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Der Entsorger Remondis ­liefert neuerdings auch Behältnisse für Transport und Lagerung von E-Bike-­Batterien.
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Report - Akku-Recycling

Kreislauf und ­Material mit Tücken

Rund vier Millionen E-Bikes und mindestens ebenso viele E-Bike-Akkus sind alleine in Deutschland gegenwärtig unterwegs oder stehen in Kellern. Auch wenn die Akku-Technik immer weitere Fortschritte macht, sind alleine aufgrund der im Markt ­befindlichen Mengen einige Probleme absehbar.

Die Welt der E-Bike-Batterien könnte eigentlich ganz einfach sein: Akkus lassen sich über mehrere Jahre problemlos nutzen. Nach ihrem Lebensende, also wenn die Speicherkapazität schon stark nachgelassen hat, bringen die Kunden sie zum Händler zurück, der den Akku sicher verpackt zum umweltfreundlichen Recycling weiterversendet. Leider ist es wie so oft: In der Theorie funktioniert alles wunderbar, aber in der Praxis haben sowohl das Material, wie auch der Mensch ihre Tücken.

Sicherheit und Leistungskraft der Akkus steigen

»Die Akkus der neuen Generation haben eine Lebenszeit von sechs bis acht Jahren. Das sogenannte ›End of Life‹ wird dabei mit 80 Prozent der Nennkapazität angegeben«, erklärt Sven Bauer, CEO und Gründer von BMZ, einem mit 2.300 Mitarbeitern führenden Unternehmen in der Entwicklung und Montage von Akkus für verschiedenste Anwendungen, darunter E-Bikes, Gartengeräte und Akkuschrauber. »Von der Zyklenzahl gesehen, reden wir heute von 2200 Zyklen – also bei einem Bike, das man 200-mal im Jahr nutzt, dann über zehn Jahre. Früher hat man von 500 Zyklen gesprochen und von zwei bis drei Jahren.«
Nicht nur bei der Langlebigkeit, auch bei der Sicherheit sieht Sven Bauer bei modernen Akkus aus Qualitätsfertigung keine Probleme: »Das Batteriemanagement-System schaltet bei allen Risiken ab, auch bei Fehlverhalten des Kunden, Temperatur, Kurzschluss, Überspannung oder falschem Ladegerät.« Die Kommunikationsschnittstelle eines Antriebssystems würde das Ladegerät ebenso anfragen wie den Motor, damit nur kompatible Komponenten miteinander verbunden werden können. »Wenn dem nicht so ist, schaltet der Akku ab.« In den letzten Jahren seien E-Bike-Batterien zudem, so Bauer, auch durch die zurückgehende Zahl an Billigimporten aus China insgesamt nochmal wesentlich sicherer geworden.

Probleme im Detail – und beim Faktor Mensch

E-Bike-Akkus lassen sich im Prinzip gut recyceln. Die Rückgewinnung der wertvollen Rohstoffe wie Kobalt und Nickel ist zudem auch wirtschaftlich sinnvoll. In der Praxis ist das effiziente Recycling allerdings schwieriger als gedacht. Ein Problem sind dabei die bislang noch zahlenmäßig geringen Rückläufe, die nur zu einem Teil durch die lange Lebensdauer der Akkus erklärbar sind. So stellt das Umweltbundesamt in seiner im August 2014 erschienen Broschüre »E-Rad macht mobil. Potenziale von Pedelecs und deren Umweltwirkung« für das Jahr 2011 eine Sammelquote von lediglich sechs Prozent fest. Mitursächlich sei wohl auch die Zwischenlagerung in den Haushalten und eine falsche Entsorgung über die Restmülltonne. Dazu kommt die große Vielfalt von E-Bike-Akkusystemen einer Vielzahl von Herstellern, unterschiedlichen Herstellungsdatums und mit ganz unterschiedlichen Mengen an Inhaltsstoffen. Damit bleibt auch für die auf Batterierecycling spezialisierten Unternehmen regelmäßig im Dunkeln, wo sich welche Verfahren zur Rückgewinnung lohnen könnten.

Optimierung und Risikominimierung ist leicht möglich

Mit dem Thema E-Bike-Akkus beschäftigt sich seit einiger Zeit auch die Remondis-Gruppe, mit 32.000 Mitarbeitern eines der weltweit größten privaten Dienstleistungsunternehmen für Recycling, kommunale Services und Wasserwirtschaft. »Als Entsorger ist Remondis nah an den Unternehmen und Kommunen und wird gerne direkt angesprochen«, erläutert Robert Sonnenschein, Geschäftsführer der Remondis Industrie Service GmbH & Co. KG im Gespräch mit velobiz.de. »Deshalb kennen wir die möglichen Probleme mit Lithium-Ionen-Akkus recht genau aus der Praxis.«
Seiner Meinung nach ließen sich die bestehenden Rückhol- und Recyclingsysteme schon heute deutlich verbessern. Zum Beispiel mit einem Pfandsystem wie bei Autobatterien, das einen Anreiz zur Rückgabe bietet, anstatt der aktuellen kostenlosen Rücknahme, sowie einer besseren Sortierung durch eine elektronisch auslesbare Kennzeichnung der Akkus, die Rückschlüsse auf den Inhalt und perspektivisch auch den Besitzer zuließe.
Sorgen mache man sich bei Remondis auch um die Sicherheit bei der Lagerung und beim Transport, auch wenn man keineswegs Angst verbreiten wolle. So fingen die ersten Probleme bereits bei der Herstellung von Elektrogeräten an, zu denen auch Pedelecs zählen. Denn hier käme es auf eine sichere Lagerung der Akkus in den Produktionshallen ohne lange Wege an. »Energiereiche Akkus unbeaufsichtigt und ungeschützt liegenzulassen, bedeutet immer ein Risiko. Denn bei den aktuellen hohen Stückzahlen in der Verarbeitung reicht schon eine minimale Zahl an technischen Defekten oder Unfällen, um einen Brand oder schlimmstenfalls eine kaum kontrollierbare Kettenreaktion auszulösen.«
Natürlich spricht niemand gerne offen über die Gefahren, die von E-Bike-Akkus der gängigen Größenordnungen mit über 500 Wattstunden ausgehen. Aber so viel scheint klar: So sicher sie auch sind, sie bieten, jeder für sich und vor allem im ungeschützten Verbund, allein aufgrund ihrer Energiedichte einen hohen Risikofaktor. Umso erstaunlicher ist, dass es laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bislang keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften für die Lagerung und die Bereitstellung von Lithium-Batterien gibt. Vielleicht ja ein Versäumnis, wenn man auf Brände bei E-Bike-Herstellern oder Fahrradläden schaut, über die natürlich nie gerne geredet wird. Der GDV empfiehlt in einer Broschüre übrigens Bereiche mit Lithium-Batterien mittlerer Leistung, wozu Pedelec-Akkus zählen, »räumlich (mindestens 5 Meter) oder baulich feuerbeständig« von anderen Bereichen abzutrennen.

Risiken im Keller, bei Paketdiensten und im Handel

Brandrisiken sieht der Entsorgungsexperte Sonnenschein aber nicht nur bei den Herstellern von Elektrogeräten, sondern im besonderen Fall der E-Bike-Akkus auch bei Privatkunden, Händlern und Paketdiensten. Kritisch sei zum Beispiel die weit verbreitete Mentalität, Geräte nach ihrem Nutzungsende noch einige Jahre im Haushalt aufzubewahren. Dieses als Hoarding-Effekt bezeichnete Verhalten führt nach Expertenmeinung dazu, dass Akkus allgemein nicht nach dem nach zwei bis sieben Jahren zu erwartenden End-of-Life-Stadium, sondern erst nach vier bis zehn Jahren zurückgegeben würden. Die restliche Zeit liegen die Akkus also wahrscheinlich, defekt und tiefenentladen, unbeaufsichtigt irgendwo im Keller oder in der Garage. Und gerade Akkus älterer Bauart sind nach einer Tiefenentladung oder einem Defekt wohl alles andere als sicher.
Nachdenklich stimmt auch die, nach den Erfahrungen von Remondis, gängige Praxis, defekte Akkus ohne Kennzeichung als Gefahrgut per Post zu versenden, was gesetzlich strikt verboten ist. Allein ein Blick ins Internet auf eBay zeigt, dass E-Bike-Akkus oder Akku-Packs in reichlicher Zahl inklusive »Versand als Paket« zum Verkauf angeboten werden. Eine gute Frage ist auch, ob sich die Nutzer und Fahrradhändler immer an die Vorschriften halten, oder Ihnen die gesetzlichen Regelungen und mögliche Probleme überhaupt bewusst sind.
Was also tun mit einem alten und/oder defekten Akku? Wertstoffhöfe, auf die branchenfremde E-Bike-Verkäufer mangels Know-how gerne verweisen, sind für den sicheren Umgang mit beschädigten Lithium-Industriebatterien oft nicht vorbereitet. »Viele Anwender, aber auch viele Händler, bei denen alte Akkus ja gemäß Rücknahmesystem zurückgegeben werden sollen, machen das, was menschlich nachvollziehbar, aber falsch und potenziell gefährlich ist: Erst einmal irgendwo weglegen und weiterschauen«, berichtet Robert Sonnenschein. Problematisch wird es nach Meinung der Fachleute von Remondis, für die auch die Entsorgung von Gütern, die sich bereits im kritischen Zustand befinden, zum Tagesgeschäft gehören, wenn der Akku nicht nur einfach alt ist, sondern einen unbekannten Defekt hat, zum Beispiel einen Sturz- oder Wasserschaden. Im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich würde es, wenn der Akku bereits Anzeichen von Aufblähen oder Ausgasen zeige. Natürlich könne man eine sichere Abholung organisieren, die Kosten dafür lägen allerdings schnell bei über tausend Euro.

Neuentwicklungen machen Lagerung sicherer

Unter dem Markennamen Retron hat Remondis ein Lager- und Transportsystem für Lithium-Ionen-Batterien entwickelt, das die Risiken für private und gewerbliche Anwender, aber auch für Tourismusbetriebe wie Hotels oder Verleihstationen minimeren soll. Herzstück des Systems sind im Bereich Gefahrgut bekannte stapel- und rollbare Stahlbehälter in drei Größen, die Remondis hochtemperaturresistent ausgerüstet hat, sowie Taschen, die einen Standardakku aufnehmen und einen soliden Brand- und Flammschutz bieten. »Mit unserem System hat der Anwender einen hocheffektiven Brand- und Explosionsschutz – bei den Behältern inklusive Rauchgasabführung«, so Remondis-Geschäftsführer Sonnenschein. »Was aber genauso wichtig ist, ist die im Vergleich zu den bekannten Fässern mit Schüttgut deutlich leichtere Handhabung im täglichen Gebrauch, die es privaten und gewerblichen Anwendern ermöglicht, den Umgang mit E-Bike-Akkus ohne großen Aufwand und mit überschaubaren Investitionen wirklich sicher zu machen.«
Die Retron-Behälter kommen ohne Schüttgut aus, sind UN-zugelassen für den Transport von Neuware sowie auch gebrauchten, defekten oder kritischen Lithium-Ionen-Batterien und bieten maximalen Schutz. Bei einer Innentemperatur von 1.000 Grad Celsius liegt die Außentemperatur laut Remondis bei unter 100 Grad – und das drei Tage lang. Zudem bietet der solide Metallbehälter, dessen Wände mit einer speziellen Isolierung versehen sind, Schutz vor Druckstößen und Projektilen. Für die Rauchgasabführung gibt es ein Ventil, das ein Explodieren des Behältnisses verhindert und an das per Schlauch ein bestehendes Abführungssystem angeschlossen werden kann. Das System ist zudem zukunftssicher und erfüllt laut Remondis sämtliche im kommenden Jahr anstehenden Änderungen des Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Der Entsorger bietet das System zum Kauf und zur Miete inklusive Abhol- und Austauschservice an.
Einen effektiven Brandschutz bieten aber bereits auch die neu entwickelten faltbaren und leichten Taschen, die auch für den Hausgebrauch, Stichwort Kellerlagerung im Winter, den Fahrradladen oder den Tourismus gut geeignet sind. Eine dünne Blähgraphit-Schicht vergrößert im Brandfall ihr Volumen und sorgt damit dafür, dass die Außentemperatur nicht über 170 Grad ansteigt. »Diese Temperatur reicht nicht zur Entzündung anderer Materialien und so lassen sich beispielsweise auch Kettenreaktionen in Sammelbehältern verhindern«, so der Entsorgungsexperte im Gespräch. Wichtig sei dabei auch der Sofortschutz für kritische Akkus. »Was tut ein Anwender mit einem aufgeblähten Akku im Keller?« Diese Frage sei bislang ebenso unbeantwortet, wie die nach der Sicherheit von Akkus, die einen Schaden erlitten hätten oder beim Ladevorgang heiß würden. Weiterer Vorteil der Taschen: Sie bieten einen Stoßschutz, eine rutschfeste Oberfläche und Gurte, wodurch sich der Akku gut verstauen lasse. Zudem lässt sich der Akku in der Tasche laden.

Offen für Kooperationen und neue Geschäftsmodelle

Für Kooperationen mit Unternehmen aus der Fahrradbrache zeigt sich das Unternehmen offen. »Gerade bei den Taschen, die wir in verschiedenen Farben und gebrandet produzieren können, sehen wir neben Fahrradläden ein Potenzial für OEMs, die ihren Kunden Sicherheit mit verkaufen wollen, aber auch für den Endkundenmarkt, Versicherer und Touristiker«, so der Geschäftsführer der Remondis Industrie Service. »Hier befinden wir uns gerade in der Findungsphase zu Preisen und Geschäftsmodellen.«
Und die Kosten für das Sicherheits-plus? Als Richtlinie für die Tasche wird ein Verkaufspreis für Endkunden von ca. 100 Euro angestrebt. Einen kleinen Retron-Behälter auf Mietbasis soll es je nach Laufzeit bereits ab 62 Euro pro Monat geben. Wenn man bedenkt, dass es in der Regel nicht nur um Sachschäden, sondern oft auch um die Existenzgrundlage sowie Leib und Leben geht, sicher keine schlechte Investition.

2. Juli 2018 von Reiner Kolberg
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