Geplante STVO-Änderung:
Wo darf künftig ein Fahrrad geparkt werden?
Beim Fahrradparken gilt: Wenn keine Fußgänger behindert werden, dürfen Fahrräder auf dem Gehweg stehen. Das bleibt auch weiterhin bestehen. Zudem konnte man ein Fahrrad, da es rechtlich als Fahrzeug gilt, bislang auch am rechten Fahrbahnrand abstellen. In der Neufassung der StVO (§ 12, Abs. 4, Satz 2), die aktuell im Bundesrat zur Debatte steht, wird Letzteres allerdings untersagt. Dort soll stehen: „Fahrräder sind außerhalb von Seitenstreifen und Fahrbahnen abzustellen.“ Laut Ansicht der politischen Vertreter erscheint das aufgrund der Parkraumknappheit in vielen Großstädten sinnvoll. Aber: Oftmals ist es für Radfahrer die einzige Möglichkeit, ihr Fahrrad zu parken, weil Möglichkeiten zum Anschließen fehlen oder der Gehweg zu schmal ist. „Es handelt sich um ein neues Verbot und nicht – wie in der Begründung des Gesetzentwurfs behauptet wird – um eine Klarstellung, denn bisher nimmt die StVO Fahrräder nicht pauschal vom Fahrbahnparken aus“, erklärt Roland Huhn, Rechtsexperte beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Andreas Hombach, Experte für Fahrradparkanlagen bei der Firma WSM, sieht deshalb gerade die Stadtplaner in der Pflicht: „Nur wenn jetzt in fußläufiger Lage zu Geschäften, Dienstleistern, Arztpraxen, Ämtern u. a. vor Witterungseinflüssen, Vandalismus und Diebstahl schützende Fahrradabstellanlagen entstehen, wird das Fahrrad auch mehr genutzt, der innenstädtische Verkehr langfristig entlastet und damit ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet.“
Lobby-Arbeit sorgt für Anpassung
Die Gesetzesänderung steht bei Radverbänden wie dem ADFC oder auch dem Radlogistikverband Deutschland (RLVD) stark in der Kritik. Die Verbände plädieren dafür, dass der Passus wieder gänzlich gestrichen wird und nicht in die neue StVO einfließt. Zwar nehmen nur wenige Radfahrer die Möglichkeit in Anspruch, aber speziell Lastenräder und Fahrräder mit Anhänger werden meist auf der Fahrbahn geparkt, um Fußgänger nicht zu beeinträchtigen. Die Kritik der Verbände zeigte ein wenig Wirkung, was laut aktuellem Stand zu einer Sonderregelung führt: Lastenfahrräder und Räder mit Anhänger sind vom Verbot des Abstellens an der rechten Fahrbahnseite ausgenommen. „Wir haben den Entwurf zur StVO-Novelle um die Ausnahme ergänzt: Lastenräder und Fahrräder mit Anhänger werden weiterhin am Fahrbahnrand abgestellt werden können“, sagte Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, auf der ersten Radlogistik-Konferenz Ende Oktober in Berlin.
Hanna Gehlen, Geschäftsführerin beim Spezialisten für Fahrradanhänger Croozer, sieht diese Änderung positiv: „Dass das Verbot nicht für Fahrräder mit Anhänger oder Lastenräder gelten soll, ist ein Lichtblick. Nicht nur für Liefer- oder Paketdienste, die in eng bebauten Gebieten die Möglichkeiten haben müssen, mit dem Fahrrad auszuliefern, ist dies wichtig. Auch für Familien, die komplett auf ein Auto verzichten möchten, ist diese Ausnahme essenziell. Nur so können sie sich in Innenstädten emissionsfrei und vor allem ohne Einschränkungen bewegen.“ Markus Riese, Geschäftsführer vom E‑Cargo-Bike-Anbieter Riese & Müller, ergänzt: „Der Vorschlag, Fahrräder nur noch außerhalb von Seitenstreifen und Fahrbahnen abzustellen, hätte Lastenfahrräder besonders gegenüber Autos stark benachteiligt. E‑Lastenfahrräder ermöglichen eine emissionsfreie Fortbewegung und sind eine echte Alternative zum Auto. Zusätzlich brauchen sie deutlich weniger Parkraum.“
Lastenräder erhalten eigenes Verkehrszeichen
Damit dieser Parkraum auch gegeben ist, wird laut StVO ein neues Verkehrszeichen speziell für Cargo-Biker eingeführt. Dabei handelt es sich um eine Kennzeichnung für Park- und Ladefläche rein für Transporträder. Allerdings darf dort nur halten und parken, wer Güter transportiert. Der Personentransport, selbst von Kindern, ist bislang nicht inbegriffen. „Eine echte Entlastung der Innenstädte wäre, wenn mehr Menschen vom Auto auf das Lastenfahrrad umsteigen würden. Hier müssen durch bessere Infrastrukturmaßnahmen, also sinnvollen Ausbau von Radwegen und bessere sowie sichere Parkmöglichkeiten, die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden, damit wir von einer echten Alternative sprechen können“, führt Riese weiter aus.
Berlin sorgt für eigene Parkplätze
Als Beispiel dient die Hauptstadt Berlin: Am 8. November gab die Senatsverwaltung per Pressemitteilung bekannt, dass es neue, einheitliche Regelpläne für das Parken von Lastenrädern geben wird. Die Bezirke können nun genaue Flächen definieren, die am rechten Fahrbahnrand als offizielle Parkplätze für Lastenräder ausgeschrieben werden. Drei Lastenräder sollen schräg geparkt auf einen Kfz-Parkplatz passen. Die Abstellbügel sind entsprechend kürzer als herkömmliche Fahrradbügel, damit Platz zum Rangieren bleibt. Außerdem sollen auch spezielle Parkplätze am Fahrbahnrand für E‑Scooter geschaffen werden, auf denen – entsprechende Beschilderung vorausgesetzt – auch Fahrräder Platz finden. „Wir wollen neue Abstellflächen auf der Fahrbahn schaffen, um die Gehwege frei zu bekommen“, so Verkehrsstaatssekretär Ingmar Stresse. Die Argumentation des Berliner Senats steht also im Gegenteil zum Vorschlag des Bundes zur StVO-Anpassung. Roland Huhn sieht den Vorstoß allerdings skeptisch, wenn die Änderung der StVO in Kraft tritt. „Es ist zu befürchten, dass der neue § 12 Absatz 4 Satz 2 die Anlage von Parkflächen für Fahrräder auf der Fahrbahn verhindern wird. Geboten wäre aber angesichts des zunehmenden Radverkehrs und neuer Fahrradtypen das Gegenteil: Die Einrichtung von Fahrradparkplätzen am Fahrbahnrand sollte leichter möglich sein.“
Wohin mit dem Spezialrad?
Bleibt auch die Frage nach Spezialrädern. Darunter fallen u. a. Dreiräder für Menschen mit Handicap. Diese Fahrzeuge können ähnlich sperrig wie Lastenräder sein, sind aber nicht von der Sonderregelung für Cargo-Bikes betroffen. „Wenn man jetzt Fahrradparken in den Städten einschränkt, lässt man Menschen mit Handicap mal wieder im Regen stehen“, moniert Paul Hollants. Und der Geschäftsführer vom Spezialradhersteller HP Velotechnik legt nach: „Das scheint uns ein Schnellschuss zu sein und nicht durchdacht. Das hieße doch, dass wir als nächstes Behindertenparkplätze für Fahrräder ausweisen. Und an die dann noch eine Handicap-Plakette?“ Bevor so eine neue Regelungswut ausbricht, sei es doch besser, alles beim Alten zu belassen, so sein Appell an die Politiker. Am 4. Dezember bespricht der Verkehrsausschuss des Bundesrates die sogenannte Drucksache 591/19, die anschließend voraussichtlich am 20. Dezember 2019 in der Plenarsitzung des Bundesrates finalisiert wird.
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