Carbon-Industrie unter Beobachtung:
Wie ernst sind die Pläne der chinesischen Regierung?
Das Image von Made in China war noch nie besonders gut, doch in jüngster Zeit hat es noch einmal deutlich gelitten. Jedes zweite beanstandete Produkt, so jüngst ein Bericht der Europäischen Kommission, komme inzwischen aus China. Und auch in der Fahrradbranche hat jüngst erst der Bruch eines Carbon-Rahmens der Marke Hai ein zweifelhaftes Licht auf die entsprechenden Produktionsstätten in China geworfen. Auslöser des Bruchs war vor allem auch eine schlampige Verarbeitung beim chinesischen Rahmenhersteller.
Aufgeschreckt von diesen Ereignissen hat die chinesische Regierung nun drastische Maßnahmen angekündigt, die von der englischsprachigen Fachzeitung Bike Europe jüngst beschrieben wurden: Hersteller von Carbonrahmen müssten ihre Produkte demnach von staatlichen Stellen prüfen lassen bevor sie für den Export frei gegeben würden. Ausgenommen seien lediglich zwei, namentlich nicht genannte Unternehmen, denen in China offenbar eine ausreichende Kompetenz und Qualitätssicherung zugetraut wird. Wenn die Regelung in Kraft trete, seien entweder mehrmonatige Lieferverzögerungen oder der Exodus der Carbonrahmen-Hersteller aus China die Folge.
Nur ein Lippenbekenntnis?
In der asiatischen Fahrradindustrie glaubt gegenwärtig offenbar kaum jemand, dass die Chinesen ihre Pläne in die Tat umsetzen. „Ich denke, das ganze ist eher ein politisches Statement“, sagt etwa Steve Fenton, der mit seiner Firma Pro-Lite in Taiwan u.a. Rahmen und Laufräder aus Carbon fertigt. Niemand in der Fahrradindustrie, so der Engländer, nehme die Regelung gegenwärtig ernst. Und wenn die Regelung doch käme, würden die chinesischen Hersteller sicher Wege finden, sie zu umgehen. Fenton sagt aber auch: „Es sollte nicht Aufgabe der chinesischen Regierung sein, dafür zu sorgen, dass die in China hergestellten Rahmen sicher sind.“ Die Fahrradindustrie müsse deutlich mehr Geld und Zeit in die Qualitätssicherung vor Ort investieren, um ihre Produkte sicherer zu machen.
Inzwischen hat wohl aber auch die chinesische Regierung erkannt, dass sich ihr Plan nur schwer realisieren lässt. Boris Sirmanoff vom renommierten chinesischen Carbon-Anbieter Martec sagt gegenüber velobiz.de: „Soweit ich weiß, hat die Regierung das Ganze erst einmal ein wenig zurückgestuft, da es nicht ausreichend Testlabore gibt. Außerdem gibt es auch kaum Leute, die genug Fachwissen haben, um die Testergebnisse beurteilen zu können.“
Fürs erste können die Einkäufer in der europäischen Fahrradindustrie also wohl beruhigt aufatmen. Gleichwohl bleibt ein Beigeschmack, dass über dem schwarzen Gold der Fahrradbranche derzeit ein Damoklesschwert baumelt.
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