächlich produziert das Unternehmen mit seiner Fahrrad-Fabrik in Osaka in großem Maßstab E-Bikes aus Stahl für den heimischen Markt. Diese Räder orientieren sich an den Bedürfnissen des lokalen und asiatischen Marktes. Die Antriebe, die für Europa entwickelt und hergestellt werden, kommen dort bislang nur in sehr kleinem Umfang zum Einsatz. Stattdessen werden günstigere Zwei-Achsen-Systeme verbaut, die robust und langlebig sind, aber nicht so leistungsstark und gewichtsoptimiert wie die Antriebspakete für westliche Märkte.
Um den Fahrradmarkt kümmert sich innerhalb des Mischkonzerns Panasonic die Geschäftseinheit Panasonic Cycle Technology (PCT). Ihren Sitz hat sie in Osaka und produziert ihre Räder unter Bedingungen, die sich keinesfalls hinter den Fabriken in Europa zu verstecken brauchen. Tatsächlich leistet sich PCT auf den knapp 23.000 Quadratmetern Fabrikfläche einige Besonderheiten, die in Europa schwerlich zu finden sind.
Panasonic-Fahrräder werden natürlich auch mit Panasonic-Werkzeug hergestellt. Es gibt kaum eine Kategorie, in der Panasonic nicht auch ein passendes Produkt zur Verfügung hat.
Eigene Rahmenproduktion
Sofort fällt die Rahmenproduktion auf, in der noch in großem Umfang geschweißt und gelötet wird. Die Räder in Japan bauen zumeist auf einem Stahlrahmen auf. Darauf ist auch die Fabrik in Osaka ausgelegt. Schweißroboter, natürlich aus dem Panasonic-Konzern selbst, verbinden Stahlrohre mit geringsten Toleranzen. Ganz vollautomatisch ist die Fertigung nicht. Für das Löten der Muffen ist immer noch ein Anteil an Handarbeit notwendig. Dennoch ist automatisiert, was sich automatisieren lässt. Dazu gehört auch die hochmoderne Lackieranlage. Die Fabrik ist ein schöner Beleg, dass eine wirtschaftliche Rahmenproduktion auch in einer hoch entwickelten Industrienation sehr wohl möglich ist. Nach Fertigstellung werden die Räder dann in einem anderen Stockwerk von den Mitarbeitenden zusammengeschraubt, natürlich mit Panasonic-Akkuschraubern.
Dieses Elektrofahrrad von Panasonic, damals unter der Marke National vertrieben, gilt als die Keimzelle des heutigen Elektrofahrrads.
Eine Besonderheit der Fahrradproduktion in Osaka besteht darin, dass man sich immer noch eine Maßfertigung von Fahrradrahmen leistet. Obwohl dieser Bereich weniger als 1000 Rahmen pro Jahr produziert, erfüllen die Mitarbeitenden aus diesem Bereich alle umsetzbaren Kundenwünsche. Als Rahmenmaterial stehen Stahl und Titan zur Verfügung, und auch wenn man es anders vermuten würde, entscheidet sich der weitaus größere Teil der Kundschaft für die gemuffte Stahlversion. Das liegt daran, dass die Kunden zumeist professionelle oder sehr ambitionierte Radsportler sind, oft aus dem heimischen Keirin-Umfeld, und sehr genaue Vorstellungen haben, wo sie gerne einen Millimeter mehr Material haben wollen und wo nicht.
Der dritte große Baustein der Fertigung in Osaka ist die Antriebsproduktion. Hier erfolgt aus den verschiedenen Bauteilen die Endmontage der Antriebe, bevor sie entweder gleich einen Stock höher verbaut werden oder in den Export gehen. Hier wird es dann wieder für den europäischen Markt interessant. Auf diesem Feld hat man sich einiges vorgenommen. Insbesondere wollen die Verantwortlichen mit einem mehrjährigen und mehrstufigen Plan in Europa verlorenes Terrain zurückgewinnen. Zum einen arbeitet man dafür an einer Produktoffensive, die Panasonic-Motoren wieder die Bedeutung verleihen soll, die sie schon einmal hatten. Zum anderen weiß man, dass ein gutes Produkt alleine noch nicht reicht, sondern auch der Service drumherum stimmen muss.
Dieser soll dann natürlich nicht über Japan gestemmt werden. Stattdessen baut Panasonic bereits jetzt ein Service-Netzwerk auf, bei dem renommierte Partner die lokalen Märkte betreuen. Seit Juli ist Cyklo Zytny aus Tschechien für Osteuropa zuständig. Erst vor wenigen Tagen wurde eine vergleichbare Partnerschaft für Deutschland geschlossen. Seitdem tritt Messingschlager als Partner von Panasonic in Deutschland auf. Südeuropa wird von Italien aus bedient.
Maßgefertigte Fahrräder sind ein Luxus, der ebenfalls zum Angebot von Panasonic gehört. Geschätzt werden die Custom-Made-Rahmen vor allem von Radsportheroen der Gegenwart und Vergangenheit.
Langfristige Pläne für Europa
Zum Dritten hat man in Japan schon einen langfristigen Plan. Die verantwortlichen Manager kennen den Markt und erwarten keine erdrutschartigen Verschiebungen der Verkaufszahlen. Stattdessen wollen sie Schritt für Schritt überzeugen. Die Wahl der Partner hängt eng damit zusammen. Zunächst will man in Osteuropa weiter Marktanteile gewinnen. Dort habe man nach wie vor relevante Stückzahlen und will darauf aufbauen. In der Folge soll auch in Südeuropa der Name Panasonic wieder an mehr elektrisch unterstützten Fahrrädern Verbreitung finden. Erst dann will man die hochumkämpften Märkte in Mitteleuropa und insbesondere Deutschland in den Fokus nehmen. Langer Atem statt Aktionismus ist also angesagt. Aus dieser Position heraus dürften die Chancen gar nicht so schlecht stehen, hierzulande wieder Fuß zu fassen oder darüber hinaus den Markt mitzugestalten. Man darf gespannt sein, wohin die Reise führt. //
Der Fahrradmarkt in Japan
Der japanische Fahrradmarkt weist einige bemerkenswerte Charakteristika auf, die insbesondere im Vergleich mit dem deutschen Markt sehr aufschlussreich sind. Die für 2024 prognostizierten knapp 124 Millionen Einwohner des Landes kauften zuletzt rund 5 Millionen Fahrräder und E-Bikes. Die Zahl hat sich damit innerhalb weniger Jahre fast halbiert.
Bemerkenswert ist Japan auch, weil sich dort zeigt, wie heute ein Fahrradmarkt aussehen kann, wenn es dort kein Fahrrad-Leasing gibt. Von den 5 Millionen Rädern fährt weniger als eine Million mit einem Elektromotor. Ein Großteil dieser E-Bikes ist zudem im (für europäische Verhältnisse) niedrigen Preissegment angesiedelt. Zwischen 1000 und je nach Ausstattung etwa 1400 Euro teuer sind die am häufigsten verkauften Elektrofahrräder. Es handelt sich dabei um Räder, die man wohlwollend als kompaktes Lastenrad bezeichnen könnte. Sie dienen im Alltag und insbesondere als Möglichkeit zum Kindertransport. Der Kindersitz gehört oft zur Standardausstattung. Antriebe sind dann günstige und unkomplizierte Zwei-Achsen-Systeme, die auf die in Japan erlaubten 24 km/h beschleunigen können. Aufgrund der nicht europäischen Standards entsprechenden Ausführung können sie nicht importiert werden. Die Hersteller scheuen den hohen Aufwand samt Kosten. Panasonic ist im Heimatmarkt der marktführende Hersteller bei E-Bikes mit über 60 Prozent Marktanteil.
Panasonic und das Fahrrad
Die Historie des Konzerns Panasonic ist enger mit dem Fahrrad verbunden, als man zunächst annehmen würde. Das hat viel mit dem Unternehmensgründer Konosuke Matsushita zu tun, geboren 1894. Mit 9 Jahren musste er die Schule verlassen, um Geld zu verdienen. Nach drei Monaten in einem Warenhaus, das dann sein Geschäft aufgeben musste, landete er in einem Fahrradladen als Lehrling. Mit 13 Jahren verkauft er dort sein erstes Fahrrad. Der Legende nach verlangte der Kunde 10 Prozent Rabatt, was der Inhaber trotz Bitten, Flehen und Weinen des jungen Konosuke ablehnte. Der Kunde gab sich schließlich mit 5 Prozent zufrieden, war aber beeindruckt vom Einsatz des jungen Verkäufers. Er erklärte, dass er künftig immer bei ihm Fahrräder kaufen werde. Die Lektion für den jungen Geschäftsmann war, dass »Ehrlichkeit, die das Herz eines anderen Menschen berührt, wesentlich ist, wenn man Geschäfte machen will.« Er blieb sechs Jahre lang im Fahrradgeschäft, bis er den Mut fand, weiterzuziehen. »Alles, was ich heute bin, ist das Resultat dessen, was ich in diesen sechs Jahren gelernt habe«, erklärte er später im Leben.
Sein Wechsel hatte auch damit zu tun, dass er den Siegeszug der Elektrizität sah und Zweifel an der Zukunft des Fahrrads bekam. Er wechselte zu den Elektrizitätswerken Osaka, wo er drei Jahre blieb. Zwar machte er dort schnell Karriere, aber seine Ideen, wie eine selbst entwickelte Lampenfassung, wurden ignoriert und das Gehalt war mager. Er entschied sich, Unternehmer zu werden, um sein Produkt selbst zu produzieren und zu verkaufen. Matsushita Electric war geboren. Die Produktion gelang ihm schon bald zusammen mit seinen Partnern und Freunden (alle ebenfalls jung, der jüngste war erst 15), aber der Verkauf scheiterte. Die Rettung des Jungunternehmers kam über Umwege mit anderen Produkten. Den kommerziellen Durchbruch brachte dann eine selbst entwickelte, batteriebetriebene Fahrradlampe. Die 30 Stunden Betriebszeit klingen heute noch zeitgemäß, in Zeiten von Kerzenlicht, Öllampen und Karbid am Fahrrad waren sie ein Gamechanger. Konosuke schuf für die Leuchte ein eigenes, landesweites Vertriebssystem, bei dem die Ware am Anfang als Kommissionsware in die Läden gestellt wurde.
Eine Weiterentwicklung der Lampe, die auch als Taschenlampe diente, wurde unter dem neuen Markennamen »National« vertrieben. Mit einer aggressiven Verkaufsstrategie wurde »National« schließlich zum Synonym für »Taschenlampe« in Japan. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden zeitweise 3 Millionen Stück monatlich verkauft.
Seit 1952 werden auch Fahrräder vom Konzern produziert, nicht zuletzt wegen Konosukes Fahrradhistorie. Auch hier war das Unternehmen sehr erfolgreich. 1980 stellte Panasonic beziehungsweise dessen Marke National das erste E-Bike vor. Erst in den 60er-Jahren entstand der Markenname Panasonic, 2008 folgte die Umbenennung des Gesamtkonzerns. Das erste E-Bike war noch als Mofa zuzulassen und nur mit Führerschein zu fahren. Es gilt heute als der Ursprung des modernen Elektrofahrrads. Konosuke Matsushita starb 1989. Heute beschäftigt Panasonic als Konzern über 233.000 Mitarbeitende und erzielte 2023 einen Umsatz von 51,6 Milliarden Euro.
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