Portrait - RIM
Der Online-Düsentrieb
Wollte man Röttger mit einem Wort charakterisieren, dann wäre wohl Internet-Erfinder eine durchaus treffende Beschreibung. Nicht etwa weil der Gevelsberger das Internet erfunden hätte, Röttger hat aber seit der Gründung seiner Firma RIM vor rund 16 Jahren zahlreiche Ideen zur Marktreife entwickelt, mit denen Unternehmen – und hier insbesondere Einzelhändler – neue Online-Technologien ohne viel Aufwand nutzen können.
Diese Grundidee, die Potenziale des Internets für jedermann bezahlbar und nutzbar zu machen, steckte schon im ersten Produkt von Röttger, dem Shopping-Portal bikeshops.de, das in der Branche oft auch als Ebay für den stationären Fahrradverkauf beschrieben wird. Als Röttger das Portal 1996 online stellte, kostete der Unterhalt einer Website samt eigener Domain schnell mehrere tausend Mark im Jahr. Zuviel für die meisten Fahrradhändler in Deutschland. Die kostengünstige Antwort darauf war die Infocard auf bikeshops.de, quasi eine Visitenkarte im Internet mit eigener (Subdomain-)Adresse, E-Mail-Funktionalität und den wichtigsten Angaben zum Laden.
Die weitere Entwicklung von bikeshops.de ist in der Fahrradbranche weitgehend bekannt: Auf die Infocards folgte bald die Erstellung kompletter Websites für Fahrradhändler auf Grundlage vorhandener Muster-Designs. Wer sich schon mal wunderte, warum sich die Websites der meisten Fahrradhändler mitunter sehr ähneln, findet die Erklärung im Erfolg von RIM. Inzwischen setzen über 1000 Fahrradhändler in Deutschland auf die Internet-Dienste des Unternehmens. RIM ist zudem Partner des Händlerverbunds Bico bei der Umsetzung von Internet-Lösungen für die Mitglieder. Und auch in der Sportbranche hat RIM als Dienstleister von Bico-Partnerverband Sport 2000 längst mehr als nur einen Fuß in der Tür: Mehrere hundert Sporthändler präsentieren sich im Internet mit Lösungen von RIM.
Die dabei verwendeten standardisierten Lösungen haben für den Fahrrad- und Sporthandel einen unbestreitbaren Vorteil: Anwendungen, die von einem einzelnen Unternehmen kaum umsetzbar wären, sind in der Masse durchaus darstellbar. Wer als Händler etwa ein bestimmtes Fahrrad auf seiner Website bewerben will, findet die entsprechenden Daten samt Bildmaterial schon fixfertig im Verwaltungsbereich seiner Website. Die Informationen speisen sich aus der Datenbank, die mit Informationen zu mehreren zehntausend Fahrradmodellen gefüttert ist. Andere Module, die Fahrradhändler per Maus-Click einfach in ihre Website übernehmen können, sind beispielsweise Gutschein-Generatoren, individualisierte Web-To-Print-Flyer , 3D-Fotografien und komplette Online-Shop-Module – natürlich mit vorbereiteter Anbindung an die gängigen Warenwirtschaftssysteme im Fahrradmarkt. In den letzten Jahren haben zudem auch bewegte Bilder zunehmend an Bedeutung gewonnen: Wer eine Marke oder ein bestimmtes Modell mit Videos auf seiner Website präsentieren will, findet dafür eine Auswahl von inzwischen mehreren hundert professionell gemachter Beiträge. »Der Händler sollte seine wertvolle Zeit mit seinen Kunden im Ladenlokal verbringen und nicht mit mühsamer Dateneingabe. Ergo ist unser Ziel, Zeit zum Handeln zu schaffen«, sagt Röttger.
Schwierige Beziehungen
Während RIM mit seinem Portal im Einzelhandel in den vergangenen 16 Jahren ein immer größeres Netzwerk spann, blieben die Beziehungen zu Lieferanten in der Branche lange Zeit ein eher schwieriges Terrain für Röttger und sein Team. Obwohl RIM seine Dienste ausschließlich stationären Fachhändlern anbot, gingen bei vielen Lieferanten die roten Alarmleuchten an, wenn die Mitarbeiter von RIM etwa um Bilder der aktuellen Fahrradmodelle für die umfangreiche Fahrraddatenbank anfragten. Das Problem: Während im Fachhandel an die tausend Unternehmen mit RIM bereits eng zusammen arbeiteten, war der Internet-Dienstleister bei vielen Markenanbietern noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.
Das änderte sich jedoch spätestens im Sommer 2010 als sich der Delius Klasing Verlag, bekannt als Herausgeber unter anderem der Fachmagazine Bike, Tour und Trekkingbike, mit 50 % an der RIM GmbH beteiligte. Den Verlag aus Bielefeld lockte unter anderem die Aussicht, das Netzwerk von RIM im Fachhandel in seine Aktivitäten mit einbeziehen zu können. Und Röttger suchte nach einem Partner, um eine Idee verwirklichen zu können, mit dem endlich auch eine Basis zur Zusammenarbeit mit Lieferanten geschaffen werden sollte: Die Partnerschaft mit Delius Klasing ermöglichte im Sommer 2011 den Startschuss für OnBikeX.de. Wer das Portal bikeshops.de schon kennt, dem wird das Konzept bekannt vorkommen: Auf OnBikeX.de präsentieren sich Marken und Hersteller mit virtuellen Messeständen. Besucher der Seite können wie auf einer Messe von Stand zu Stand gehen und sich über die Produkte und Angebote der verschiedenen Aussteller informieren.
Klingt nach der virtuellen Parallelwelt Second Life, ist es auch ein bisschen. Das eigentlich innovative an OnBikeX.de ist auch weniger das Konzept einer Online-Messe, als vielmehr deren Vernetzung mit anderen Angeboten aus dem RIM- und Delius-Klasing-Universum. Die zuvor schon erwähnten professionellen Produktvideos lassen sich beispielsweise genauso am Online-Messestand des jeweiligen Anbieters einbetten. Auch die Darstellung des Modellprogramms ist dank des umfangreichen Datenbestands von RIM eine Sache von wenigen Maus-Clicks. Und Delius Klasing steuert auf Wunsch seine redaktionellen Inhalte zu Marken und Produkten bei. Umgekehrt können die Informationen und Inhalte, mit denen Hersteller ihren Messestand füttern, aber auch von Fahrradhändlern im RIM-Netzwerk für ihre Websites genutzt werden. Eine Win-Win-Situation also.
Knapp 50 Marken und Anbieter präsentieren sich bereits auf OnBikeX.de, die darin weniger eine Konkurrenz für die eigene Website sehen, als vielmehr eine zusätzliche Möglichkeit, um sich beim Verbraucher im Prozess der Entscheidungsfindung vor dem Fahrradkauf zu positionieren.
Neue Ufer
Während OnBikeX.de nach etwas mehr als einem Jahr Präsenz im Internet immer besser ins Rollen kommt, buddelt RIM schon an der nächsten Großbaustelle: Im vergangenen Sommer sind die Gevelsberger nach langen Verhandlungen vom Schuh- und Lederwaren-Einkaufsverband ANWR als exklusiver Internet-Dienstleister für dessen Mitglieder auserkoren worden. Der Mammut-Auftrag: Für die über 11.000 angeschlossenen Verkaufsstellen in Europa soll ein ähnliches Online-Angebot wie bei bikeshops.de und OnBikeX.de aufgebaut werden.
Und während Röttger und sein 14köpfiges Team noch voll mit der Umsetzung der Projekte für ANWR beschäftigt sind, reift im Kopf des Branchen-Internet-Gurus bestimmt schon die nächste spannende Online-Idee. Wetten?
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