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Hat das Lachen nicht verlernt - German Möhren
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Interview: MTB-Kultladen macht zu

German Möhren: „Das Kaufverhalten der Kunden hat sich radikal verändert“

Noch bis zum 28.07. läuft der Ausverkauf bei Germans Cycles in Heidelberg. An diesem Tag endet dann ein Kapitel Mountainbike-Geschichte. Es gibt wohl nur wenige andere Läden, die von sich behaupten können, die Entwicklung des Mountainbikes mit geprägt zu haben. Velobiz.de sprach mit Gründer und Inhaber German Möhren über die Entwicklung des MTB-Marktes und die Gründe, die jetzt dazu geführt hat, dass ein MTB-Kultladen in Deutschland schließt.

Hat das Lachen nicht verlernt - German MöhrenDer Ausverkauf ist bereits in den letzten ZügenEin gutes Vierteljahrhundert Mountainbike-Geschichte geht am Standort in Heidelberg zu Ende

{b}Beginnen wir am besten am Anfang: 25 Jahre Germans Cycles – was sind die Highlights aus Ihrer Sicht in der Unternehmensgeschichte?{/b}

German Möhren: Am Anfang war es extrem spannend. Als ich angefangen habe, war die Fahrradbranche gerade mit der BMX-Welle ein bisschen auf die Nase gefallen. BMX war ja nur ganz kurz ein Hype und ist dann komplett zusammengebrochen.
Als ich den Entschluss gefasst hatte, einen Mountainbike-Laden aufzumachen, war ich vermutlich einer der ersten in Deutschland. Ich bin damals auf die IFMA nach Köln und habe mit Anbietern gesprochen, die Teile führten, die man für das Mountainbike verwenden konnte. Da haben etliche mit dem Kopf geschüttelt und gesagt 'Da wird nichts draus. Mit einem reinen Mountainbike-Laden, das kann nicht gehen'.

{b}Sie haben es trotzdem gewagt... {/b}

German Möhren: Ich habe mich nicht beirren lassen und habe wirklich ganz klein angefangen. Das Geschäft entwickelte sich jedoch so rasant, dass wir nach zwei Jahren begannen, einen größeren Laden zu suchen. Nach drei Jahren sind wir dann an unseren heutigen Standort gezogen. Neben den eigenen Rädern habe ich schon in den ersten Jahren Fremdmarken mit dazu genommen. Cannondale-Räder haben wir direkt importiert. Eine Niederlassung gab es lange Zeit ja nicht. Dann Specialized, als gerade die Niederlassung eröffnet wurde. Und Trek. Denen haben wir geholfen, einen ersten Katalog zu übersetzen. Dafür durfte ich mir das Werk in Amerika ansehen.

Die deutschen Importeure, wenn es sie denn vorhanden waren, hatten viele Produkte gar nicht im Programm. So hatten wir zu wirklich vielen Firmen einen direkten Draht. Irgendwann wurde es dann sehr umfangreich, ebenso stiegen jedoch auch die Ansprüche der Unternehmen. Einige haben dann nur noch Großkunden betreuen können und wollen.
Shimano fing an, jedes Jahr neue Modelle herauszubringen, was ja auch eine gewisse, fast schon ungute Dynamik in den Markt gebracht hat. Früher gab es wirkliche Neuheiten, später waren es dann eher Feinheiten.
Damals kamen die ersten Federgabeln, die ersten Scheibenbremsen, die ersten vollgefederten Räder. Das war die Zeit, die am spannendsten war.

Dann ist ja auch der MTB-Boom etwas abgeebbt und gleichzeitig hat sich das Segment immer weiter aufgesplittert. Heutzutage gibt es allein fünf oder sechs verschiedenen Fully-Kategorien. Das macht es natürlich auch für die Kunden immer schwieriger, sich zu entscheiden. Und für den Handel wird es immer schwieriger, ein vollständiges Sortiment zu bieten.

{b}Welche Gründe haben bei einer solchen Unternehmensgeschichte zu dem Entschluss geführt, das Geschäft aufzugeben? {/b}

German Möhren: Zum einen sind da natürlich finanzielle Gründe. Es kommt einfach immer weniger Geld rein, bei gleich hohem Arbeitspensum. Irgendwann muss man sich dann die Frage stellen: Lohnt sich das, den ganzen Tag im Laden zu stehen?

Eine Weile haben wir das mit Idealismus aufgefangen und gesagt 'es reicht uns' und wir leben gerade so davon. Es macht ja auch Freude und man hat sich etwas Eigenes aufgebaut. So etwas will man nicht so schnell aufgeben.

Es gab immer wieder Überlegungen in den letzten zwei, drei Jahren, was man machen könnte, um das Geschäft wieder zu beleben oder neu anzuschieben. Aber im Endeffekt liefen die Ergebnisse immer auf das Gleiche hinaus: Getroffene Maßnahmen wirkten nur kurzfristig und liefen bald wieder ins Leere. Und jetzt kommt der eigentliche Hauptgrund, weshalb ich jetzt zumache: Das Kaufverhalten der Leute hat sich radikal verändert.

Natürlich hat man nie jedem, der in den Laden kommt, gleich ein Rad verkauft. Mal hatte man die falschen Marken oder die falsche Preisklasse oder die eigene Nase hat dem Kunden nicht gepasst. Aber die Kunden kamen früher überwiegend mit einem echten Kaufinteresse in den Laden.

Aber in den letzten Jahre wurden die Kunden immer mehr, bei denen wir gemerkt haben, dass sie eigentlich gar nicht kaufen wollen, sondern eigentlich nur auf Informationen aus sind.
Das hat sich dermaßen gesteigert, dass das jetzt der Hauptgrund oder zumindest mit einer der wichtigsten Gründe war, zu sagen 'es reicht, jetzt ist Schluss'.

Der Spaß, Kunden zu beraten, ist immer häufiger auf der Strecke geblieben. Immer häufiger hat man sich nach so einem Verkaufsgespräch eher ‚verarscht‘ gefühlt, weil man gemerkt hat, der 'Kunde' will hier gar nichts kaufen. Dadurch ist es auch schwieriger geworden, auf den einzelnen Kunden zuzugehen. Man hat einfach nicht mehr den Nerv, völlig unbefangen ins Messer zu laufen, die Zeit zu investieren, sein Know-How weiterzureichen, wenn dann früher oder später klar wird, dass überhaupt keine Absicht besteht, hier etwas zu kaufen.

Davon ausnehmen muss ich ganz klar unsere Stammkunden, die jetzt auch entsetzt und traurig sind. Viele von ihnen kennen wir seit über 20 Jahren. Doch von diesen Kunden alleine, und den wenigen neuen, konnten wir nicht leben.

{b}Die aktuelle Situation hat aber nichts mit den Gegebenheiten in Heidelberg und Umgebung zu tun? {/b}

German Möhren: Das hat mit den Kollegen insgesamt oder mit einem Kollegen im Besonderen in der Tat nichts zu tun. Einen Händlerkrieg gab es hier in Heidleberg nicht.
Klar, je mehr Händler es gibt, desto kleinere Stücke vom Kuchen gibt es. Aber das war nicht das Problem. Es ist vielmehr mehr die grundsätzliche Einstellung der Kunden. Ich habe ja nun auch mehrere E-Mails von Kollegen erhalten, die meine Beobachtungen bestätigen.

{b}Aber ist es nicht schockierend, dass ein Laden mit einer solchen Geschichte allein wegen dem Kundenverhalten seine Tore schließen muss? {/b}

German Möhren: Jemand, der wirklich ein guter Kaufmann ist, hätte vielleicht hier und da Einsparmöglichkeiten gefunden oder Möglichkeiten, wo man noch die Marge durch geschicktes Einkaufen verbessern kann.
Aber das ist bei einem solchen Laden, wie wir ihn führen, auch sehr schwierig. Bei der Wahl der Produkte ging es immer um die Qualität und nicht darum, welche Marge man dafür kriegen kann. Sonst hätte man sicher die eine oder andere Marke austauschen müssen. Aber das ist ein anderes, ein rein kaufmännisches Spiel, und hat mit der Begeisterung für das Fahrrad und auch einem gewissen Idealismus nichts mehr zu tun.

{b}In Ihrer Abschiedsmeldung haben Sie geschrieben, Sie hätten sich verändern müssen auf eine Weise, die Sie nicht wollten. {/b}

German Möhren: Ich hätte ein relativ radikaler Verkäufer werden müssen. Also verkaufen um des Verkaufens willen, auch wenn der Kunde das Produkt vielleicht gar nicht braucht. Auch wenn ich sehe, wie viele Leute auf völlig falschen Rahmengrößen durch die Gegend fahren, die ihnen ja irgendwo verkauft wurden – so etwas haben wir nie gemacht. Diese Ehrlichkeit ist einem vielleicht auch in bisschen im Weg in so einem Moment.

{b}Hätte man eventuell das Sortiment ändern müssen? {/b}

German Möhren: Ja, vielleicht. Doch da hätte man, so wie es in den Zeitschriften steht, jedem der kommt und der kein Fully will, ein 29er verkaufen müssen und einem, der nicht sicher ist, ob er den Berg lässig hochkommt, ein Bike mit Hilfsmotor. Auch das ist eine Richtung, die uns nicht so gefällt. Wir sind beim MTB ganz klar 26-Zoll-Fans. Man hat die Reifengröße ja nicht umsonst so gewählt. Das ist auch unsere jetzige Erfahrung mit 29ern. Die fahren sich zwar lässig für große Fahrer, aber die Laufräder müssen schon deutlich häufiger nachgespannt und nachzentriert werden.

Wir haben schon aus Prinzip nur Räder verkauft, mit denen man auch den Berg hochfahren kann. Damit waren Downhiller bei uns außen vor. Natürlich haben wir jemandem, der einen Downhiller haben wollte, auch einen besorgt. Aber wir hatten keine Downhiller im Laden stehen.
Das war sicherlich aus Gründen der Philosophie eine Einschränkung. Andererseits hat das auch jahrelang gut funktioniert und war das Erfolgskonzept des Ladens. Die Kunden kamen und haben gesehen 'Mensch, da bekomme ich eine tolle Beratung'.

{b}Eure Eigenmarke spielt ja eine zentrale Rolle im Laden. Ist „Germans Cycles“ Teil der Lösung oder Teil des Problems für die gegenwärtige Situation? {/b}

German Möhren: Als ich meinen Laden eröffnet habe, habe ich mit meinen eigenen Rädern angefangen, weil es auf dem Markt noch fast nichts gab. Sie hießen damals noch 'Germans Mountain Bikes'.
Die eigene Marke wäre die Lösung gewesen, wenn man das noch hätte ausbauen können. Ich glaube jedoch nicht, dass dieser Umsatz für sich alleine ausgereicht hätte .

Eine weitere Alternative wäre gewesen, zu verkleinern und sich nur noch auf ganz exklusive, individuelle Sachen zu konzentrieren, beispielsweise nur noch Custom-Aufbauten zu machen oder Mehrfarbbeschichtungen, superexklusive Ausstattungen, 'Preis-spielt-keine-Rolle'-Räder, also die ganz exklusive Schiene. Aber auch dann stellt sich die Frage, ob das Ergebnis daraus ausreicht und ob uns das befriedigt hätte. Und das ist dann eine rein persönliche Überlegung und Entscheidung zu sagen, dass ich das nicht möchte.

{b}Wenn Sie mit den Erfahrungen, die Sie jetzt machen mussten, auf die Branche schauen: Wo geht Ihrer Ansicht nach die Entwicklung der Fahrradbranche und des Handels hin? {/b}

German Möhren: Richtig ist, dass die Entwicklung auf dem Markt sehr spannend sein wird. Wir haben jetzt im Nachhinein mit etlichen Leuten Gespräche geführt, wo uns bestätigt wurde, dass es die Problematik praktisch überall gibt. Die Verkäufe sind im Schnitt miserabel. Dieses Jahr kommt noch das unbeständige Wetter dazu. Was man so hört, werden noch etliche dieses Jahr zumachen, manche freiwillig, manche unfreiwillig. Da bin ich sehr gespannt, wer da noch übrig bleibt.

Ich sehe es relativ pessimistisch. Es mag sicher sein, dass es Kollegen gibt, die da ein besseres Händchen als ich haben. Ich weiß von Kollegen, die einfach wahnsinnig geschäftstüchtig sind und bei denen es wohl auch momentan sehr gut läuft. Wobei ich mit solchen Aussagen wie 'es läuft super' immer sehr vorsichtig bin, denn bei uns wurde es die letzten Jahre auch weniger und wir haben uns auch nicht hingestellt und gesagt, 'hey, uns geht es besch…', .

{b}Wo steht die Branche in 10 Jahren? {/b}

German Möhren: Ich könnte mir vorstellen, dass es im Internet ein paar Wenige durch Größe und kaufmännisches Geschick schaffen, nicht nur zu überleben, sondern ihr Geschäft noch auszubauen. Größe und Auswahl wird bei vielen Kunden heute immer wichtiger. Bei kleineren Händlern könnte es sein, dass sie sich auf Dienstleistungen beschränken. Und dann hoffe ich, dass doch einige dabei sind, die es schaffen, wenigstens noch vernünftiges Geld dafür zu kriegen, ohne Abzocke. Aber da bin ich selbst gespannt und werde das weiter verfolgen.

{b}In der Ankündigung auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass es Zeit für Plan B ist. Darf man denn wissen, was Plan B ist? {/b}

German Möhren: Da gibt es tatsächlich noch gar nichts. Plan B ist zunächst einmal zu schließen und dann weitergucken. Wenn es geht, dann nichts mehr mit Fahrrad. Von der Fahrradbranche habe ich zumindest für eine ganze Weile erst einmal genug gesehen. Es gibt ja auch noch andere Dinge im Leben.
Es ist einerseits sehr traurig, eine kleine aber feine Firma zuzumachen, von der einige Modelle zu Sammlerstücken geworden sind, andererseits hat es doch jetzt noch ein relativ positives Ende durch das erfreuliche Feedback gefunden. Es ist zwar ein Riesenschritt, aber ich glaube, es war der richtige und die Reaktionen darauf sind auch sehr, sehr gut.

{b}Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!{/b}

Das Interview für velobiz.de führte Daniel Hrkac

26. Juli 2012 von Daniel Hrkac
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